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Berichte aus unserer Kanzlei, neue Urteile und wichtige Themen aus Recht, Steuern und Finanzen für Sie ausgewählt und ständig aktualisiert
Bundesgerichtshof über auf Steuerforderungen gestützten Insolvenzantrag durch das Finanzamt
9.11.2024
Stützt das Finanzamt den Insolvenzantrag auf Steuerforderungen, die sich - etwa bei Lohn- und Umsatzsteuer - aus Steueranmeldungen oder Steuer-voranmeldungen des Schuldners ergeben, reicht zur Glaubhaftmachung die genaue Aufstellung der einzelnen Steueranmeldungen und Steuervoranmel-dungen zusammen mit der Erklärung des Finanzamtes, dass es sich dabei um Forderungen aus entsprechenden (Vor-) Anmeldungen des Schuldners handele - betonte der Bundesgerichtshof (BGH) im Beschluss vom 19.Setember 2024 - Az: IX ZB 13/22.
Das Finanzamt beantragte das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zu eröffnen. Mit dem Antrag reichte das Finanzamt einen im Ein-zelnen nach Steuerart, Zeitraum der Steuer, Fälligkeit und Höhe gegliederte Aufstellung der offenstehenden Forderungen aus Lohnsteuer und Umsatz-steuer nebst Verspätungs- und Säumniszuschlägen sowie Vollstreckungskosten über insgesamt rd. 100 000 Euro ein. Ferner erklärte es, dass die Voll-streckbarkeitsvoraussetzungen gegeben und die in der Aufstellung enthaltenen Abgabenrückstände unanfechtbar festgesetzt seien. Vollstreckungsmaßnah-men seien ohne Erfolg gewesen, ein Pfändungsversuch in bewegliche Sachen sei erfolglos verlaufen. Das Amtsgericht (AG) - Insolvenzgericht - wies den Antrag als unzulässig zurück. Die sofortige Beschwerde hatte vor dem Landgericht (LG) keinen Erfolg. Auf die Rechtsmittel des Gläubigers hob der Bun-desgerichtshof (BGH) die Beschlüsse von LG und AG auf und verwies die Sache zur weiteren Entscheidung an das AG zurück. Mit der Begründung des LG kann die Glaubhaftmachung der Forderung des Finanzamtes nicht verneint werden. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung setzt der Insolvenzantrag eines Finanzamtes, der auf Steuerforderungen gestützt wird, als Mindesterfordernis die Vorlage des ergangenen Steuerbescheids und ggf. etwaiger Steuer-anmeldungen oder Steuervoranmeldungen des Schuldners voraus. Ein bloßer Kontoauszug des sachbearbeitenden Finanzamtes ist eine interne Verwal-tungshilfe und als Mittel der Glaubhaftmachung grundsätzlich nicht ausreichend. Es gibt keinen Rechtssatz, dass Kontoauszüge öffentlich-rechtlicher Rechtsträger zuverlässiger sind als diejenigen anderer Gläubiger. An dem Erfordernis der Glaubhaftmachung der Forderung durch den Gläubiger ist entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde auch im Fall der Antragstellung durch das Finanzamt nach dem Wortlaut der Systematik und dem Sinn und Zweck der Vorschriften des § 14 Abs.1 und 2 Insolvenzordnung (InsO) festzuhalten. Stützt das Finanzamt den Insolvenzantrag auf Steuerforderungen, die sich - etwa bei Lohn- und Umsatzsteuer - aus Steueranmeldungen oder Steuervoranmeldungen des Schuldners ergeben, genügt jedoch statt der Vorlage die genaue Aufstellung der einzelnen Steueranmeldungen und Steuervoranmeldungen zusammen mit den Erklärungen des Finanzamtes, dass es sich dabei um Forderungen aus entsprechenden (Vor-)Anmeldungen des Schuldners handele, die dieser später nicht berücksichtigt habe. Das LG hat zu die-sen Anforderungen keine Feststellungen gemacht, obgleich sich das Finanzamt in den Tatsacheninstanzen durchgängig auf das Vorliegen eines Aus-nahmefalls berufen und geltend gemacht hat, die Schuldnerin habe die in vollem Umfang unanfechtbare festgesetzte und nach Steuerart, Zeitraum und Fälligkeit und Betrag genau aufgelisteten Forderungen aus Umsatzsteuer und Lohnsteuer (vor-)anmeldungen “bisher” meint also: vor der Stellung des Insolvenzantrags, weil die Schuldnerin in den Tatsacheninstanzen nicht angehört wurde - nicht bestritten. Die Sache war zur erneuten Entscheidung an das AG zurückzuverweisen, welches die weiteren Anforderungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu prüfen haben wird - so der BGH.
Quelle. Otto Schmidt News, Auf Steuerforderungen gestützter Insolvenzantrag: Zur Glaubhaftmachung durch das Finanzamt, Wirtschaftsrecht 31.10.2024
Finanzgericht über Hinzuschätzung durch Finanzamt wegen Mängeln bei der Buchführung
11.11.2024
Kommt es bei einem Kioskbetrieb zu Mängeln in der Buchführung, kann eine Hinzuschätzung mittels Unsicherheitszuschlags vorkommen - erklärte das Finanzgericht (FG) Düsseldorf im Urteil vom 11.Juni 2024 - Az: 11 K 2308/19 U.
Der Kläger betrieb einen Kiosk mit Lotterie-Annahmestelle. Seinen Gewinn ermittelte der Kläger mittels Betriebsvermögensvergleich. Der Kläger setzte in den Streitjahren eine elektronische Registrierkasse ein. Er fertigte per Hand Kassenberichte an, in denen er die Einnahmen bestimmter Warengruppen er-fasste. Die Einnahmen aus dem Lotteriegeschäft wurden über eine Extra-Kasse erfasst, die direkt mit der Lotteriegesellschaft verbunden war. Das Finanz amt beanstandete während einer Betriebsprüfung die Buchführung des Klägers als nicht ordnungsgemäß. Es gäbe lediglich verdichtete Summenbuchun-gen. Kassendaten und eine Verfahrensdokumentation seien nicht vorgelegt worden. Wegen dieser Mängel setzte der Prüfer einen Sicherheitszuschlag von 5 Prozent fest. Der Einspruch des Klägers gegen die geänderten Steuerbescheide blieb erfolglos. Das FG Düsseldorf hielt seine Klage für unbegründet. Das Finanzamt haben wegen der Mängel in der Buchführung schätzen dürfen, die Hinzuschätzung von 5 Prozent sei korrekt - so der FG-Senat. Die Buchfüh-rung des Klägers habe in Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben gestanden. Der Kläger habe gerade keine Anleitung zur Kassenbedienung, Kassen-programmierung und Programmierungsprotokolle vorgelegt. Eine vollständige Dokumentierung der Kassenprogrammierung sei notwendig, um von einer formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung auszugehen. Auch wurden die Tagesendsummenbons nicht lückenlos vorgelegt. Bezüglich der Höhe der Hinzuschätzung sei die Schätzung auch zutreffend erfolgt. Ein interner Betriebsvergleich in Form einer Nachkalkulation komme hier nicht infrage, da eine solche aufgrund der vorliegenden Unterlagen nicht möglich gewesen sei. Preislisten oder Warenumsatzberichte liegen nicht vor. Auch ein äußerer Be-triebsvergleich anhand der amtlichen Richtsatzsammlungen sei hier nicht möglich gewesen. Insofern sei es also angemessen gewesen, eine Schätzung mittels eines Unsicherheitszuschlags durchzuführen - laut FG Düsseldorf im Urteil vom 11.Juni 2024 - Az: 11 K 2308/19 U.
Quelle: Ulf-Christian Dißars, Hinzuschätzung aufgrund von Buchführungsmängeln, www.haufe.de 05.11.2024
Oberlandesgericht zum Bestreiten einer angemeldeten Forderung und Parteiverrat im Insolvenzverfahren
10.11.2024
Die Mehrfachvertretung in einer insolvenzrechtlichen Sache kann die Gefahr einer Interessenkollision mit sich bringen. Es steht die Möglichkeit eines Par-teiverrats im Raum. Dennoch hob das Oberlandesgericht (OLG) Celle mit Beschluss vom 2.Oktober 2024 - Az: 3 ORs 18/24 eine entsprechende Ver-urteilung auf, weil es sich nicht klären ließ, ob der Rechtsanwalt uneingeschränkt beauftragt werden wollte.
Ein Rechtsanwalt war für zwei Gläubigerinnen in einem Insolvenzverfahren tätig. Nachdem ihm auffiel, dass der Insolvenzmasse Vermögensteile vorent-halten werden und der vorläufige Gläubigerausschuss seiner Meinung nach nicht ordentlich agiert, plant er, in der nächsten Gläubigerversammlung den Ausschuss neu zu besetzen. Dafür braucht er jedoch mehr Stimmen, deshalb kontaktierte er weitere Gläubiger. Von zwei Gläubigern erhielt er eine Voll- macht zur “Vertretungsbefugnis in Gläubigerversammlungen im Insolvenzverfahren über das Vermögen der ISchuldnerinI.” Bezahlen mussten sie den An-walt dafür nicht, weil er schon von seinen ersten beiden Gläubigerinnen vergütet wurde. Beide Nachzügler meinten aber, dass der Jurist ihre Interessen vollumfänglich wahrnehmen werde, das Gegenteil geschah. Nachdem der Anwalt zum Teil die Neubesetzung des Gläubigerausschusses herbeigeführt hatte, bestritt er im Prüfungsteil die Forderungen der “Neumandanten” wegen fehlender Schlüssigkeit. Ohne diesen Einsatz wären die Ansprüche einfach in die Tabelle eingetragen worden. Das Amtsgericht (AG) Hildesheim verurteilte den Rechtsanwalt wegen Parteiverrats nach § 356 Strafgesetzbuch (StGB) zu einer Geldstrafe. In der Berufung vor dem Landgericht (LG) Hildesheim erreichte der Angeklagte nur eine Herabsetzung der Tagessätzehöhe und erhob nunmehr - mit Erfolg - Revision vor dem OLG Celle. Das OLG hob mit Beschluss vom 2.Oktober 2024 - Az: 3 ORs das Urteil des LG auf und verwies die Sache zurück. Nach Ansicht des OLG offenbare das Urteil einen erheblichen Mangel in der Beweiswürdigung. Das LG habe nicht alle Umstände des Falls beleuchtet, es habe nur die Sichtweise der Gläubiger herangezogen. Für die Beschränkung der Neumandate spreche auf der einen Seite, dass der Anwalt keine Vergütung fordere und dass er vor der Beauftragung nicht untersucht habe, ob deren Forderungen überhaupt durchsetzbar waren. Auch die E-Mails zur Mandatsanbahnung ließen erkennen, dass es ihm nur um die Stimmrechte zur Neubesetzung des Gläubigerausschusses gegangen war. Diese Indi-zierungen seien nicht in die Beweiswürdigung eingefügt worden - beanstandete das OLG. Die Urteilsgründe müssten aber klar machen, dass das Tatge-richt alle erheblichen Beweistatsachen bewertet habe. Das LG Hildesheim habe die Sache deshalb neu zu verhandeln. Sollte das LG eine eingeschränkte Beauftragung annehmen, habe es zu klären, ob das Bestreiten der Forderungen dennoch ein pflichtwidriges Dienen i. S. d. § 356 StGB war. Gemäß § 77 Abs.1 S.1 Insolvenzordnung (InsO) seien die Stimmrechte an unbestrittene Forderungen gebunden. Das Bestreiten hätte damit Auswirkungen auf den Be-stand der Stimmrechte haben können, deren Ausübung - in dieser Variante - der Anwalt übernommen hatte. Das OLG Celle erklärte insofern: “Dieser Zu-sammenhang könnte - auch aus Sicht des Angeklagten - eine Verknüpfung der Themen des Berichts- und des Prüfungstermins bewirkt haben, die dem Angeklagten selbst im Fall der Annahme einer Beschränkung seines Auftrags auf den Berichtsteil dazu verpflichtet hätte, den Gläubigern K. und J. auch nach Beendigung des Berichtsteils und des damit verbundenen Auftrags weiterhin zum Erhalt ihrer Stimmrechte zu dienen.” Eine Rechtfertigung wegen einer Pflichtenkollision wäre in beiden Konstellationen nach Auffassung des OLG ausgeschlossen, denn der Anwalt hätte bei einer Interessenkollision standesrechtlich alle Mandate in dem Insolvenzsache niederlegen müssen.
Quelle: Redaktion beck-aktuell, rw, Angemeldete Forderungen bestritten: Parteiverrat im Insolvenzverfahren ? rsw.beck.de 7.November 2024
Bundesgerichtshof über Zustellung “demnächst” und Fehler des Gerichts
10.11.2024
Hier war in der Klageschrift eine frühere Anschrift vermerkt, der Postzusteller ließ die Klage jedoch einem Dritten zukommen. Nach Meinung des Kammer-gerichts (KG) war die Partei für die gesamte Verzögerung zuständig. Der Bundesgerichtshof war anderer Auffassung, der Fehler des Zustellers wird dem Gericht zugerechnet (BGH Urteil vom 10.Oktober 2024 - Az: VII ZR 240/23).
Eine Subunternehmerin klagte nahe der Verjährung auf Restwerklohn i. H. v. rd. 200 000 Euro aus einem Werkvertrag über Malerarbeiten. Ihre Prozess-bevollmächtigten gaben in der Klageschrift eine veraltete Adresse der Hauptunternehmerin an, diese hatte bereits vor etwa drei Jahren ihren Geschäfts-sitz verlegt. Die neue Anschrift war selbst im Handelsregister eingetragen und auf der Website zu finden. Angesichts der fehlerhaften Adresse verzögerte sich die Zustellung des Schriftstücks. Damit nicht genug - sorgte der Zusteller für noch mehr Durcheinander. Anstelle die Klage als unzustellbar an das Landgericht zurückzusenden, warf er die Klageschrift an der aufgeführten Adresse bei einem Dritten ein. Summasummarum entstanden durch die Vor-kommnisse eine Verzögerung von 20 Tagen bis zur Neuzustellung. Der Auftraggeber erhob die Einrede der Verjährung, denn die Klage sei erst nach dem Jahreswechsel zugestellt worden. Das KG stimmte damit überein. Die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs.1 Nr.1 BGB wirke nicht nach § 167 Zivilprozessordnung (ZPO) - Rückwirkung der Zustellung - auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit der Klage im November zurück, da die Zustellung nicht “demnächst” erfolgt sei. In diesem Rahmen werde eine von der Partei verschuldete Verzögerung von 14 Tagen noch hingenommen. Hier gingen aber die gesamten 20 Tage zulasten des Unternehmens. Dass der Zusteller die Klageschrift fehlerhaft in den Briefkasten des Dritten eingelegt habe, statt sie ans LG zurückzuschicken, entlaste es nicht. Der BGH vertrat in diesem Fall eine andere Meinung. Der VII. Zivilsenat des BGH hob das Urteil der Vorinstanz auf und verwies die Sache dorthin zurück (BGH Urteil vom 10.Oktober 2024 - Az: VII ZR 240/23). Zur fehlerhaften Sachbehandlung durch das Gericht (die nicht der Partei zur Last fällt) zählen auch Fehler des Zustellers. Die Zustellung der am 29.November 2018 beim LG eingegangenen Klageschrift am 12.Feruar 2019 sei “noch demnächst” i. S. v. § 167 ZPO erfolgt. Die Verzögerungen, die dadurch entstanden seien, dass der Zusteller die Klage in den Briefkasten eines Dritten eingelegt habe, anstatt sie an das Gericht zurückzusenden, sei nicht dem Unternehmen zurechenbar. Es handele sich um eine Verzögerung im Geschäftsablauf des Gerichts. Das Gericht habe die Klage von Amts wegen zuzustellen und beauftragte dazu das “Zustellungsorgan.”
Quelle: Redaktion beck-aktuell, ns, Zustellung demnächst: Fehler des Zustellers sind Fehler des Gerichts, 8.November 2024
W E I T E R E B E R I C H T E F O L G E N
Landgericht über Anspruch auf Platz in Kita - Keine Haftung für private Betreuungskosten
6.11.2024
Eine Gemeinde ist ohne weiteres zum Schadensersatz verpflichtet, falls sie den Anspruch auf einen Platz in einer Kindertagesstätte nicht erfüllt. Bevor die Eltern die Kosten für eine anderweitige Betreuung ihres Kindes erstattet bekommen, haben sie vor dem Verwaltungsgericht (VG) auf Zuweisung des Kita-Platzes zu klagen. Der Anspruch auf Erstattung der Kosten durch die Gemeinde erfordert nämlich, dass alle Rechtsschutzmittel auf Zuteilung eines Kita-Platzes ohne Erfolg ausgeschöpft sind - stellte das Landgericht (LG) Frankenthal im Urteil vom 19.September 2024 - Az: 3 O 313/23 heraus. Die auf Schadensersatzzahlung gerichtete Klage einer Mutter gegen die Stadt LU wurde von der Kammer des LG abgewiesen.
Hier beantragten die Eltern im Mai 2020 für ihr in diesem Monat geborenes Kind einen Kita-Platz ab Mai 2021. Die Stadt sandte ihnen eine Anmeldebe-stätigung, in der eine Rückmeldung angekündigt wurde. Diese blieb zunächst aus. Die Familie bekam erst im April 2023 Nachricht, dass dem Kind ab September 2023 ein Betreuungsplatz zugewiesen werde. Die Mutter forderte von der Stadt LU Ersatz für die ihr mittlerweile entstandenen Betreuungs-kosten ihres Kindes. Ihr Ehepartner und sie seien auf die Betreuung ihrer Tochter angewiesen, die Tagesmütter seien zu bezahlen gewesen. Die Kammer des LG Frankenthal hielt die Klage für unbegründet. Das Elternpaar habe es versäumt, ihren Kita-Anspruch im Eilverfahren vor dem VG durchzusetzen. Die Pflicht der Gemeinde zum Schadensersatz sei dem vordergründigen Ziel, rechtzeitig einen Platz in der Kita für die Tochter zu erhalten, untergeordnet. Es gebe daher kein Wahlrecht der Eltern, entweder den Kita-Platz einzuklagen oder aber zu dulden, dass dieser verweigert werde und daher eine Geldzah-lung zu fordern. Erst bei gescheiterter Klage auf den Kita-Platz bestehe eine Chance auf Erstattung der Betreuungskosten, die außerdem vor dem VG gel-tend zu machen sind. Das Urteil des LG Frankenthal vom 19.September 2024 - Az: 3 O 313/23 ist noch nicht rechtskräftig, die Berufung zum Pfälzi-schen Oberlandesgericht ist möglich.
Quelle: Landgericht Frankenthal Presse & Aktuelles - Presseinformation vom 31.10.2024
Abgasskandal: Bundesgerichtshof sieht Schadensersatz auch für Baureihe EA 288
9.11.2024
Selbst bei Fahrzeugen des Autokonzerns V. AG, die mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 288 versehen sind, können Kunden infolge unzulässiger Abschalteinrichtungen Schadensersatzansprüche geltend machen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem wenige Wochen alten Urteil vom 25.September 2024 - Az: VIa ZR 871/22 deutlich gemacht. Bei dem Dieselmotor der Baureihe EA 288 handelt es sich um die Nachfolgereihe des in vielen Zivilverfahren vor den Instanzengerichten gegenständlichen Motors EA 189 der V. AG. Auch der Dieselmotor der Reihe EA 288 wird in Modellen der V.-Konzernmarken V., A., S. und SK eingesetzt. Auch bei Fahrzeugen mit dieser Motorreihe kommen unter Umständen Schadensersatzansprüche in-frage.
Hier hatte der Kläger ein Dieselfahrzeug der Marke V. Typ G. 1,6 Liter TDI erworben, das mit einem Motor der Baureihe EA 288 (Abgasnorm EU 6) ver-sehen war. Der Kläger fordert von V. Schadensersatz wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung, jedoch scheitert seine Klage sowohl vor dem Landge-richt (LG) und dem Oberlandesgericht (OLG) München. Die Revision vor dem BGH hatte dagegen Erfolg. Der BGH lehnte zwar einen Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB ab. Nach der Rechtsprechung des BGH vom 26.Juni 2023 - Az: VIa ZR 335/21 u. a. könne jedoch ein Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens bestehen. Wie schon von uns früher berichtet, hat das höchste deutsche Zivilgericht mit dieser Grundsatzentscheidung herausgestellt, dass ein Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens bestehen könne. Der Schadensersatz könne bereits bei Fahrlässigkeit des Herstellers bestehen und nicht erst bei Vorsatz. Zu einer Rückabwicklung des Kaufvertrags kommt es dabei nicht. Der Käufer hat aller-dings nach dieser Rechtsprechung des BGH einen Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens zwischen 5 bis 15 Prozent des Kaufpreises. Die Entschei-dung des OLG München war hier schon im März 2022 verkündet worden und lag damit zeitlich vor der Grundsatzentscheidung des BGH vom Juni 2023. Der BGH hat mit dem Urteil vom 25.September 2024 - Az: VIa ZR 871/22 diese Linie fortgeschrieben. Die EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV) sei Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs.2 BGB, um die Interessen der Fahrzeugkunden zu schützen. Automobilhersteller haben sich damit scha-densersatzpflichtig gemacht, falls sie durch den Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung eine Übereinstimmungsbescheinigung ausgestellt und da-mit fahrlässig bestätigt haben, dass das Fahrzeug gesetzlichen Vorschriften entspricht. Laut BGH kann der Kläger Anspruch auf Ersatz des Differenzscha-dens haben. Der BGH-Senat hob das Urteil des OLG München auf. Das OLG muss in Anlehnung an die höchstrichterliche Rechtsprechung entscheiden, ob der Kläger des Dieselfahrzeugs der Marke V. Typ G. 1,6 Liter TDI, das mit dem Motor der Baureihe EA 288 versehen ist, Schadensersatz geltend machen kann.
Bundesgerichtshof über Verjährung bei Verstoß des Erbbauberechtigten gegen Reparatur- und Erneuerungspflichten
6.11.2024
Bei dem Verstoß des Erbbauberechtigten gegen die ihn nach dem Erbbaurechtsvertrag treffende Verpflichtung, das von ihm errichtete Bauwerk in einem guten baulichen Zustand zu halten und nötige Reparaturen und Erneuerungen auf eigene Kosten vorzunehmen, handelt es sich um eine fortdauernde Vertragswidrigkeit; die Verjährungsfrist für den Anspruch des Grundstückseigentümers auf Vornahme der jeweils erforderlichen Maßnahmen fängt daher nicht zu laufen an, solange der Verstoß andauert - führte der Bundesgerichtshof (BGH) im Urteil vom 27.September 2024 - Az: V ZR 21/24 aus.
Die Kläger sind Miteigentümer eines Grundstücks, an dem für die Beklagten und einen Dritten seit dem Jahr 1992 je ein hälftiges Teilerbbaurecht bestellt ist. Auf dem Erbbaurechtsteil der Beklagten befindet sich eine von ihr in den Jahren 1982/83 auf der Grundlage eines Nutzungsvertrags errichtete Squash- und Freizeitanlage. Im Erbbaurechtsvertrag ist geregelt, dass die Erbbauberechtigten verpflichtet sind, die von ihnen jeweils errichteten Bauwerke in einem guten baulichen Zustand zu halten und die nötigen Reparaturen und Erneuerungen auf eigene Kosten vorzunehmen. Die Beklagten verkauften im Jahre 2018 ihr Teilerbbaurecht an die Streithelferin zu 1), an die sie Räumlichkeiten schon seit dem Jahr 2015 verpachtet hatte. Die Erwerberin wur-de am 7.Juni 2018 in das Grundbuch eingetragen. Mit ihrer im Jahr 2021 erhobenen Klage fordern die Kläger von der Beklagten die Beseitigung von Mängeln an dem Flachdach und an der Tür zum Technikraum des von ihr errichteten Gebäudes. Landgericht (LG) und Oberlandesgericht (OLG) wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Kläger hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Kläger gegen die Beklagten auf Beseitigung von Mängeln an dem von ihr errichteten Gebäude nicht verneint werden. Anders als das OLG ist die Beklagte nicht gem. § 214 Abs.1 BGB berechtigt, die von ihr gefor-derte Leistung zu verweigern, da der Anspruch der Kläger gegen die Beklagte auf Vornahme der verlangten Mängelbeseitigungsmaßnahmen nicht verjährt ist. Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch auf Durchführung konkreter Maßnahme zur Beseitigung von Mängeln an dem von der Beklagten errichteten Gebäude unterliegt der regelmäßigen Verjährung nach § 194 Abs.1 BGB und verjährt nach §§ 195, 198 Abs.1 BGB innerhalb von drei Jahren ab dem Schluss des Jahres, in dem er entstanden ist und die Kläger von dem der Anspruch begründenden Umständen, d. h. von der Mangelhaftigkeit des Gebäudes Kenntnis bekommen haben oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten bekommen müssen. Unzutreffend ist indes die Annahme des OLG, die Verjährung sei danach mit dem Ablauf Jahres 2020 und damit vor der Klageerhebung im Jahre 2021 eingetreten. Bei dem Verstoß des Erbbauberechtig-ten gegen die ihn nach dem Erbbaurechtsvergleich treffende Verpflichtung, das von ihm errichtete Bauwerk in einen guten baulichen Zustand zu halten und die nötigen Reparaturen und Erneuerungen auf eigene Kosten vorzunehmen, handelt es sich um eine fortdauernde Vertragswidrigkeit; die Verjäh-rungsfrist für den Anspruch des Grundstückeigentümers auf Vornahme der jeweils notwendigen Maßnahmen beginnt deshalb nicht zu laufen, sofern der Verstoß andauert.
Quelle: Otto Schmidt News, Verjährung bei Verstoß des Erbbauberechtigten gegen Reparatur- und Erneuerungspflicht, Zivilrecht I Zivilverfahrensrecht 30.10.2024
Start-up-Szene favorisiert EU Inc.
11.11.2024
Vor 20 Jahren hat die EU mit der Societas Europaea (SE) erstmalig eine europäische Rechtsform etabliert. Selbst bei mittelständischen (Familien-) Unter-nehmen findet die SE Anklang. Eine Gruppe bekannter Gründer und Investoren aus der Start-up-Szene favorisiert für Existenzgründungen die “EU Inc.” als sog. kleine Schwester. Es soll damit eine europaweit einheitliche Gesellschaftsform geschaffen werden, die poblemlos gegründet werden kann. Mit der Vereinheitlichung des Regelungsrahmens sollen europaweite Investitionen nach Vorbild der Vereinigten Staaten verwirklicht werden. Anders als die SE, deren Gründung mit erheblichen Aufwand und Mindestkapital verknüpft ist und bei der immer nationales Recht anzuwenden ist mit unterschiedlichsten SE-Varianten. Bereits der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, hatte in seinem Bericht für mehr Wettbewerbsfähigkeit in der Europäischen Union die Bedeutung der Gesellschaftform einer EU Inc. für mehr Wachstum innerhalb des Binnenmarktes gewürdigt.
Quelle: Barbara Mayer, EU Inc. soll Gründungen erleichtern, Handelsblatt 5.November 2024, S.30
Landessozialgericht über Schlag mit Vase auf Kopf des Betreuers ist als Arbeitsunfall anzusehen
7.11.2024
Wenn ein Betreuter seinem ehrenamtlichen Betreuer eine Vase auf den Kopf schlägt, kann das für das Opfer einen Arbeitsunfall darstellen. Das hat auch dann Geltung, wenn die Beteiligten miteinander verwandt sind und der Vorfall in der gemeinsamen Wohnung passiert ist. Voraussetzung ist, dass der Angriff als Folge der Betreuungstätigkeit geschehen ist. Dies hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt mit Urteil vom 26.Juni 2024 - Az: L 6 U 19/23 geäußert, in der der für die Gesundheitsfürsorge als Betreuer zuständige Vater wegen eines cholerischen Anfalls seines Sohnes den Notarzt tele-fonisch kontaktiert hatte und es kurz danach zu dem Angriff kam.
Der Kläger war hier als ehrenamtlicher Betreuer seines erwachsenen Sohnes bestellt worden, der wegen seiner geistigen Behinderung beeinträchtigt war. Zu den Aufgaben des Betreuers zählte auch die Gesundheitsfürsorge für den Sohn. Zwischen dem Vater und dem Sohn kam es im Februar 2016 in der gemeinsamen Wohnung zum Streit, da das Zimmer des Sohnes von Schimmel befallen war und ein Bausachverständiger den Schaden begutachten sollte. Der Vater bemühte sich, seinen 38-jährigen Sohn davon zu überzeugen, die Besichtigung hinzunehmen und vorher einen Teil der Lego-Steine zur Seite zu räumen, damit sich der Sachverständige die betroffenen Stellen anschauen kann. Als der Vater seinem Sohn beim Wegräumen helfen will, zog dieser sich zunächst in sein Zimmer zurück. Kurz darauf schlug er mit einem Hammer durch die Zimmertür. Als der Vater den Notruf wählte, um einen Notarzt und die Polizei zu rufen, stürzte sich der Sohn auf ihn und schlug ihn mit einer Vase auf den Kopf. Die zuständige Unfallkasse lehnte es ab, die erlittene Platzwunde am Kopf des Vaters als Folge eines Arbeitsunfalls anzuerkennen. Als ehrenamtlicher Betreuer falle der Vater zwar grundsätzlich unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Vorfall habe sich aber nicht bei einer versicherten Tätigkeit ereignet. Dass Eltern ihre Kinder auffor-derten, ihr Zimmer aufzuräumen, ist Familienalltag und keine unfallversicherte Tätigkeit eines Betreuers. Die dagegen gerichtete Klage des Vaters hatte zweitinstanzlich vor dem LSG Sachsen-Anhalt Erfolg. Zur versicherten Tätigkeit des Klägers als Betreuer seines Sohnes habe u. a. die Fürsorge für des-sen Gesundheit gezählt. Die Gefahr des Angriffs mit der Vase sei der Vater nicht nur deshalb ausgesetzt gewesen, weil er mit seinem Sohn in einem Haus-halt gelebt habe, sondern auch den Notruf gewählt habe, um ärztliche Hilfe für seinen Sohn zu rufen. Das sei ein Teil seiner Tätigkeit als Betreuer im Rahmen der Gesundheitsfürsorge gewesen. Die Betreuertätigkeit kann auf keinen Fall nach dem seinerzeit geltenden Recht nicht auf die Vornahme von Rechtsgeschäften eingeschränkt werden. Das Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 26.Juni 2024 - Az: L 6 U 19/23 ist noch nicht rechtskräftig.
Oberlandesgericht über Ausschlagung einer Erbschaft trotz Geschäftsunfähigkeit
9.11.2024
Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat in einem Beschluss vom 22.Juli 2024 - Az: 14 W 28/24 Wx die Wirksamkeit einer Erbschaftsausschlagung für einen Betreuer bestätigt, obwohl die betreuungsrechtliche Genehmigung erst lange nach Ablauf der regulären Ausschlagungsfrist erteilt wurde.
Hier hatte eine Mutter durch Testament ihren eigenen Sohn unter einer Reihe von Beschränkungen zu ihrem (Mit-)Erben bestimmt. Der Sohn war ge-schäftsunfähig und konnte aus diesem Grund selbst keine wirksame Ausschlagungserklärung abgeben. Für ihn wurde seine Ehefrau tätig. Seiner Frau hatte er vorher eine Vorsorgevollmacht erteilt. Zur Ausschlagung reichte dies nicht, weil die Unterschrift unter der Vorsorgevollmacht nicht öffentlich be-glaubigt worden war. Die Ehefrau ließ sich deshalb vom Betreuungsgericht zur Betreuerin ihres Ehemannes für Nachlassangelegenheiten einsetzen und schlug die Erbschaft formgerecht notariell beglaubigt in dessen Namen aus. Gleichzeitig beantragte sie beim Betreuungsgericht, die Ausschlagung zu genehmigen. Dies geschah noch in der Sechswochenfrist, die einem Ausschlagenden vom Gesetz gewährt wird. Die rechtskräftige Genehmigung des Be-treuungsgerichts bekam die Ehefrau jedoch erst nach Fristablauf. Das ist nach dem Beschluss des OLG Karlsruhe vom 22.Juli 2024 - Az: 14 W 28/24 Wx unschädlich. Das OLG erklärte die Ausschlagung der Betreuerin (Ehefrau) für ihren Ehemann für wirksam. Die Ehefrau hatte die Ausschlagung vor einem Notar und damit formgerecht erklärt. Die Erklärung war auch fristgerecht beim Nachlassgericht eingegangen. Für die Wirksamkeit der Ausschla-gung reicht es, wenn die Genehmigung des Betreuungsgerichts innerhalb der Frist beantragt worden ist, sofern die Genehmigung dann später erfolgt ist. Denn sobald die Genehmigung beantragt ist, hat die Betreuerin keinen Einfluss auf die Dauer des Genehmigungsverfahrens. In dieser Zeit ist mithin der Lauf der Frist gehemmt. Dies regelt das Gesetz seit 1.Januar 2023 explizit in § 1858 Abs.3 BGB. Die Ausschlagung wird automatisch wirksam, sobald die Genehmigung rechtskräftig ist, § 1858 Abs.3 S.2 BGB. Die Ausschlagung wird automatisch wirksam, sobald die Genehmigung rechtskräftig ist, § 1858 Abs.3 S.2 BGB. Nach neuer Gesetzeslage ist kein weiteres Handeln der Betreuerin mehr notwendig, um die Wirksamkeit der Ausschlagung her-beizuführen, wie es vor der gesetzlichen Änderung 2023 erörtert wurde.
Quelle: DeutscherAnwaltVerein Arbeitsgemeinschaft Erbrecht, Ausschlagung einer Erbschaft trotz Geschäftsunfähigkeit ? Aktuelle Urteilsmeldungen 4.No-vember 2024
Landgericht verurteilt Stiftung im Streit um Museumssanierung zur Zahlung von Werklohn an Unternehmen
11.11.2024
Das berühmte P….monmuseum in B. zählt zu den berühmtesten Kultureinrichtungen der Hauptstadt und gleicht momentan einer Großbaustelle. Nach einer Auseinandersetzung um Sanierungskosten vor dem Landgericht Berlin hat die Stiftung P. Kulturbesitz einem Bauunternehmen über 226 000 Euro Werklohn nebst Zinsen zu leisten (LG Berlin Urteil vom 25.Oktober 2024 - Az: 22 O 79/22). Dagegen sind Zahlungen, die die Stiftung P. Kulturbesitz von dem Unternehmen forderte - laut dem Urteil des LG - bereits verjährt. Der Streit zwischen den Beteiligten zieht sich bereits einige Jahre hin. Einer-seits hatte die Stiftung 2016/2017 an das Unterenehmen einige Aufträge erteilt, andererseits später wieder gekündigt. Die Baufirma hatte 2022 Klage erhoben. Nach einer ersten Entscheidung im April 2023 hat die Stiftung nach Angaben des Gerichts im Zuge einer Widerklage mehr als 1 Million Euro von dem Unternehmen wegen durch mangelhafte Arbeiten entstandene Mehrkosten verlangt. Diesen Anspruch habe die Stiftung P. Kulturbesitz zu spät geltend gemacht. Das Urteil des LG Berlin vom 25.Oktober 2024 - Az: 22 O 79/22 ist noch nicht rechtskräftig, ggf. ist die Berufung zum Kammergericht möglich. Dies wird gegenwärtig durch das Bundesamt für Bauwesen und Raumgestaltung gesprüft, das die Sanierung im Auftrag der Siftung umsetzt.
Das Museum wird ubrigens seit über 11 Jahren saniert. Zuletzt kam es immer wieder zu Schließungen. Seit 2023 ist das Museumsareal komplett ge-schlossen. Erst 2037 soll es der Öffentlichkeit wieder zugänglich sein, die Kosten für das Bauwerk sollen sich bis dahin auf 1,5 Milliarden Euro belaufen. Vor dem Landgericht sind weitere Verfahren zu dem Sachkomplex anhängig.
Quellen: Deutschlandfunk, Sanierung Pergamon-Stiftung verliert Prozess gegen Baufirma, Deutschlandfunk Kultur (www.deutschlandfunkkultur.de) 02.11.2024. Redaktion beck-aktuell, bw., Stiftung verliert Prozess um Kosten für Pergamonmuseum, rsw.beck.de 4.November 2024
Oberlandesgericht über Frist innerhalb welcher Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung angenommen werden kann
5.11.2024
Nach § 147 Abs.2 BGB kann der einem Abwesenden gemachte Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Die nach objektiven Maßstäben zu bestimmende Frist zur Annahme setzt sich zusam-men aus der Zeit für die Übermittlung des Antrages an den Empfänger, dessen Bearbeitungs- und Überlegungszeit und der Zeit der Übermittlung der Ant-wort an den Antragenden - laut dem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe vom 24.Oktober 2024 - Az: 12 U 108/21.
Der Kläger hatte am 27.August 2004 bei der Beklagten einen Antrag auf Abschluss eines fondsgebundenen Rentenversicherungsvertrags gestellt und eine “Zusatzerklärung zum LV-Antrag” vom 27.Oktober 2004 unterzeichnet, die auszugsweise folgenden Inhalt hat: “Ab dem 1.Januar 2005 wird das Steuer-privileg der Lebensversicherungen entfallen. Nur für die Verträge, die bis zum 31.Dezember 2004 abgeschlossen sind, gilt noch die bisherige steuerrecht-liche Rechtslage. Ihr Antrag bedarf zu dessen Annahme möglicherweise noch einer Risikoprüfung durch G.-Leben. Wir können nicht sicherstellen, dass wir im Jahr 2004 noch zu einer abschließenden Beurteilung kommen (…)." Die Beklagte übersandte dem Kläger am 2.Februar 2005 die Unterlagen “zu der abgeschlossenen Police”, wobei der Zeitpunkt der Aufgabe zur Post und der Zugang streitig blieb. Dem Schreiben waren der Versicherungsschein so-wie einzelne aufgelistete weitere Vertrags- und Verbraucherinformationen beigefügt. Am 7.Januar 2020 erklärte der Kläger den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Vertrages nach § 5a Abs.1 S.1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in der vom 8.Dezember 2004 bis 31.De-zember 2007 gültigen Fassung (a. F.). Das Landgericht (LG) hat durch Teilurteil den Anträgen des Klägers auf der ersten Stufe stattgegeben und die Beklagte zur Auskunft ver-urteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das OLG am 21.Dezember 2021 ((11 O 77/20) im Wesentlichen zurückgewiesen, jedoch den Umfang des Auskunftsanspruchs beschränkt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 21.Februar 2024 - Az: IV ZR 32/22 die Anschlussrevision abgelehnt, auf die Revision der Beklagten das Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zurückverwiesen. Daas OLG Karlsruhe hat die Klage infolgedessen insgesamt abgewiesen (OLG Karlsruhe Urteil vom 24.Oktober 2024 - Az: 12 U 108/21). Der Kläger kann auf der Grundlage von § 242 BGB die begehr-te Auskunft nicht fordern, da mangels wirksamer Erklärung des Widerspruchs kein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch nach § 812 Abs.1 BGB besteht, dessen Durchsetzung die Auskunft dienen kann. Nach der BGH-Entscheidung war nur noch zu klären, ob die Widerspruchsbelehrung in-haltlichen Bedenken hinsichtlich der Angabe zum Beginn der Widerspruchsfrist begegnete. Und dies war nicht der Fall, da die Beklagte die Annahme des Antrages des Klägers vom 27.Dezember 2004 rechtzeitig erklärt hatte, weshalb der Beginn der Widerspruchsfrist in der Belehrung zutreffend angegeben war. Die Beklagte hatte den Antrag des Klägers durch Übersendung des auf den 2.Februar 2005 datierten Policenbegleitschreibens und Versicherungs-scheins nebst Anlage rechtzeitig angenommen, § 143 Abs.2 BGB. Nach § 147 Abs.2 BGB kann der einem Abwesenden gemachte Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Die nach ob-jektiven Maßstäben zu bestimmende Frist zur Annahme setzt sich zusammen aus der Zeit für die Übermittlung des Antrages an den Empfänger, dessen Bearbeitungs- und Überlegungszeit sowie der Zeit der Übermittlung der Antwort an den Antragenden. Sie beginnt deshalb schon mit der Angabe der Erklärung und nicht erst mit dem Zugang bei dem Empfänger. Die Überlegungsfrist bestimmt sich vor allem nach der Art des Angebots. Nach seinem Inhalt ist zu beurteilen, ob der Antragende die Behandlung des Angebots als eilbedürftig erwarten darf. Zu den regelmäßigen Umständen i. S. d. § 147 Abs.2 BGB zählen auch verzögernde Umstände, die der Antragende kannte oder kennen musste. Als solche kommen etwa die Organsisationsstruktur großer Unternehmen, die Erfordernisse der internen Willensbildung bei Gesellschaft oder juristischen Personen oder auch absehbare Urlaubszeiten infra-ge, sofern von einem Einfluss auf die Bearbeitungsdauer auszugehen ist. Unter Beachtung sämtlicher Umstände hielt der OLG-Senat eine Annahmefrist der Beklagten von sechs Wochen für (gerade noch) angemessen. Die Frist begann demnach mit Unterzeichnung und Weiterleitung des Versicherungs-antrags am Montag, den 27.Dezember 2004, und endet sechs Wochen später mit Ablauf des Montags, den 7.Februar 2005.Insofern hat das OLG nicht verkannt, dass der BGH in anderen Fällen von kürzeren Annahmefristen ausgegangen ist. Denn hier gab es besondere Umstände, die ausnahmsweise eine längere Annahmefrist rechtfertige. So war von Bedeutung, dass die Antragstellung auf den Zeitraum zwischen Weihnachten und Neujahr fiel, bei dem es sich um eine für den Kläger ohne Weiteres absehbare Urlaubszeit handelte, in der üblicherweise - gerade auch in einem größeren Unternehmen - ein nicht unerheblicher Teil der Beschäftigten abwesend ist. Ferner war hier die Besonderheit zu berücksichtigen, dass zum Jahreswechsel 2004/2005 das Steuerprivileg für Lebensversicherungen wegfiel, weshalb zum Jahresende mit einer Vielzahl von Anträgen zu rechnen war.
Quelle: Otto Schmidt News, Innerhalb welcher Frist kann ein Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung vom Versicherer angenommen werden ? , Zi-vilrecht I Zivilverfahrensrecht 29.10.2024
Arbeitsgericht über Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - Behandelnde Ärztin kann sachverständige Zeugin sein
8.11.2024
Wird eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) vom Arbeitgeber in Zweifel gezogen, hat ein Arbeitnehmer zu erläutern und zu beweisen, dass er krank-heitsbedingt arbeitsunfähig war. Das kann nach Ansicht des Arbeitsgerichts Berlin auch durch Befragung der behandelnden Ärztin als sachverständidige Zeugin geschehen (ArbG Berlin Urteil vom 19.März 2024 - Az: 22 Ca 8667/23).
Eine Reinigungskraft kündigt im Mai 2023 ihr Arbeitsverhältnis zum 15.Juni 2023. Zum Ende des Arbeitsverhältnisses wollte sie Urlaub nehmen, um bei ihrer Familie zu sein. Ihr Arbeitgeber lehnte den Urlaubswunsch jedoch ab. 10 Tage später meldete sich die Reinigungskraft krank und legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum 22.Mai bis 15.Juni 2023 vor. Der Arbeitgeber zog allerdings die AU in Zweifel und zahlte für den Zeitraum keinen Lohn. Die anschließende Klage der Mitarbeiterin auf Entgeltfortzahlung für den bescheinigten Zeitraum hatte beim ArbG Berlin Erfolg (ArbG Berlin Urteil vom 19.März 2024 - Az: 22 Ca 8667/23). Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ergab sich für das Gericht jedoch nicht schon aus der AU. Denn deren Beweiswert sah es durch den Arbeitgeber erschüttert. Es habe der Verdacht bestanden, dass die Mitarbeiterin nach abgelehntem Urlaubsantrag eine Erkrankung vorgeschoben hat. Zwar habe sie sich erst 10 Tage nach der Ablehnung des Antrags krank gemeldet; sie habe aber nach ihrem eigenen Vortrag nicht vor dem 22.Mai 2023 in Urlaub gehen wollen. Außerdem habe ihr Arbeitgeber auf die bescheinigte Diagnose, eine depressi-ve Episode, u. a. darauf hingewiesen, dass sie gleich am 16.Juni 2023 einen neuen Job aufgenommen habe. Das wäre aber bei einer solchen Erkran- kung nicht möglich gewesen. Die Erschütterung des Beweiswerts hatte zur Konsequenz, dass die Reinigungskraft darlegen und beweisen musste, dass sie krankheitsbedingt arbeitsunfähig war. Laut dem ArbG war bei der Beweiswürdigung zu beachten, dass eine ordnungsgemäß ausgestellte AÜ ein hoher Beweiswert zukomme. Dazu dürfe sich die Beweiswürdigung nicht in Widerspruch setzen. Das Gericht durfte daher annehmen, dass die ärztliche Diag-nose zutreffend ist, wenn es sich ein Bild davon gemacht hat, dass diese pflichtgemäß erstellt wurde. Dazu könne die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (AU-RL) herangezogen werden. Das Gericht müsse danach davon überzeugt sein, dass die Ärztin/der Arzt die Arbeitnehmerin/den Arbeitnehmer vor der Krank-schreibung persönlich untersucht hat. Dabei kann es angesichts häufig vorkommender voller Arztpraxen schon eine kürzer andauerrnde Untersuchung reichen. Ferner müsse es davon überzeugt sein, dass die Ärztin oder der Arzt bei der Stellung der Diagnose den Gesundheitszustand beachtet hat und es sich bei der AU gerade nicht um ein “Gefälligkeitsattest” handelt. Weiterhin habe für das Gericht festzustehen, dass die Arbeitnehmerin wegen der Erkran-kung arbeitsunfähig war. Das erfordere, dass auch die Ärztin wegen tatsächlicher Anhaltspunkte davon ausgegangen ist, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer wegen der Erkrankung nicht arbeiten kann. Dabei komme es auf die konkrete Tätigkeit an. Der Arzt müsse daher den Arbeitnehmer in der Regel nach seiner Arbeit und den dort in Verbindung stehenden Belastungen befragen und die Ergebnisse auch bei der Dauer der Krankschreibung ein-beziehen. Das ArbG konnte sich hier entsprechend überzeugen und verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung.
Quelle: Redaktion beck-aktuell, hs, Zweifel an AU; Behandelnde Ärztin kann sachverständige Zeugin sein, rsw.beck.de 5.November 2024
Landgericht zu Streit um Abwerbungen von Mitarbeitern
7.11.2024
Ob gegen ein konkurrierendes Unternehmen ein Anspruch auf Unterlassung der Abwerbung von Mitarbeiternbesteht, hat die 11. Zivilkammer des Land-gerichts (LG) Koblenz im Zuge eines einstweiligen Verfügungsverfahrens mit Beschluss vom 17.September 2024 - Az: 11 O 12/24 geklärt. Bei der An-tragstellerin und Antragsgenerin handelt es sich jeweils um Firmen, die u. a. stationäre Braandschutzsysteme vertreiben und auf dem Markt um Kunden als auch um Mitarbeiter werben. Etwa 25 Mitarbeiter, die gegenwärtig oder bis vor Kurzem noch bei der Antragsgegnerin beschäftigt sind bzw. waren, hatten sich ursprünglich entschlossen, bei der Antragstellerin tätig zu werden und mit dieser schon Anstellungsverträge geschlossen. Später erklärten je-doch mehrere dieser am Anfang wechselwilliger Mitarbeiter jeweils eine gleichlautende Kündigung dieser Anstellungsverträge und nahmen ihre Tätigkeit bei der Antragstellerin nicht auf. Die Antragstellerin hat ausgeführt, das die Antragsgegnerin zur Vermeidung des Verlusts ihrer Mitarbeiter und zur Schä-digung der Antragstellerin die wechselwilligen Mitarbeiter dazu bewegt habe, die mit der Antragstellerin geschlossenen Anstellungsverträge zu verletzen. Die Antragsgegnerin sei für die identische und kurz vor Arbeitsbeginn erklärten Kündigungen sowie für den darauf folgenden Nichtantritt der Arbeitsstelle verantwortlich. Es handele sich um ein konzertiertes und koordiniertes Vorgehen durch die Antragsgegnerin. Sie stelle den wechselwilligen Mitarbeitern kostenfreie Beratung durch einen auswärtigen Rechtsanwalt an die Seite. Außerdem habe die Antragsgegnerin den wechselwilligen Mitarbeitern eine Prämie i. H. v. 2 000 bis 3 000 Euro zugesichert, wenn sie von dem Wechsel absehen. Durch die Kündigungen und das Nichterscheinen der ursprüng-lich wechselwilligen Mitarbeiter sei es zu größeren Beeinträchtigungen im betrieblichen Ablauf der Antragstellerin gekommen. Die Antragstellerin bean-tragte dem Sinn nach den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der es der Antragsgegnerin untersagt werden sollte, aktuelle oder frühere Mitarbeiter der Antragsgegnerin, die ihr neues Anstellungsverhältnis bei der Antragstellerin gekündigt oder nicht angetreten haben, einstweilen für die Dauer von sechs Monaten, hilfsweise kürzer, einzustellen oder weiter zu beschäftigen. Außerdem sollte der Antragsgegnerin sinngemäß untersagt werden, ihre ehe-maligen oder aktuellen Mitarbeiter zu veranlassen, ihr Anstellungsverhältnis zu kündigen oder nicht anzutreten, eine Prämie für den Fall auszuloben, dass ihre aktuellen oder früheren Mitarbeiter zu der Antragstellerin wechseln und den Mitarbeitern kostenlos rechtliche Hilfe durch einen Anwalt bezüglich der Möglichkeiten einer Beendigung ihres Anstellungsvertrages bei der Antragstellerin zur Verfügung zu stellen.
Das LG Koblenz hat mit Beschluss vom 17.September 2024 - Az: 11 O 12/24 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verefügung zurückgewiesen, da weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund gegeben sei. Die Antragstellerin habe gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch auf Unterlas-sung nach § 8 Abs.1 Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) i. V. m. §§ 4, 4a UWG. Es liege keine unzulässige geschäftliche Handlung vor, da die Antragsgegnerin mangels gezielter Behinderung der Antragstellerin nicht unlauter gem. § 4 Nr.4 UWG gehandelt habe. Das Abwerben und auch das Rückabwerben von Mitarbeitern eines Unternehmens, unabhängig, ob er auf dem Absatzmarkt Mitbewerber ist oder nicht, sei vom Grundsatz her ge-stattet. Es müssten deshalb zur Begründung der Unlauterkeit besondere Umstände vorliegen. Solche besonderen Umstände seien erkennbar, wenn der konkurrierende Unternehmer mit der Abwerbung einen verwerflichen Zweck verfolge oder bei der Abwerbung selbst verwerfliche Mittel oder Methoden nutze. Ein verwerflicher Zweck ist beispielsweise darin zu sehen, wenn der Abwerber nicht sein eigenes unternehmerisches Fortkommen bezwecke, son-dern in erster Linie die wirtschaftlche Entfaltung des Konkurrenten beeinträchtigen wolle. Es sei auch unlauter, einen Mitarbeiter abzuwerben, in dem man ihn zum Vertragsbruch verleite. Es sei dagegen zulässig, den Arbeitnehmer bei einer rechtmäßigen Kündigung zu helfen. Das Kündigungsschreiben dürfe auch vom neuen Arbeitgeber übermittelt oder für eine rechtmäßige Kündigung einer Prämie ausgelobt werden. Hier sei eine Behinderungsabsicht der Antragsgegnerin nicht ersichtlich. Die wechselwilligen Mitarbeiter wären zuvor bei ihr tätig gewesen, sodass sie ein erhebliches Eigeninteresse an der Weiterbeschäftigung dieser Mitarbeiter habe und diese benötige. Sofern sich die Antragstellerin darauf beziehe, dass die Antragsgegnerin die wechselwil-ligen Mitarbeiter zum Vertragsbruch verleite, sei dies von der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Allein aus dem Umstand, dass die Kündigungen im Wortlaut, Aufbau und Form identisch seien, folge nicht, dass diese von der Antragsgegnerin herrühre. Ein dahingehendes konzertiertes und koordiniertes Vorgehen durch die Antragsgegnerin sei weder dargelegt noch bewiesen. Auch die im Rahmen einer Betriebsversammlung angekündigten Prämienzah-lungen stelle keine unzulässige Handlung dar, weil diese allen Mitarbeitern und nicht nur den wechselwilligen Mitarbeitern zu Gute kommen sollte. Dass den anderen wechselwilligen Mitarbeitern eine erhöhte Prämienzahlung außerhalb der Betriebsversammlung angeboten worden ist, sei hingegen nicht erkennbar. Auch sofern die Vertragslösung durch die wechselwilligen Mitarbeiter keinen Vertragsbruch darstellen würde, sei dies allei die Entscheidung des Beschäftigten. Im Falle der Vertragsverletzung könne der Arbeitgeber gegen ihn vorgehen. Eine unlautere Einwirkung auf die Entscheidungsfreiheit der wechselwilligen Mitarbeiter durch eine - als wahr unterstellte - Hilfe bei der Anfertigung der Kündigung oder die - vermeintliche - Auszahlung einer Prä-mie sei nicht gegeben. Unlauterkeit liege nur bei Druck, unangemessenem Einfluss oder Irreführung des Arbeitnehmers vor. Auch liege kein Verfügungs-grund vor. Die Vermutung der Dringlichkeit nach § 12 Abs.1 UWG sei widerlegbar. Die Antragstellerin habe durch ihr eigenes Verhalten speziell das Zu-warten mit der Antragstellung (zwischen der ersten Kündigung eines ursprünglich wechselwilligen Mitarbeiters und der Antragstellung lagen drei Mona-te), die erforderliche Dringlichkeit selbst widerlegt. Die Entscheidung des LG Koblenz ist rechtskräftig.
Quelle: Landgericht Koblenz Presse & Aktuelles - Presseinformation - Entscheidung des Monats
WEITERE BERICHTE FOLGEN
Kammergericht über Verbot des Mitführens von Mobiltelefonen oder Notebooks auf Hauptversammlungen
8.11.2024
Es ist unzulässig einigen Aktionären das Mitführen eines Mobiltelefons oder Notebooks zu Hauptversammlungen zu untersagen. Kommt es zu einem Ausschluss der Teilnahme von der Hauptversammlung, da das Verbot nicht beachtet wurde, liegt eine Verletzung des Teilnahmerechts vor. Die auf der Hauptversammlung getroffenen Beschlüsse können daher angefochten werden - so das Kammergericht (KG) Berlin im Urteil vom 26.Januar 2024 - Az: 14 U 122/22.
Eine in B. ansässige Aktiengesellschaft führte im Jahr 2019 eine Hauptversammlung durch. Dabei war es den Aktionären untersagt, Mobiltelefone, Note-books oder andere Geräte mitzuführen, mit denen Ton- oder Bildaufnahmen gemacht werden können. Dafür wurde als Ersatz eine Notfallnummer einge-richtet, die eine Erreichbarkeit der Aktionäre sicherstellen sollte. Außerdem wurden PC`s mit Anschluss zum Internet eingerichtet. Einige Aktionäre nah-men das Verbot nicht hin, sie wurden deshalb von der Hauptversammlung ausgeschlossen. Dies nahmen die Aktionäre zum Anlass, Anfechtungsklage wegen der auf der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse zu erheben. Das Landgericht (LG) hielt die Klage für begründet. Dagegen richtete sich die Berufung der Beklagten. Das KG Berlin bestätigte mit Urteil vom 26.Januar 2024 - Az: 14 U 122/22 die Entscheidung der Vorinstanz. Mit dem Verbot des Mitführens von Mobiltelefonen, Notebooks oder sonstigen Geräten, mit der Ton- und Bildaufnahmen gemacht werden können, werden zwar ein legi-timer Zweck verfolgt, dies sei jedoch als unverhältnismäßig anzusehen. Es stehe dem Eigentumsrecht des Art. 14 Grundgesetz (GG), dem Teilnahme-recht der Aktionäre, das allgemeine Persönlichkeitsrecht der übrigen Anwesenden, welches gegen die unerlaubte Ton- und Bildaufnahmen schützt, gegen-über. Das Teilnahmerecht der Aktionäre sei daher als höher anzusehen. Nach Ansicht des KG-Senats sei zu berücksichtigen, dass die Gefahr der Ton- oder Bildaufzeichnungen nur abstrakt seien. Andererseits seien die Anwesenden im Falle eines Verstoßes gegen das Aufzeichnungsverbot in Form von Schadensersatzansprüchen, Schmerzensgeldansprüchen und des Strafrechts ausreichend geschützt. Dagegen sei das Teilnahmerecht durch das Verbot besonders eingeschränkt. Das Verbot führe dazu, dass Aktionärsvertreter keine Rücksprache mit ihren Prinzipalen halten können, ohne den Versamm-lungsort zu verlassen. Weiterhin sei die Arbeitsfähigkeit der Aktionäre besonders eingeschränkt. Ohne die Nutzung von Notebook, Mobiltelefon etc. sei eine effektive Teilnahme an einer Hauptversammlung heutzutage nicht sinnvoll möglich. Weder die Notfallnummer noch die PC`s können die Schwere des Eingriffs in das Teilnahmerecht ausreichend abmildern - so das KG. Durch die Notfallnummer können die Aktionäre etwas nicht nach außen kommu-nizieren. Durch die PC`s bestehe nicht ohne weiteres Zugriff auf Unterlagen der Aktionäre. Außerdem gebe es die Gefahr, dass der PC gerade besetzt ist. Schließlich erkannte das KG mildere Mittel, um Aufzeichnungen auf der Versammlung zu vermeiden. So können Kameras durch kostengünstigere Siegel etc. blockiert werden. Außerdem gebe es Softwarelösungen, welche die Kamera- und Mikrofon-Funktion von Geräten deaktiviere.
WEITERE BERICHTE FOLGEN
Amtsgericht: Recht zur fristlosen Kündigung bei Beleidigungen und Bedrohung einer Mitarbeiterin der Vermieterin
6.11.2024
Wird eine Mitarbeiterin der Vermieterin von einem Mieter wiederholt als “dreckige H..e” und “dreckige Schl..pe” bezeichnet und ihr obendrein noch der Tod gewünscht, rechtfertige dies eine fristlose Kündigung des Mietverhältnis. Eine vorherige Abmahnung des Mieters ist nicht notwendig - so das Amts-gericht (AG) Berlin-Köpenick im Urteil vom 4.Januar 2024 - Az: 5 C 88/23.
Seit 2022 bekam die Mitarbeiterin einer Vermieterin von Wohnraum in B. Daueraufträge von einem Mieter, in deren Verwendungszweck die Mitarbeiterin u. a. als “dreckige H..e” und “dreckige Schl..pe” bezeichnet wurde. Und obendrein wurde ihr und dem “Rest der Sippe” der Tod gewünscht. Die Vermiete-rin kündigte aus diesem Grund das Mietverhältnis fristlos. Der Mieter weigerte sich, die Kündigung hinzunehmen. Die Vermieterin erhob daher Räumungs klage. Das AG Berlin-Köpenick entschied zu Gunsten der Vermieterin. Ihr stehe ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung zu. Die frist-lose Kündigung ist gem. § 543 Abs.1 BGB wirksam. Die Beleidigungen und Bedrohungen des Mieters sind im vorliegenden Fall derart schwerwiegend, dass der Vermieterin eine Fortsetzung des Mietverhältnis nicht zumutbar ist. Bei den von dem Mieter verwendeten Bezeichnungen für die Mitarbeiterin handelt es sich nicht um einfache Unhöflichkeiten, sondern um erhebliche und obendrein sich wiederholende Beleidigungen und Bedrohungen. Die Mit-arbeiterin der Vermieterin sei hier extrem herabgewürdigt worden. Die Qualität der Ehrverletzung steigerte sich durch den Wunsch des Tods der Mitarbei-terin und ihrer Familie. Wegen der Vielzahl und der Schwere der Verfehlungen sei nach Auffassung des AG eine vorherige Abmahnung des Mieters nach § 543 Abs.3 Nr.2 entbehrlich.
Bundesgerichtshof hat erstmalig Revision zum Leitentscheidungsverfahren kurz nach Gesetzesänderung bestimmt
7.11.2024
Kurz nach der gesetzlichen Änderung, das entsprechende Gesetz ist erst am 31.Oktober 2024 in Kraft getreten, hat der Bundesgerichtshof (BGH) erstma-lig ein Revisionsverfahren zum Leitentscheidungsverfahren bestimmt. Gemäß § 552b Zivilprozessordnung (ZPO) ist ein Leitentscheidungsverfahren mög-lich, falls die Revision rechtliche Fragen aufwirft, die für viele Prozesse von Relevanz sind. Intention des neuen Gesetzes ist es, die Gerichte vor einer Flut von Einzelklagen zu bewahren. Zu denken ist dabei an gleichgelagerte Ansprüche von Verbraucherinnen/Verbrauchern wegen unzulässiger Klauseln. In-teressant ist, dass der BGH im Leitentscheidungsverfahren selbst dann Position bezieht, wenn die Parteien die Revision zurücknehmen oder sich das Re-visionsverfahren auf andere Weise erledigt. Im vorliegenden Fall hat das höchste deutsche Zivilgericht nun Streitigkeiten über Ansprüche aus der Daten-schutzgrundverordnung zum Leitentscheidungsverfahren bestimmt, wird beim BGH unter Az: VI ZR 10/24 geführt.
Quelle: pdi/LTO-Redaktion, BGH bestimmt erstes Leitentscheidungsverfahren, Legal Tribune Online (www.lto.de) 31.10.2024