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Bundesgerichtshof zur unmittbaren Gläubigerbenachteiligung durch Veräußerung eines Vermögensgegenstands

21.4.2024

Führt die Veräußerung eines Vermögensgegenstands zu einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung, stellt dies ein eigenständiges Beweisanzeichen für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung dar. Ficht der Insolvenzverwalter sowohl das Verpflichtungs- als auch das davon getrennt und zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommene Erfüllungsgeschäft mit dem einheitlichen Rechtsschutzziel der Rückgewähr des zur Erfüllung Geleisteten an, handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände und der Insolvenzverwalter hat zu bestimmen, in welcher Reihenfolge er die Ansprüche geltend machen kann - führt der Bundesgerichtshof (BGH) im Urteil vom 22.Februar 2024 - Az: IX ZR 226/20 aus.

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Fremdantrag vom 7.August 2017 am 1.November 2017 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH (Schuldnerin). Er verlangt die Rückübertragung des Eigentums an mehreren Grundstücken, die ursprünglich im Eigentum der G. GmbH & Co. KG (G.) standen. Am 1.März 2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. eröffnet und ebenfalls der Kläger zum Verwalter bestellt. Seinerzeit lastete auf den Grundstücken eine Gesamtgrundschuld  i. H. v. 3,5 Millionen Euro (zzgl. 15 Prozent Zinsen und einer einmaligen Nebenleistung von 5 Prozent), die im Zeitpunkt dieser Verfahrenseröffnung noch i. H. von gut 3 Millionen Euro valutierte. Nach vom Kläger eingeholten Gutachten lag der Ver-kehrswert der Grundstücke zum Stichtag 28.Dezember 2009 unter der Voraussetzung der Altlastenfreiheit bei insgesamt 4,248 Mio. Euro. Ob es wert-mindernde Altlasten gibt, ist zwischen den Parteien streitig. Mit Vertrag vom 26.Juli 2010 (Unternehmenskaufvertrag) veräußert der Kläger als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. deren wesentliche Vermögensgegenstände an die Schuldnerin, die Teil einer indischen Unterneh-mensgruppe war. Zu den wesentlichen Vermögensgegenständen zählten auch die streitbefangenen Grundstücke, auf die ein Gesamtkaufpreis von 2,5 Mio. Euro entfiel. Dieser Teil des Kaufpreises sollte in vier Raten zu jeweils 625 000 Euro gezahlt und i. H. v. 1,25 Mio. Euro zur Ablösung der Grund-schuld an die Grundschuldgläubigerin weitergeleitet werden. Die Schuldnerin zahlte die ersten beiden Raten. Danach kam sie ihren Verpflichtungen nicht mehr nach. Zunächst blieb die am 1.Januar 2023 fällige dritte Rate offen. Am 26.April ließ sich der Kläger als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. eine vollstreckbare Ausfertigung der notariellen Urkunde erteilen. Ebenfalls am 26.April 2013 veräußerte die Schuldnerin die Grund-stücke zu einem Preis von 1,25 Mio. Euro an die Beklagte, eine auf Mauritius ansässige Gesellschaft (Grundstückskaufvertrag). Der Kaufpreis sollte direkt auf das Treuhandkonto des Notars gezahlt werden, der den Unternehmenskaufvertrag beurkundet hat. Zugleich vereinbarte die Schuldnerin mit der Be-klagten, dass die Schuldnerin die Grundstücke von der Beklagten zu einem Preis i. H. v. 40 000 Euro netto monatlich zum Zwecke der Beriebsfortfüh-rung zurückmieten sollte. Im Zeitpunkt der Veräußerung war die Schuldnerin weder als Eigentümerin der Grundstücke eingetragen noch die Grundschuld gelöscht. Am 25.Juni 2013 beantragte der Kläger, wiederum als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der G., auf der Grundlage der vollstreckbaren Urkunden ein vorläufiges Zahlungsverbot. Am 3.Juli 2013, die vierte Kaufpreisrate war seit dem 1.Juli fällig, vereinbarte er mit der Schuld nerin und einer indischen Gesellschaft, dass der ausstehende Kaufpreis i. H. v. 1,25 Mio. Euro in monatlichen Raten von 100 000 Euro ab dem 1.Au-gust 2013 auf das Treuhandkonto des Notars gezahlt werden sollte, der den Unternehmenskaufvertrag beurkundet hatte. Die Zahlung der restlichen 1,25 Mio. Euro geschah dann per Ratenzahlungen bis zum 30.Juli 2014. Die Beklagte selbst zahlte davon nur 49 800 Euro (abzgl. Bankgebühren) und zwar nachdem die Schuldnerin ihr 50 000 Euro überwiesen hatte. Die weiteren Teilzahlungen erbrachte eine auf Mauritius anässige Gesellschaft, die mit der Schuldnerin durch einen Darlehnsvertrag verbunden war (Darlehnsgeberin), und die Schuldnerin selbst. Die Parteien streiten darüber, inwiefern die Zah-lungen der Beklagten jedenfalls wirtschaftlich zuzurechnen sind. Am 15.September 2014 wurde die Schuldnerin als Eigentümerin der Grundstücke einge tragen. Am selben Tag erfolgte die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten der Beklagten. Am 29.Oktober 2024 wurde die Beklagte als Eigen-tümerin der nunmehr lastenfreien Grundstücke eingetragen. Die vereinbarte, ab dem Tag des Besitzübergangs auf die Beklagte fällige Miete i. H. v. 40 000 Euro monatlich für die (Weiter-)Nutzung der Grundstücke zahlte die Schuldnerin zu keinem Zeitpunkt. Am 18.Juli 2016 wurde das Insolvenzver-fahren über das Vermögen der G. aufgehoben. Als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin begehrt der Kläger die Rückübertragung der an die Beklagten veräußerten Grundstücke. Er stützt seine Begehren insbesondere auf eine Anfechtung des Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäftes nach §§ 129 ff. Insolvenzordnung (InsO) und auf § 826 BGB. Er behauptet, die Grundstücke seien im Zustand der erkannten Zahlungsunfähigkeit der Schuld-nerin unter Wert an die Beklagte verschoben worden. Die Schuldnerin und die Beklagte hätten kollusiv zum Nachteil der Gläubiger der Schuldnerin zu-sammengewirkt, Landgericht (LG) und Oberlandesgericht (OLG) wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück. Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann eine Anfechtbarkeit gem. § 133 Abs.1 InsO in der auf den Streitfall anwendbaren (Art. 103j Abs.1 EG InsO) ab dem 5.April 2017 geltenden Fassung nicht verneint werden. Das gilt insbesondere für den von § 133 Abs.1 InsO vorausgesetzten Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Der Kläger hat dem Gläubigerbenachteiligungs-vorsatz der Schuldnerin auf Beweisanzeichen gestützt, die in der Art und Weise deren angefochtenen Rechtshandlung und der sie begleitenden Umstände liegen. Die angefochtene Entscheidung hält (auch) insofern rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Kläger hat ausgeführt, die Veräußerung der Grund-stücke durch die Schuldnerin an die Beklagte sei unter Wert erfolgt. Die Veräußerung eines Gegenstands der künftigen Masse unter Wert kann eine un-mittelbare Gläubigerbenachteiligung i. S. v. § 129 Abs.1 InsO begründen, wenn die objektive Gläubigerbenachteiligung ohne das Hinzutreten weiterer Umstände schon mit der Vornahme der Rechtshandlung eingetreten ist. Eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung ist ein eigenständiges - wenn auch für sich genommen nicht ausreichendes - Beweisanzeichen für die subjektiven Voraussetzugen der Vorsatzanfechtung. Der Schluss auf den Gläubigerbe-nachteiligungsvorsatz erfordert eine Gesamtwürdigung der das Rechtsgeschäft begleitenden Umstände. Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann ein Benachteiligungsvorsatz im vorstehenden Sinne nicht verneint werden. Die vom OLG herangezogene, der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 138 BGB entlehnten 90 Prozent-Grenze gilt für die Prüfung des Benachteiligungsvorsatzes nach § 133 Abs.1 InsO nicht. Insbesondere schließt eine Unterschreitung der Grenze den Benachteiligungsvorsatz nicht aus. Zudem ist es für den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin unerheblich, ob die Beklagte den gutachterlich bestimmten Wert kannte. Ausschlaggebend sind vielmehr die Kenntnisse der Schuldnerin. Die Geschäftsleitung der Schuld-nerin kennt den gutachterlich bestimmten Wert von 4,248 Mio. Euro. Denkfehlerhaft ist zudem die Erwägung des OLG, eine Veräußerung unter Wert stehe die von der Beklagten eingegangenen Verpflichtung entgegen, die Grundstücke gegen Zahlung einer monatlichen Miete i. H. v. 40 000 Euro netto an die Schuldnerin zu vermieten. Das OLG unterstellt dabei , der Mietwert der Grundstücke könne oberhalb der vereinbarten Miete gelegen haben. Ein höherer Mietwert würde indes den Verkehrswert der Grundstücke erhöht haben. Richtigerweise deutet die Höhe der vereinbarten Miete auf einen Wert der Grundstücke hin, der den vereinbarten Kaufpreis i. H. v. 1,25 Mio. Euro überstieg. Der angefochtene Beschluss war danach aufzuheben und die Sache an das OLG zurückzuverweisen. Mit der Anfechtung des Grundstückskaufvertrags als auch der hier von getrennt und später vorgenommenen Eigentums-übertragung an den Grundstücken leitet der Kläger ein einheitliches Klagebegehren aus zwei prozessualen Ansprüchen her. Die daraus folgende alternati-ve Klagehäufung ist unzulässig. Der Kläger muss bestimmen, in welcher Reihenfolge er die Ansprüche geltend machen will. Bei der Geltendmachung mehrerer insolvenzanfechtungsrechtlicher Rückgewähransprüche aus unterschiedlichen Lebenssachverhalten handelt es sich auch dann um mehrere Streitgegenstände, wenn diese auf das nämliche Klagebegehren gerichtet sind. Nach der BGH-Rechtsprechung wird der Streitgegenstand durch den Kla-geantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Der Streitgegenstand der Insolvenzanfechtungsklage wird maßgeblich bestimmt durch die jeweils angefoch-tene Rechtshandlung (s. § 129 Abs.1, § 143 Abs.1 S.1 InsO). Deshalb handelt es sich um eine kumulative Klagehäufung, wenn der Verwalter neben-einander die Anfechtbarkeit einer Mehrzahl von Rechtshandlungen geltend macht, seine Klage etwa kumulativ auf die Anfechtung mehrerer Deckungs-handlungen stützt. Daran ändert nichts, wenn der die jeweiligen Anfechtungsvoraussetzungen ausfüllende Lebenssachverhalt z. B. die Zahlungsunfä-higkeit des Schuldners, augenscheinlich derselbe ist. Die Anfechtbarkeit jeder einzelnen Rechtshandlung ist gesondert und bezogen auf den nach § 140 InsO jeweils maßgeblichen Zeitpunkt zu prüfen. Ebenso verhält es sich, wenn mehrere insolvenzanfechtungsrechtliche Rückgewähransprüche geltend ge-macht werden, die auf das nämliche Klagebegehren gerichtet sind. Nur das Rechtsschutzziel ist dann das Gleiche, die Voraussetzungen sind jedoch je-weils gesondert zu prüfen und auch die Folgen der Anfechtbarkeit können voneinander abweichen. So geschieht die Rückabwicklung der aus einem Verpflichtungsgeschäft erbrachten Leistungen zu Gunsten der Insolvenzmasse nach allgemeinen Vorschriften, während sich die Rechtsfolgen der Anfech-tung des Erfüllungsgeschäfts aus § 143 InsO ergeben. Vor diesem Hintergrund darf der Verwalter seiner Klage neben angefochenen Rechtshandlungen nicht alternativ zugrunde legen und damit die Wahl der Prüfungsreihenfolge dem Gericht überlassen.

 


Amtsgericht über Auseinandersetzung um maßgefertigen Acryltisch

23.4.2024

In der rechtlichen Auseinandersetzung über die mangelfreie Anfertigung eines maßgefertigten Acryltisches hielt das Amtsgericht (AG) München im Urteil vom 29.Februar 2024 - Az: 161 C 1991/20 den Rücktritt des Käufers vom Vertrag für unwirksam und wies seine Klage auf Rückzahlung des Kaufprei-ses i. H. v. 2 890 Euro ab.

Der Kläger hatte die Beklagte mit der Herstellung eines Acryltisches beauftragt (2020). Der Acryltisch sollte ein Duplikat eines Acryltisches sein, den eine Bekannte des Klägers vor einiger Zeit bei der Beklagten erworben hatte. Der Kaufpreis belief sich auf 2 890 Euro brutto. Der Tisch wurde nach dem Vor-bild des Referenztisches von der Beklagten angefertigt und an den Kläger ausgeliefert. Der Kläger verweigerte die Annahme des Tisches unter Verweis auf seiner Ansicht nach bestehende Mängel. Nach einer erneuten Lieferung kam es wieder zu einer Mängelrüge seitens des Klägers und zu Nachbesserungs-versuchen der Beklagten. Zu den vom Kläger gerügten Mängeln zählten u. a. Einschlüsse im Acrylglas und das Vorhandensein schillernder Luftringe. Daraufhin erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Rückzahlung des Kaufpreises. Der neue Acryltisch weise größere Fehler auf und entspreche nicht dem Referenztisch seiner Bekannten. Nach Auffassung des Klägers sei der neue Tisch mangelhaft. Es sei zu beachten, dass es sich nicht um Massenware, sondern um eine Maßanfertigung nach einem konkreten Vorbild handeln würde. Dagegen stellte die Beklagte heraus, dass der neue Acryltisch die vereinbarte Beschaffenheit aufweisen würde. Der Tisch sei mangelfrei. Das AG München erachtet die Klage bezüglich des Rückzah-lungsanspruchs für unbegründet. Ein zum Rücktritt berechtigender Mangel i. S. d. § 434 Abs.1 BGB alter Fassung sei nicht gegeben. Bei dem neuen Tisch handelt es sich um eine Maßanfertigung nach konkretem Vorbild, d. h. nach dem Referenztisch (der Bekannten). Die Parteien hätten unzweifelhaft den Nachbau des Referenztisches vereinbart. Wird ein Nachbau eines bestehenden Möbelstücks in Auftrag gegeben, ist dieser Erklärung üblicherweise nach dem objektiven Empfängerhorizont zu entnehmen, dass ein Möbelstück angefertigt werden soll, dass optisch und praktisch dem Referenzstück ent-spricht. Die Vereinbarung eines Nachbaus nach dem Vorbild eines Referenztisches bezieht sich damit in erster Linie auf die optische Gestaltung. Nach den Ausführungen eines vom Gericht bestellten Gutachters entsprach der Nachbau in seiner allgemeinen Optik der des Referenzstücks. Die Beklagte habe die gleichen Materialien verwendet und sich auch bezüglich der Maße exakt an das Vorbild gehalten. Die von dem Kläger beanstandeten schillernden Lichtringe seien nach der Erklärung des Gutachters produkttypisch und daher nicht als Mangel einzuordnen, vielmehr seien diese übliche Beschaffenheit eines Acryltisches. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige hat das Vorliegen einzelner Mängel des vom Kläger gerügten Tisches bestätigt, u. a. hin-sichtlich der Einschlüsse an der Klebestelle zwischen Deckenplatte und Standsäule und einen Kratzer in der Tischplatte. Nachvollziehbar hat der Sachver-ständige dargelegt, dass eine aus seiner Sicht optische Prüfung von Möbeln nach gewissen Standards vollzogen wird, um die Vergleichbarkeit und die Objektivierbarkeit der erzielten Ergebnisse zu gewährleisten. Unter Einhaltung dieser Standards konnte der Sachverständige eine optische Beeinträchti-gung durch die genannte Abweichung des Tisches nicht feststellen. Die vom Kläger gerügten Fehler seien vielmehr nur zu erkennen, wenn man sehr nah an das Mobiliar herantrete und auf die Fehlerstelle aufmerksam gemacht werde. Bei einer standardisierten objektiven Prüfung im Standardabstand waren die Fehler jedoch nicht auffällig und seien aus diesem Grund als normgerecht und nicht als optische Einschränkungen zu sehen.

Quelle: Amtsgericht München Pressemitteilung 13 vom 15.04.2024


Bundesgerichtshof über Fortführung des Kanzleinamens - Kein Anspruch der Erbin auf Tätigwerden des Registergerichts

24.4.2024

Die Alleinerbin eines Anwalts wollte über das Registergericht verhindern, dass dessen Name nach einer Fusion im Kanzleinamen weitergeführt wird. Laut dem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 5.März 2024 - Az: II ZB 13/23 dient das Firmenmissbrauchsverfahren beim Registergericht jedoch nur dem öffentlichen Interesse, ein subjektives Recht zum Tätigwerden besteht nicht.

Zwei Anwaltsgesellschaften fusionierten. Der neue Name der fusionierten Kanzlei, einer Partnergesellschaft mit beschränkter Berufshaftung, enthielt auch den Namen eines mittlerweile verstorbenen Anwalts, der Partner der Rechtsvorgänger der verschmolzenen Gesellschaft war. Bei seinem Ausscheiden hat-te sich der Jurist damit einverstanden erklärt, dass sein Name weiter im Kanzleinamen geführt wird. Jahrzehnte später forderte seine Alleinerbin jedoch beim Registergericht, ein Ordnungsgeld zu verhängen, um die Verwendung des Namens im Kanzleinamen zu unterbinden. Das Registergericht leitet da-raufhin zunächst ein Firmenmissbrauchsverfahren ein, beendet es jedoch, da es die Verwendung des Namens für rechtmäßig hielt. Nach erfolgloser Be-schwerde scheitert die Alleinerbin auch mit ihrer Rechtsbeschwerde vor dem BGH. Nach Auffassung des höchsten deutschen Zivilgerichts ist hier die Be-befugnis abzulehnen und die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Der BGH wörtlich: “Der ein Firmenmissbrauchsverfahren gem. § 392 Abs.1, 2 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) i. V. m. § 2 Abs.2 Partnerschaftsgesell-schaftgesellschaftsgesetz (PartGG) und § 37 Abs.1 Handelsgesetzbuch (HGB) Anregende hat weder ein Beschwerderecht gegen die eine Verfahrensein-leitung ablehnende Entscheidung des Registergerichts noch gegen die Beendigung eines auf seine Anregung hin eingeleiteten Verfahrens.” Dieses amtl-liche Verfahren beim Registergericht verfolge ausschließlich öffentliche Interessen, nicht den Schutz von individuellen Interessen. § 37 Abs.1 HGB ver-mittelt keine subjektiven Rechte auf Einschreiten des Registergerichts - auch nicht für eine durch unbefugten Firmengebrauch in seinen Rechten Verletzte (§ 37 Abs.2 HGB). Der BGH-Senat stellte heraus, dass die Verletzte hier nicht auf das Firmenmissbrauchsverfahren beim Registergericht ausweichen könne, um ein kostenintensives Zivilverfahren auf Unterlassung nach § 37 Abs.2 HGB zu vermeiden.


Landgericht: Feuchte Wohnung kann auch ohne Schimmel mangelhaft sein

26.4.2024

Wegen der Durchfeuchtung der Wände ist die Tauglichkeit der Mietsache gemindert. Nach der BGH-Rechtsprechung haben erhebliche Durchfeuchtungen im Innen- und Außenbereich von Mietwohnungen nachteilige Auswirkungen auf den Wohnkomfort, die Gesundheit und den optischen Eindruck. Extreme Durchfeuchtungen der Innen- und Außenwände müssten deshalb weder in Wohnungs- noch Teileigentumseinheiten hingenommen werden, und zwar selbst dann nicht, wenn gesundheitsschädliche Schimmel (noch) nicht aufgetreten ist. Landgericht Paderborn Urteil vom 6.März 2024 - Az: 1 S 72/22.

Der Beklagte vermietet insgesamt 32 Wohnungen. Die Klägerin ist seit 1.November 2019 Mieterin einer Altauwohnung des Beklagten im Erdgeschoss. Das Haus wurde um 1926 errichtet. Sowohl der Keller des Hauses als auch der zur Wohnung zählende Kellerraum sind feucht. Feuchtigkeit besteht in Teilen der Wände der Mietwohnung. Die Feuchtigkeit hatte dort bereits u. a. zu sichtbaren Salzausblühungen und zerbröselnden Putz geführt. Die Klä-gerin hielt die Feuchtigkeit in der Wohnung und im Keller für einen Mietmangel, der sie zur Mietminderung von 50 Prozent berechtige. Der Beklagte habe, trotz unverzüglicher Anzeige, keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen, um die Feuchtigkeit im Mauerwerk und die zu Grunde liegende Ursache zu be-heben. Ihr Lüftungsverhalten sei ordnungsgemäß. Der Beklagte erwiderte, dass ein Mangel der Mietsache nicht vorliege. In der Wohnung gebe es kei- nen Schimmel. Das Haus entspreche dem Bauzustand von 1924. Die Maßnahmen zum Lüften seitens der Klägerin sei zumindest mit ursächlich für die Feuchtigkeitserscheinungen. Ferner sei eine Beseitigung der bauseitigen Ursache, sofern es eine solche gebe, jedenfalls unverhältnismäßig. Das Amtsge- richt (AG) hat die Klage abgewiesen. Zwar habe der Sachverständige ausgeführt, Wände mit derartig hoher Feuchtigkeit, die innenseitig Salzausblühun-gen aufwiesen, seien im Mietwohnungsbereich nicht akzeptabel. Aus fachlicher Sicht seien zum bestimmungsgemäßenn Gebrauch der Wohnung trocke-ne Wände notwendig. Dem sei jedoch nicht zu folgen. Es sei nicht erkennbar, inwiefern die Feuchtigkeit an sich die Benutzbarkeit der Wohnung ein-schränke. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht (LG) Paderborn mit Urteil vom 6.März 2024 - Az: 1 S 72/22 die erstinstanzliche Entschei-dung abgeändert und der Klage zum Teil stattgegeben. Der Klägerin steht sowohl nach § 535 Abs.1 S. 2 BGB ein Anspruch auf Beseitigung der von ihr geltend gemachten Feuchtigkeitserscheinungen in den betroffenen Wänden im Schlafzimmer, Flur und Wohnzimmer als auch gem. § 536 As.1 BGB ein Feststellungsanspruch bezüglich eines auf die Feuchtigkeitserscheinung in der Wohnung gestützten Minderungsrechts von 20 Prozent zu. Zu Recht hat das AG jedoch einen Anspruch auf Beseitigung der von der Klägerin angemieteten Kellerraum bestehenden Feuchtigkeit verneint. Die in der Wohnung bestehende Feuchtigkeit, die hier u. a. zu sichtbaren Salzausblühungen und zu zerbröselnden Putz geführt habe, stelle einen Mangel der Mietwohnung dar, der zu einem Beseitigungsanspruch der Klägerin führt. Dies gilt - entgegen der Rechtsauffassung des AG - sogar dann, wenn dadurch der bestim-smungsgemäße Gebrauch der Wohnung nicht erheblich beeinträchtigt wäre, wobei eine solche erhebliche Beeinträchtigung hier vorliegt. Die Erfüllung des Instandsetzungsanspruchs stellt sich schließlich auch nicht für den Beklagten als wirtschaftlich unzumutbar dar. Der Beklagte ist Vermieter von insge-samt 32 Wohnungen, sodass an seinen Vortrag zum Lebensunterhalt in Bezug auf den streitgegenständlichen Mietabzug große Zweifel bestehen. Durch die Durchfeuchtung der Wände ist die Tauglichkeit der Mietsache gemindert. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Verweis auf BGH Urteil vom 4.Mai 2018 - Az: V ZR 203/17) haben nach wie vor extreme Durchfeuchtungen von Innen- und Außenwänden von zu Wohnzwecken vermieteten Woh-nungen große nachteilige Auswirkungen auf Wohnkomfort, Gesundheit und den optischen Eindruck. Massive Durchfeuchtungen der Innen- und Außen-wände - wie vorliegend - müssten deshalb weder im Wohnungs- noch in Teileigentumseinheiten hingenommen werden, und zwar auch dann nicht, wenn gesundheitsschädlicher Schimmel (noch) nicht aufgetreten ist. Da die Raumluftfeuchtigkeit nicht zu hoch ist, war eine Minderungsquote von 20 Prozent - und nicht wie von der Klägerin gefordert von 50 Prozent auszusprechen - so die Kammer des LG. Im Hinblick auf den von der Klägerin mitgemieteten Kel lerraum liegt dagegen kein Mangel, der einem Anspruch gem. § 535 Abs.1 S.2 BGB begründet. Zwar wurde ein Feuchtwert von 100 Prozent gemessen. Auch seien an der Putzoberfläche schon Salzausblühungen erkennbar gewesen. Bei dem ermittelten Wert handelt es sich nach den Ausführungen des Sachverständigen der um bauzeit- und bauarttypischen Werte, die nicht überraschen, da die Bodenplatten aus dieser Zeit öfters aus Ziegel oder Mager-beton erstellt worden und daher nicht wasserdicht seien. 1926 hätten auch keine verbindlichen Abdichtungsvorschriften vorgelegen. Da insofern bis zu den 1960er Jahre keine hochwertigen und dauerhaften Abdichtungssysteme zur Verfügung gestanden hätten, würden die Außenwände dieser Altbau-keller häufig einen hohen Feuchtigkeitswert aufweisen.


Landgericht über Kosten für Nutzung einer Wohnung nach Mietende

27.4.2024

Das Landgericht (LG) Hanau hat mit Urteil vom 22.November 2023 - Az: 2 S 35/22 entschieden, dass ein Vermieter gegen den Mieter für die Zeit in welcher dieser ihm die Wohnung nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurückgibt, nur dann ein Anspruch auf die gesetzlich angeordnete Nut-zungsentschädigung zusteht, wenn er auch einen Rücknahmewillen hat.

Der Mieter hatte die Kündigung der Wohnung im vorliegenden Fall zu Ende August 2017 erklärt. Der Vermieter widersprach der Kündigung unter Hinweis auf eine Klausel zum Kündigungsausschluss im Mietvertrag, worüber es zu einem Rechtsstreit kam. Der Mieter war schon bei Vertragsende ausgezogen, hatte jedoch zeitweise noch einige Möbel in der Wohnung stehen. Angesichs des laufenden Gerichtsverfahrens zahlte er die vertragliche Miete unter Vor-behalt weiter. Das Amtsgericht (AG) und das LG Hanau haben in einem Vorprozess die Wirksamkeit der Kündigung bejaht. Der Mieter forderte vom Ver-mieter die unter Vorbehalt geleisteten Zahlungen zurück. Der Vermieter machte dagegen geltend, ihm stehe bis zur Wohnungsrückgabe Nutzungsentschä-digung in Höhe der vertraglich vereinbarten Miete zu. Das AG hat der Klage größtenteils stattgegeben. Nur für die Unterstellung der Möbel hat es dem Vermieter einen Betrag von monatlich 130 Euro zuerkannt. Die dagegen gerichtete Berufung hatte vor dem LG Hanau keinen Erfolg. Eine Nutzungsent-schädiung wegen Vorenthaltens der Mietsache nach § 546a Abs.1 BGB bestehe nach gefestigter BGH-Rechtsprechung nicht, da der Vermieter die Woh-nung in dem relevanten Zeitraum nicht zurückerhalten wollte. Demgegenüber habe er der Kündigung widersprochen und diese Auffassung auch in dem vorherigen Prozess vertreten. Daher musste der Mieter dem Vermieter die Rückgabe auch erst gar nicht anbieten. Der Mieter habe dem Vermieter aller-dings den Wert zu ersetzen, den er durch die Unterstellung der Möbel in der Wohnung erspart hatte. Die von dem AG im Zuge der Schätzug dafür ange-nommenen 130 Euro je Monat seien nicht zu beanstanden - laut Kammer des LG. Das Urteil des Landgerichts Hanau vom 22.November 2023 - Az: 2 S 35/22 ist noch nicht rechtskräftig (Revision schon eingelegt).

Quelle: Landgericht Hanau Pressemitteilung vom 3.April 2024 zum Urteil des LG Hanau vom 22.November 2023 - Az: 2 S 35/22 - Kosten für die Nut-zung einer Wohnung nach Mietende


Sozialgericht: Keine Entschädigung für geltend gemachten Impfschaden nach COVID 19-Schutzimpfung

21.4.2024

Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat mit Urteil vom 11.April 2024 - Az: s 32 VE 10/23 eine Klage abgewiesen, mit der die Klägerin einen Anspruch auf Entschädigung für einen Impfschaden nach einer Schutzimpfung gegen COVID 19 mit dem mRNA-Wirkstoff C. des Herstellers Pf./B. geltend gemacht hatte.

Die Klägerin hatte hier vorgetragen, nach der empfohlenen Schutzimpfung gegen COVID 19 an einer Hashimato-Thyreoiditis, einer Small-Fibre-Poly-neuropathie, einem posturalen Tachykardie-Syndrom sowie einem chronischen Erschöpfungssyndrom (ME/CFS) - auch sog. “Post-Vacc-Syndrom” - er-krankt zu sein und die Meinung geäußert, die Erkrankungen seien durch die Impfung hervorgerufen worden. Nachdem das Landesamt für Soziales und Versorgung den von der Klägerin gestellten Entschädigungsanspruch negativ beschieden hatte, wandte sich diese an das SG Cottbus. Die Kammer des SG hat die gesetzlichen Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs als nicht gegeben angesehen. Schon das Vorhandensein und der Umfang einer dauerhaften gesundheitlichen Schädigung sind nicht mit der notwendigen Gewissheit nachgewiesen. Unabhängig davon fehlt es an einem kausalen Zusammenhang zwischen der Schutzimpfung und den behaupteten Gesundheitsschäden. Allein der zeitliche Zusammenhang zwischen der Schutzim-pfung und der Eintritt des geltend gemachten Gesundheitsschadens reichen für einen Kausalitätsnachweis nicht. Der aktuelle Stand der medizinischen Wissenschaft gebe für eine Kausalitätsnachweis zwischen der Corona-Schutzimpfung mit dem mRMA-Wirkstoff C. und einer Polyneuropathie, posturaler Tachykardie und einer Hashimato-Thyreoiditis keine ausreichenden Anhaltspunkte. Im Ergebnis sei daher auf das Medizinische Bulletin des Robert-Koch-Instituts 21/23 und das Bulletin zur Arzneimittelsicherheit des Paul-Ehrlich-Instituts (Ausgabe 2-Juni 2023) Bezug zu nehmen, nach dem es für einen Zusammenhang zwischen der Impfung und den im vorliegenden Fall geäußerten Gesundheitsschäden nach derzeitigem Stand auch keine gesicherten medizinischen Nachweise gebe. Gerade das sog. “Post-Vacc-Syndrom” stelle keinen ausreichenden medizinischen Nachweis dar. Das Urteil des Sozialge-richts Cottbus vom 11.April 2024 - Az: s 32 VE 10/23 ist noch nicht rechtskräftig. Die Kammer des SG ließ auch die Sprungrevision zum Bundessozial-gericht zu.                       


Abgasskandal: Wieder Schadensersatz für Käufer eines Multivans wegen unzulässiger Abschalteinrichtung

24.4.2024

Wieder hat ein Käufer eines Multivans der Marke V. Typ T 5 einen Anspruch auf Schadensersatz gerichtlich zugesprochen bekommen. In unsererer wöchentlichen Berichterstattung über den Abgasskandal erläutern wir hierzu das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe vom 5.März 2024 - Az: 17 U 20/21. Der Käufer hatte den Multivan T 5 von V. im April 2013 als Neufahrzeug im April 2013 zu einem Kaufpreis i. H. von 56 400 Euro erwor-ben. In diesem Fahrzeug ist ein Dieselmotor der Baureihe EA 189 - Schadstoffklasse EU 5 im Einsatz. Anders als bei anderen Typen des Herstellers V. hat es für diesen Fahrzeugtyp bislang keinen Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) gegeben, was sich aber nach Einschätzung der Prozessvertreter des Klägers alsbald ändern könnte. Wie in ähnlich gelagerten Fällen um den Multivan Typ T 5 von V. sieht auch das OLG Karlsruhe in dem vorhandenen Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut. Die Abgasrückführung funktioniert hier ausschließlich in vorgegebenen Temperaturberei-chen, bei höheren oder niedrigeren Temperaturen wird diese schrittweise auf null gemindert, was zu einem Anstieg der Emissionen führt. Dies sei zumin-dest fahrlässig durch den Fahrzeughersteller erfolgt. V. bietet seit 1.Juni 2023 unter dem Code 23 DV ein freiwilliges Software-Update an, um den Wir-kungskreis des Thermofensters auszuweiten. Der Kläger hat sich dieses Software-Update bereits auf sein Fahrzeug aufspielen lassen. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 26.Juni 2023 - Az: VIa ZR 335/21 u. a. (Geltendmachung des Differenzschadens zwischen 5 bis 15 Prozent des Kaufpreises) hat das OLG Karlsruhe dem Geschädigten einen Schadensersatzanspruch i. H. von 5 640 Euro zugebilligt, also 10 Prozent der Kaufpreissumme. Eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen 88 000 Kilometer bleibt unberücksichtigt. Der Kläger kann den Multivan behalten. Ähnlich liegt übrigens der Fall um einen gebrauchten Multivan Typ T 6 von V., in dieser Entscheidung hatte das OLG Koblenz dem Anspruchsteller mit Urteil vom 9.Februar 2024 - Az: 15 U 1394/22 Schadensersatz i. H. von 5 Prozent des Kaufpreises zugesprochen (wir berichteten).

Fortsetzung folgt.


Landgericht zur Anforderung an Hinweis auf Widerspruchsrecht gegenüber unerwünschter E-Mail-Werbung

20.4.2024

Das bloße Verlinken der Datenschutzhinweise, die wiederum einen Verweis auf die Marketingaktivitäten nebst Hinweis auf einen Abmeldelink enthalten, erfüllt nicht die Anforderungen an einen klaren, deutlichen Hinweis auf das Widerspruchsrecht bei Erhebung der Adresse. Es reicht nicht, wenn in der Datenschutzerklärung ausgeführt wird, dass die Kundendaten für Werbezwecke genutzt werden und sich der Empfänger von der E-Mail-Marketing Kom-munikation abmelden kann, insbesondere wenn dieser Hinweis - ohne textliche Herausstellung - auf S.23 eines 26 Seite umfassenden Schriftstücks ent-halten ist - unterstrich das Landgericht (LG) Paderborn im Urteil vom 12.März 2024 - Az: 2 O 325/23.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung wegen der Zusendung von Werbe-E-Mails in Anspruch. Die Klägerin arbeitet bundesweit in den Berei-chen Beleuchtungs- und Beschallungsanlagen für Sportstätten, Arenen und Außenanlagen aller Art. Die Beklagte ist Online-Reiseanbieter, der die Platt-form P betreut. Der Geschäftsführer der Klägerin buchte bei der Beklagten unter Angabe der E-Mail-Adresse zwei Flüge. Im Anschluss sandte die Beklagte der Klägerin an die Adresse eine Werbe E-Mail. Darauf, dass entsprechende Kontaktaufnahmen in Zusammenhang mit einem mit der Beklagten geschlos- senen Vertrag zur Vermittlung von Reiseleistungen erfolgen können, wird im Rahmen der Datenschutzerklärung hingewiesen. Die Erklärung umfasst 26 DIN-A 4-Seiten, wobei auf den Seiten 23 bis 24 die Informationen über das Widerspruchsrecht des Nutzers stehen. Die Klage auf Unterlassung der Zu-sendung weiterer Werbe-E-Mails hatte Erfolg. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Unterlassung der Zusendung zukünftiger Werbe-E-Mails gem. §§ 823 Abs.1, 1004 BGB analog gegen die Beklagte zu. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung steht die ohne wirksame Einwilligung an eine geschäftliche E-Mailadresse versandte Werbe-E-Mail einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar (Verweis auf BGH vom 14.März 2017 - Az: VI ZR 721/15). Das von der Beklagten veranlasste Zusenden von insgesamt 6 Werbe-E-Mails zwischen dem 13.September 2023 und dem 3.Oktober 2023 stellt einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Eine wirksame (aus-drückliche) Einwilligung der Klägerin ist weder ersichtlich, noch wird sie mit Substanz von der Beklagten behauptet - so das LG. Die von der Beklagten bemühten Voraussetzungen des § 7 Abs.3 Nr.4 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) liegen auch nicht vor. Die bloße Verlinkung der Daten-schutzhinweise, die wiederum einen Verweis auf die Marketingaktivitäten der Beklagten nebst Hinweis auf einen Abmeldelink enthält, erfüllt nicht die An-forderungen an einen klaren, deutlichen Hinweis auf das Widerspruchsrecht bei Erhebung der Adresse. Es reicht nicht, dass die Beklagte in ihrer Daten-schutzerklärung ausführt, dass die Kundendaten für Werbezwecke genutzt werden und sich der Empfänger von der E-Mail-Marketing Kommunikation ab-melden kann, gerade wenn dieser Hinweis ohne textliche Hervorhebung - im Zuge eines 26 Seiten umfassenden Schriftstücks enthalten ist. Im Mindest-fall hätte die Beklagte ein anklickbares bzw. ankreuzbares Kästchen ("Ich widerspreche der Verwendung meiner persönlichen Daten zu Werbezwecken") bereitstellen müssen. Darüber hinaus ist notwendig auf jeden Fall auch die Bennung einer Kontaktanschrift, an die ein zeitlich nach dem Vertragsschluss ausgesprochener Widerspruch zu senden ist (Postadresse, Telefon- oder Telefaxnummer, E-Mail-Adresse). Daran fehlt es jeweils. Für den gesetzlich vorge-schriebenen Hinweis auf das Widerspruchsrecht war es auch nicht ausreichend, dass die Beklagte in jeder E-Mail, also bei Verwendung der klägerischen E-Mail-Adresse, auf die Abmeldung durch anklickbare Links verwiesen hat. Zwar hat die Beklagte dadurch eine problemlose Möglichkeit, um die Nut-zung per E-Mail-Adressen für Werbezwecke abzulehnen, eingerichtet. Es fehlt wiederum an einem konkreten Hinweis auf die Widerspruchsmöglichkeit an sich - betonte die Kammer des LG Paderborn im Urteil vom 12.März 2024 - Az: 2 O 325/23.





Bundesgerichtshof zu den Bankkonten des Erblassers und der Prüfungspflicht des Notars bei dem Streit um den Pflichtteil für das notarielle Nachlass-verzeichnis

24.4.2024

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in dem Beschluss vom 7.März 2024 - Az: I ZB 40/23 erneut in ein und derselben Nachlasssache mit einem Streit um den Pflichtteil zu befassen. Die Erblasserin war im Jahr 2010 verstorben, in ihrem Testament hatte sie ihre Tochter zur Alleinerbin bestimmt. Damit waren zwei Töchter einer weiteren jedoch vorher verstorbenen Tochter der Erblasserin enterbt und pflichtteilsberechtigt. Die Pflichtteilsberechtigten/Töchter erhoben Klage gegen die Alleinerbin auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses, um den Bestand des Nachlasses in Erfahrung zu bringen. Die-sen Anspruch erkannte die Erbin vor Gericht an und legte am 4.Mai 2018 ein vom Notar erstelltes Nachlassverzeichnis vor. Über die Frage, ob das von der Erbin vorgelegte notarielle Nachlassverzeichnis vollständig ist, kam es zu einer Streitigkeit zwischen den Beteiligten. Diese Streitigkeit zog sich über mehrere gerichtliche Instanzen hin. Letztinstanzlich entschied der BGH im Jahr 2020, dass vorliegende notarielle Nachlassverzeichnis keine umfassen-den Angaben über die Geschäftsbeziehung der Erblasserin zu einer österreichischen Bank enthalten habe. Am 18.Juli 2020 legte die Erbin dann ein vom Notar überarbeitetes Nachlassverzeichnis vor, dass genaue Angaben zu einem Konto der Erblasserin bei der Rai…….bank M. im österreichischen Bun-desland K. enthielt. Die beiden Pflichtteilsberechtigten hielten ihren Auskunftsanspruch selbst nach Vorliegen dieses ergänzten Verzeichnisses für nicht erfüllt. Die Pflichtteilsberechtigten unternahmen weitere rechtliche Schritte gegen die Alleinerbin. Ihr Interesse bestand darin, weitere Daten speziell zu Bankverbindungen in Deutschland und Österreich zu erhalten. Schließlich lag die erbrechtliche Streitigkeit wieder dem BGH vor.

In dem Beschluss vom 7.März 2024 - Az: I ZB 40/23 stimmte der BGH der Argumentation der Alleinerbin zu. Das von der Erbin im Jahr 2020 vorgeleg-te überarbeitete Nachlassverzeichnis reiche aus. Den Pflichtteilsberechtigten stehe kein weiterer Auskunftsanspruch gegen die Erbin zu. Folgende Kriterien legte das höchste deutsche Zivilgericht bei seiner Entscheidung zugrunde: Vom Grundsatz her hat der Notar den Nachlass eigenständig zu ermitteln. Welche Ermittlungen er vornimmt, obliegt seiner Entscheidung nach eigenem pflichgemäßem Ermessen. Der Notar ist in der Ausgestaltung seiner Ermitt-lungen zum Nachlassbestand weitgehend frei, er hat jedoch Nachprüfungen vorzunehmen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Pflichtteilsberechtig-ten für notwendig halten würde. Der Notar hat den Erben ggf. aufzufordern, eigene Auskunftsansprüche gegenüber Banken durchzusetzen. Ohne nähere Anhaltspunkte muss der Notar keine Ermittlungen bei allen deutschen Banken anstellen, um weitere Konten der Erblasserin zu finden. Der Notar muss sich auch nicht an das Bundeszentralamt für Steuern wenden (§ 802 l Zivilprozessordnung - ZPO), um dort weitere Auskünfte zu den Konten der Erb-lasserin zu erfragen. Für eine solche Anfrage fehle es an einer rechtlichen Grundlage und eine solche stehe nicht mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Einklang. Angesichts von Mutmaßungen der Pflichtteilsberechtigten muss er keine weiteren Ermittlungen anstellen. Der BGH ging davon aus, dass die Erbin (und der Notar) alles getan hätten, um den Bestand des Nachlasses genauer anzugeben.

Quelle: Gerorg Weißenfels, Bankkonten des Erblassers - Wie tief muss der Notar bei einem Streit um den Pflichtteil für das notarielle Nachlassverzeichnis graben ? www.erbrecht-ratgeber.de


Bundesgerichtshof zu den Voraussetzungen einer Ehegatteninnengesellschaft

22.4.2024

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in dem Beschluss vom 6.März 2024 - Az: XII ZB 159/23 mit den Voraussetzungen einer Ehegatteninnengesell-schaft befasst. Für das Zustandekommen einer solchen Ehegatteninnengesellschaft durch konkludenten Vertragsschluss kommt es maßgeblich darauf an, welche Zielvorstellungen die Ehegatten mit einer Vermögensbildung verfolgen, insbesondere ob sie mit ihrer Tätigkeit eine über die bloße Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft hinausgehenden Zweck erreichen wollen, und ob ihrem Tun die Vorstellung zugrunde liegt, dass das gemeinsam ge-schaffene Vermögen wirtschaftlich gesehen nur den formal Berechtigten, sondern auch dem anderen Ehegatten zustehen soll.

Der Antragsteller macht als mit der Nachtragsverteilung beauftragter frühere Insolvenzverwalter einen Anspruch des geschiedenen Ehemanns der Antrags-gegnerin (Schuldner) auf Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens nach Auflösung einer etwaigen Ehegatteninnengesellschaft gegen die Antrags-gegnerin geltend. Die Antragsgegnerin und der Schuldner waren verheiratet und lebten im Güterstand der Gütertrennung. Bei Eingehung der Ehe war der Schuldner alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der T. K. E. GmbH. Kurz bevor er im Jahr 2012 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen sowie einige Monate später über sein eigenes Vermögen stellte, gründete die Antragsgegnerin als Alleingesellschafterin die T. K. A. GmbH und übernahm deren Geschäftsführung. Der Schuldner war bei dieser Gesellschaft ab dem 3.September 2012 zu einem Bruttolohn von monatlich 1 950 Euro zzgl. Spesen als Verkaufsleiter angestellt. Sein Lohn wurde für die Zeit ab Juni 2014 auf monatlich 2 500 Euro brutto erhöht. Die Gewinne der Gesellschaft wurden ebenso wie das Gehalt der Antragsgegnerin und der Lohn des Schuldners auf ein Girokonto der Antragsgegnerin gezahlt, für das der Schuldner bis Dezember 2018 eine Kontrollvollmacht hatte. Im Dezember 2018 kam es zur Trennung der Ehegatten. Wenig später wurde der monat-liche Bruttolohn des Schuldners mit Wirkung ab Februar 2019 auf 7 300 Euro erhöht. Auch im Februar 2019 wurde dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt. Im September 2019 erklärte die Antragsgegnerin die fristlose Kündigung des Anstellungsverhältnisses des Schuldners. Das über das Vermögen des Schuldners geführte Insolvenzverfahren wurde im Oktober 2019 aufgehoben. Im Dezember 2019 veräußerte die Antragsgegnerin die T. K. A. GmbH. Sie blieb dort aber weiterhin als Geschäftsführerin angestellt. Mit Blick auf einen möglichen Auseinandersetzungsanspruch des Schuldners nach Auflösung einer zwischen den Ehegatten zustandegekommenen Ehegatteninnengesellschaft mit dem Zweck des gemeinsamen Betriebs der T. K. A. GmbH ordnete das Insolvenzgericht die Nachtragsverteilung an und beauftragte den Antragsteller mit deren Durchführung. Dieser machte ausgehend von einem hälftigen Auseinandersetzungsanspruch des Schuldners einen Teilanspruch in Höhe der Hälfte des Eigenkapitals der GmbH von rd. 830 000 Euro gegen die Antragsgegnerin geltend. Das Amtsgericht (AG) wies den Antrag ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hatte vor dem OLG genauso wenig Erfolg wie die vorliegende Rechtsbeschwerde vor dem BGH. Das OLG hat eine Ehegatteninnengesellschaft zwischen der Antragsgegnerin und dem Schuldner mit rechtsfehlerfreier Begründung verneint - so der BGH. Nach der höchstrichterlicher Rechtsprechung kann ein Ausgleich nach den §§ 730 ff. BGB infrage kommen, wenn Ehegatten ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten einen Gesellschaftsvertrag geschlossen haben. Für das Zustande-kommen einer solchen Ehegatteninnengesellschaft durch konkludenten Vertragsschluss kommt es dabei maßgeblich darauf an, welche Zielvorstellungen die Ehegatten mit einer Vermögensbildung verfolgen, insbesondere ob sie mit ihrer Tätigkeit eine über die bloße Verwirklichung der ehelichen Lebensge-meinschaft hinausgehenden Zweck erreichen wollen, und ob ihrem Tun die Vorstellung zugrunde liegt, dass das gemeinsam geschaffene Vermögen wirtschaftlich gesehen nicht nur dem formal Berechtigten, sondern auch dem anderen Ehegatten zustehen soll. Indizien können sich etwa aus der Pla-nung, dem Umfang und der Dauer der Vermögensbildung sowie aus Absprachen über die Verwendung und Wiederanlage erzielter Erträge ergeben. Wird durch die Mitwirkung bei den Ehegatten in dem von einem Ehegatten betriebenen Unternehmen Vermögen gebildet, kann für das Zustandekommen einer Ehegatteninnengesellschaft insbesondere sprechen, dass die Ehegatten das Unternehmen gemeinsam aufbauen wollten, sie mithin nicht nur in dem von einem der Ehegatten in die Ehe eingebrachten laufenden Unternehmen zusammengewirkt haben. Auch die Übernahme wichtiger Funktionen in dem Unternehmen durch den dinglich nicht berechtigten Ehegatten und ein erheblicher Einsatz von Finanzmitteln oder der eigenen Arbeitskraft durch diesen können auf dem stillschweigenden Zusammenschluss der Ehegatten zu einer Innengesellschaft hindeuten. Das Erfordernis der gleichgeordneten Mitarbeit darf jedoch nicht überbetont werden. Die Annahme einer durch schlüssiges Verhalten zustande gekommenen Ehegatteninnengesellschaft darf auch nicht zu den von den Ehegatten ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen im Widerspruch stehen. Ausdrückliche Abreden gehen einem nur konkludent zum Ausdruck gekommenen Willen vor. Die bloße Vereinbarung von Gütertrennung spricht wieder nicht ohne Weiteres gegen das Zustandekommen einer Ehe-gatteninnengesellschaft. Hat ein Ehegatte im Unternehmen des anderen auf der Grundlage einer ausdrücklich getroffenen Vereinbarung, etwa einem Arbeitsvertrag, mitgearbeitet, richten sich dessen Ansprüche vom Grundsatz her nach den vertraglichen Bestimmungen. Voraussetzung ist insofern indes, dass der Tätigkeit des nicht am Unternehmen berechtigten Ehegatten ein wirksam begründetes Arbeitsverhältnis zugrunde liegt, der Arbeitsvertrag mithin nicht nur zum Schein (§ 117 BGB) geschlossen wurde. Gegen eine auf Gründung einer Ehegatteninnengesellschaft gerichteten Rechtsbindungswillen der Ehegatten kann überdies sprechen, dass die dingliche Zuordnung des Geschäftsvermögens zu nur einem der Ehegatten dem Zweck diente, gemeinsam aufgebautes oder zu schaffendes Vermögen den Gläubigern des anderen Ehegatten vorzuenthalten. Danach hat das OLG vorliegend das Zustandekommen einer Ehegatteninnengesellschaft durch schlüssiges Verhalten der Ehegatten und einem mit Auflösung einer solchen Gesellschaft durch schlüssiges Ver-halten der Ehegatten und mit einem mit Auflösung einer solchen Gesellschaft entstandenen, in die Insolvenzmasse fallenden Zahlungsanspruch des Schuldners rechtfehlerfrei verneint. Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Ehegatten bewusst die Eingehung einer gesellschaftsrechtlichen Bezie-hung sowie die damit verbundene Teilhabe des Schuldners an dem zu erwirtschaftenden Vermögen vermieden und eine andere rechtliche Gestaltung un-ter Mitwirkung des Schuldners im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses gewählt haben. Zutreffend hat es dabei ausschließlich auf die von der Antragsgeg-nerin und den Schuldner ausdrücklich gewählte Rechtsgestaltung abgestellt, weil diese keinen Raum für eine daneben begründete Ehegatteninnenge-sellschaft lässt. Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde außerdem, das OLG habe unbeachtet gelassen, dass die Antragsgegnerin und der Schuldner im Güterstand der Gütertrennung lebten. Vielmehr hat es schon nicht angenommen, dass der Schuldner nach der Vorstellung beider Ehegatten im Schei-dungsfall an dem in der GmbH verkörperten Vermögenszuwachs teilhaben sollte, sondern zugrunde gelegt, diese hätten bewusst auf eine solche Teilhabe verzichtet, um das gemeinsam geschaffene Vermögen einem Zugriff der Insolvenzgläubiger zu entziehen. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.


Finanzgericht über Stromsteuerbefreiung bei räumlich voneinander entfernten Erzeugungsanlagen

22.4.2024

Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf hat im Urteil vom 21.Februar 2024 - Az: 4 K 1324/22 USt ausgeführt, dass im Stromsteuerrecht von einem funk-tionsbezogenen Anlagenbegriff auszugehen ist. Es ist nicht allein auf den Standort der Anlage abzustellen.

Vor dem FG Düsseldorf ging es um eine Klägerin, die Reste einsammelte und entsorgte. Die nach der Zerkleinerung der Reste entstehende Biomasse wur-de danach zu Biogasanlagen geschickt, die von der Klägerin an unterschiedlichen Standorten betrieben wurden. Mittels der Vergärung gewann die Kläge-rin Biogas, das sie zur Stromerzeugung verwendete. Die Klägerin entnahm 2018 und 2019 den von ihr erzeugten Strom an dem jeweiligen Standort ih-rer Anlagen zum Selbstverbrauch. Sie leitete den Strom weiterhin an Letztverbraucher, die den Strom auf dem Betriebsgelände der jeweiligen Anlage den dort von ihr unterhaltenem Netz entnahmen. Überschüssiger Strom wurde außerdem im Wege der Direktvermarktung in das allgemeine Versorgungsnetz eingespeist. Beim Hauptzollamt meldet die Klägerin jeweils in Folgejahr die Strommengen an, die sie ihrer Ansicht nach steuerfrei entnommen und gelie-fert hatte. Das Hauptzollamt setzt für 2018 und 2019 entsprechende Stromsteuer fest. Das FG Düsseldorf hat im Urteil vom 21.Februar 2024 - Az: 4 K 1324/22 USt die Festsetzung dieser Steuer nur zum Teil bestätigt. Hinsichtlich des im zweiten Kalenderjahr 2019 mit den drei Anlagen erzeugten und entnommenen Stroms greife die Steuerbefreiung nach § 9 Abs.1 Nr.1 Stromsteuergesetz neuer Fassung (StromStG n. F.). Die Revision gegen dieses Ur-teil des Finanzgerichts Düsseldorf ist schon beim Bundesfinanzhof unter Az: VIII R 5/24 anhängig.

Quelle: Haufe Online Redaktion, Stromsteuerbefreiung bei räumlich voneinander Erzeugungsanlagen, www.haufe.de NEWS 15.04.2024


Bundesarbeitsgericht über Mitbestimmung bei Einstellung - Betriebsräte haben digitale Bewerbungsunterlagen zu akzeptieren

23.4.2024

Die Arbeitgeberin kann den Betriebsrat über eine geplante Einstellung auch unterrichten, in dem sie den Betriebsräten Einsicht in ein digitales Bewer-bungsmanagement-Tool gibt. Papierunterlagen - so das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Beschluss vom 13.Dezember 2023 - Az: 1 ABR 28/22 - erfordert eine ordnungsgemäße Unterrichtung nicht.

Die Arbeitgeberin, ein Unternehmen der Getränkeindustrie, hatte dem Bewerbungsprozess um eine ausgeschriebene Stelle digital unter Einsatz eines Re-cruiting-Softwareprogramms digital durchgeführt. In dem internen und externen Bewerbungsportal, über das auswärtige Kandidatinnen/Kandidaten sich zu bewerben hatten, waren sämtliche Bewerbungsunterlagen hinterlegt. Die über Dienst-Laptops verfügenden Betriebsratsmitglieder hatten für die Dauer des Zustimmungsverfahrens Zugriff auf dieses System und dort auf die persönlichen Angaben der Bewerberinnen/Bewerber, ihre Anschreiben, Lebens-läufe, Zeugnisse und Zertifikate. Trotzdem verweigerte der Betriebsrat die Zustimmung zur geplanten Einstellung eines neuen Mitarbeiters - auch nach den ihnen das Protokoll des Vorstellungsgesprächs und die Stellenbeschreibung des neuen Arbeitsplatzes nachgereicht worden waren. Das veranlasste das Unternehmen dazu, die Zustimmung der Arbeitnehmervertretung vom Gericht ersetzen zu lassen. Wie das Arbeitsgericht Halle und das Landesar-beitsgericht Sachsen-Anhalt gab auch das BAG dem Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin - laut Beschluss vom 13.Dezember 2023 - Az: 1 ABR 28/22 - statt. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß nach § 99 Abs.1 S.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) in Kenntnis gesetzt worden, die Zu-stimmung sei daher zu ersetzen. Die Arbeitgeberin war nicht gehalten, dem Betriebsrat die “Bewerbungsunterlagen” der Interessenten in Papierform zu-kommen zu lassen. Das ergäbe die Auslegung wie auch Sinn und Zweck der Regelung. “Der durch den Wortlaut der Vorschrift vermittelte Wortsinn lässt (…) erkennen, dass dem Arbeitgeber dem Betriebsrat digital verfügbare ”Bewerbungsunterlagen" auch nur in dieser Form zur Verfügung stellen muss" - bemerkte der BAG-Senat. Bei einem funktionalen Verständnis und solchen “Unterlagen” allen Interessenbekundungen und Daten, die der Arbeitgeber dafür von den Bewerberinnen/Bewerbern erhalten habe. In welchem Format das geschieht, sei unerheblich. Der Betriebsrat habe die Information zu er-halten, um sein Recht zur Stellungnahme sachbezogen ausüben zu können. Dieser Unterrichtungs- und Vorlagepflicht nach § 99 Abs.1 S.1 BetrVG habe die Arbeitgeberin nach Meinung des BAG-Senats im vorliegenden Fall entsprochen. Die Arbeitgeberin habe den Betriebsratsmitgliedern für die Dauer des Zustimmungsverfahrens ein digitales Einsichts- und Leserecht der “Bewerbungsunterlagen” gewährt. Dies hätte ihnen jederzeit die Möglichkeit gegeben, sich mit den Personalien aller Bewerber zu beschäftigen und diese zu prüfen. Dadurch befänden sie sich auf der gleichen Informationsebene wie die Ar-beitgeberin.

Quelle: Redaktion beck-aktuell, ns, Mitbestimmung bei Einstellung - Betriebsräte müssen auch digitale Unterlagen akzeptieren, rsw.beck.de 15.April 2024


Oberlandesgericht zu unwirksamer Klausel im Verbrauchsgüterkaufverträgen über Reisemobile

25.4.2024

Das Ergebnis, dass eine Klausel bei einer bestimmten, hier nicht gegebenen Vertragsgestaltung zulässig sein kann, führt nicht dazu, dass die Unterlas-sungsklage abzuweisen wäre. Dies würde dem Rechtsschutzgedanken gegen eine unzulässige Klauselverwendung unterlaufen - äußerte das Oberlan-desgericht (OLG) Stuttgart im Urteil vom 11.April 2024 - Az: 2 U 196/22.  

Der Beklagte verkauft Reisemobile und verwendet folgende Klausel in seinen Verträgen: “Liefertermine und Lieferfristen, die verbindlich oder unverbind-lich vereinbart werden können, sind schriftlich anzugeben.” Bei dem Kläger handelt es sich um einen eingetragenen Verein, dieser vertrat die Auffassung, die Klausel verstoße gegen § 307 Abs.1, Abs.2 Nr.1 BGB, weil nach dem Wortlaut der Klausel auch nach Vertragsschluss getroffene mündliche Abreden über Liefertermine und Lieferfristen für unwirksam erklärt würden. Damit werde der Vorrang der Individualabreden (§ 305 lit b.BGB) unterlaufen. Das Landgericht (LG) hielt die Klage für unbegründet. Der Bundesgerichtshof (BGH) habe eine entsprechende Klausel für wirksam erachtet. In dem dort ent-schiedenen Sachverhalt sei auf der Vorderseite des Bestellscheins unmittelbar unter der Unterschrift des Bestellers eine Spalte vorgesehen gewesen, in der die Lieferzeit bzw. Liefertermine einzutragen gewesen seien. In zwei dafür vorgemerkten Feldern sei zudem anzukreuzen gewesen, ob die Frist unverbind-lich oder verbindlich sein solle. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG Stuttgart die Entscheidung der Vorinstanz abgeändert und der Beklagten unter-sagt, gegenüber Verbrauchern nach § 13 BGB die hier maßgebliche oder eine inhaltsgleiche Klausel in ihren AGB in Verbindung mit Verbrauchsgüterkauf-verträgen über neue Wohnwagen und Wohnmobile zu verwenden oder sich auf die Klausel zu beziehen. Der Kläger kann gem. § 1 i. V. m. § 3 As.1 S.1 Unterlassungsklagegesetz (UKlaG) fordern, dass der Beklagte es unterlässt, die beanstandete Klausel zu verwenden oder sich auf diese zu berufen. Wer in AGB Bestimmungen, die nach den §§ 307 bis 309 BGB unwirksam sind, nutzt, kann gem. § 1 UKlaG auf Unterlassung in Anspruch genommen werden - hob der OLG-Senat im Urteil vom 11.April 2024 - Az: 2 U 196/22 hervor. Bestimmungen in AGB sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzuneh-men, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Schrift-formklausel sind jedoch schlechthin unzulässig. Für eine der vorliegenden Fallgestaltung entsprechende Klausel hat der BGH angenommen, dass diese zumindest die Möglichkeit nahelegt, ein Käufer werde mit seinem Vorbringen, ihm sei mündlich eine Lieferzeitpunkt versprochen worden, vom Verwenden der Klausel unter Verweisung auf diese Klausel zurückgewiesen, was für sich genommen eine Unterlassungsklage rechtfertigen würde (Verweis auf BGH Urteil vom 7.Oktober 1981 - Az: VIII  ZR 229/80). Dies überzeugt auch im vorliegenden Fall. Sofern der BGH früher die Klausel für wirksam ansieht, lag dies an einer besonderen Vertragsgestaltung, die sich jedoch von der vorliegenden unterscheidet. Entgegen der Position des LG führt das Ergebnis, dass eine Klausel bei einer vorliegend nicht gegebenen Vertragsgestaltung zulässig sei nicht dazu, dass die Unterlassungsklage abzuweisen wäre. Dies würde die Rechtschutzmöglichkeit eines Verbands gegen eine unzulässige Klauselverwendung unterlaufen. Gegenstand des Verfahrens und dort der Untersagung sind vielmehr ausschließlich die von der Beklagten verwendeten Bestimmungen im Kontext ihres Vertragswerks. Aus diesem Grund ist weder geboten noch zulässig, in die Entscheidungsformel aufzunehmen, unter welchen besonderen, hier nicht gegebenen Umständen die Klausel zulässig wäre (u. a. BGH Urteil v. 7.Juni 1982 - Az: VIII ZR 139/81 u. a.).


Oberverwaltungsgericht: Errichtung kleinerer Windenergieanlagen für Eigenbedarf im Außenbereich privilegiert

25.4.2024

Die Errichtung kleinerer Windenergieanlagen im eigenen Außenbereich ist ein baurechtlich privilegiertes Vorhaben der Nutzung der Windenergie, auch wenn es nicht mittels Netzeinspeisung des erzeugten Stroms der öffentlichen Energieversorgung, sondern der Deckung des privaten Verbrauchs dient - machte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Koblenz im Urteil vom 4.April 2024 - Az: 1 A 10247/23 OVG deutlich.

Die Kläger beantragten, ihnen einen Bauvorbescheid zur Errichtung von einer Kleinwindenergieanlage (Gesamthöhe 6,5 Meter) auf ihrem Grundstück im Außenbereich auszustellen. Der Landkreis A. lehnte dies ab. Die Anlage sei nicht als im Außenbereich privilegiertes Vorhaben der Nutzung der Windener-gie anzusehen, weil die Privilegierung auf solchen Windenergieanlagen zu beschränken sei, die der öffentlichen Versorgung dienten. Außerdem stünden öffentliche Belange dem Vorhaben entgegen. Die Kläger wandten sich dagegen. Das Verwaltungsgericht (VG) verpflichtete den beklagten Landkreis zur Errichtung des beantragten Bauvorhabens. Die dagegen eingelegte Berufung des Landkreises wies das OVG Koblenz zurück. Das VG habe den Beklagten zu Recht zur Erteilung des beantragten Bauvorbescheids verpflichtet. Bei der Errichtung und dem Betrieb der vier Kleinwindenergieanlagen handele es sich um eine der Nutzung der Windenergie dienendes privilegiertes Vorhaben i. S. d. § 35 Abs.1 Baugesetzbuch (BauGB), das im Außenbereich zuge-lassen werden könne. Entgegen der Ansicht des Beklagten ließe sich aus der Entstehungsgesichte der Regelung keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 35 Abs.1 Nr.5 BauGB herleiten, wonach das Vorhaben nicht nur der Nutzung der Windenergie, sondern - mittels Netzeinspeisung des erzeugten Stroms - auch der öffentlichen Energieversorgung dienen müsse. Gegen ein solches ungeschriebenes Erfordernis sprächen auch Sinn und Zweck der Norm. Diese dienen letztendlich einer umweltschonenden Energieversorgung über eine verstärkte Nutzung erneuer-barer Energien, wozu Windnergieanlagen auch dann beitragen, wenn sie allein zur Deckung eines privaten Verbrauchs errichtet würden. Die überragende Bedeutung dieses Ziels habe der Gesetzgeber mehrfach in seiner Normsetzung herausgestellt. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus einem früheren Urteil dieses Gerichts aus dem Jahr 2018, an dem der hier erkennende Senat in Bezug auf den geförderten öffentlichen Versorgungszweck in einer neu-eren Entscheidung aus dem Jahr 2023 ersichtlich nicht mehr festhielt. Nicht nachvollziehbar sei die vom Beklagten ferner geltend gemachte Befürchtung, dass bei einer Privilegierung von allein der privaten Versorgung dienenden Kleinwindenergieanlagen im Außenbereich komme unter wirtschaftlichen Ge-sichtspunkten nur dann infrage, falls der erzeugte Strom durch einen dort in der Nähe der Anlage vorhandenen Verbraucher abgenommen oder ins Strom-netz eingespeist werde. Dies sei in der Regel nicht der Fall, da ein Endabnehmer vor Ort im Außenbereich nur ausnahmsweise vorhanden sei und der Bau einer Leitung allein zum Zweck der Einspeisung des mit der Kleinanlage erzeugten Stroms in ein öffentliches Netz unter Rentabilitätsgesichtspunkten ausschied. Dem privilegierten Vorhaben stünden auch keine öffentlichen Belange entgegen - so das OVG.


Finanzgericht zu entgeltlichem Verzicht auf Nießbrauchsrecht

27.4.2024

Das Finanzgericht (FG) Münster hat mit Urteil vom 12.Dezember 2023 - Az: 6 K 2489/22 E dargelegt, dass der entgeltliche Verzicht auf ein Nieß-brauchsrecht keine Veräußerung i. S. d. § 23 Einkommensteuergesetz (EStG) ist. In seiner Entscheidung hat der FG-Senat erklärt, dass ein unentgeltlich eingeräumtes Nießbrauchsrecht ein Wirtschaftsgut i. S. d. § 23 Abs.1 S.1 Nr.2 EStG ist, dass einlage- und entnahmefähig ist. Der entgeltliche Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht stelle keine Veräußerung, sondern einen veräußerungsähnlichen Vorgang dar, der nicht unter § 23 EStG fällt.

Im vorliegenden Fall war zu prüfen, ob die entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchsrechts zu Einkünften i. S. v. § 23 EStG führt. Das Finanzamt hat den Gewinn aus dem entgeltlichen Verzicht der Klägerin auf das Nießbrauchsrecht als Gewinn nach § 23 Abs.1 S.1 Nr.2 EStG angesehen, da der Verzicht in-nerhalb der 10-jährigen Veräußerung geschehen ist. Dagegen argumentierte die Klägerin, dass weder ein Anschaffungsvorgang noch ein Veräußerungs-vorgang i. S. d. § 23 EStG gegeben ist. Es habe ein nicht steuerbarer Vermögensaustausch stattgefunden, sodass keine Einkünfte aus § 23 EStG erzielt worden seien. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren trägt die Klägerin weiterhin vor, dass auf die Annahme des Vermächtnisses im Jahr 2008 abzu-stellen sei, sodass der Anwendungsbereich des § 23 Abs.1 S.1 Nr. 2 S.4 EStG nicht eröffnet sei. Vor dem FG ist die Klägerin erfolgreich. Der FG-Senat erklärt, dass das Nießbrauchsrecht durch den entgeltlichen Verzicht im Jahr 2019 nicht i. S. des § 23 Abs.1 S.1 Nr.2 EStG veräußert wurde. Der Verzicht auf das Wirtschaftsgut “Nießbrauchsrecht” sei keine Veräußerung, sondern ein veräußerungsähnlicher Vorgang, da der für die Annahme einer Veräußerung notwendige Rechtsträgerwechsel nicht stattgefunden habe. Derartige veräußerungsähnliche Vorgänge würden von § 23 EStG nicht erfasst. In der zu § 22 Nr.3 EStG vorhandenen Rechsprechung unterscheidet der Bundesfinanzhof (BFH) zwischen Veräußerungsvorgängen und veräußerungsähnlichen Vorgän-gen im Privatbereich. Nur in Verbindung mit Veräußerungsvorgängen finde § 23 EStG Erwähnung. Bezüglich veräußerungsähnlicher Vorgänge im Privat-bereich bleibe § 23 EStG ausdrücklich unerwähnt. Eine über den Wortlaut hinausgehende erweiterte Auslegung des § 23 EStG sei nicht geboten, sodass § 23 EStG auf den veräußerungsähnlichen Vorgang des Verzichts auf einen Nießbrauch nicht anzuwenden sei. Das Finanzgericht Münster hat gegen das Urteil vom 12.Dezember 2023 - Az: 6 K 2489/22 E die Revision zugelassen (beim Bundesfinanzhof unter Az: IX R 4/24 anhängig).

Quelle: Georg Schmitt, Entgeltlicher Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht, www.haufe.de KOMMENTIERUNG 20.03.2024

 


Amtsgericht: Kein Ausgleichsanspruch bei Flugverspätung aufgrund mehrstündigen Ausfalls des SITA-Systems

19.4.2024

Kommt es zu einer Flugverspätung wegen des mehrstündigen Ausfalls des SITA-Systems, so kann sich die Fluggesellschaft auf einen außergewöhnlichen Umstand i. S. v. Art.5 Abs.3 Fluggastrechteverordnung (VO) berufen. Hat die Airline auch alle erforderlichen Maßnahmen getroffen, um die Verspätung zu vermeiden, ist ein Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs.1 VO abzulehnen, erklärte das Amtsgericht (AG) Erding im Urteil vom 3.Mai 2023 - Az: 116 C 1839/22 aus.

Zwei Fluggäste erreichten hier im April 2022 ihren Ankunftsort im amerikanischen F. L. mit einer über dreistündigen Verspätung. Die Passagiere hatten ei nen Flug von der bayerische Landeshauptstadt M. über Ch. (USA) nach F. L. gebucht. Grund für die Verspätung war der Ausfall des SITA-Netzwerks in M. und dem sich daraus ergebenden verspäteten Abflug nach Ch. Bedingt durch diese Verspätung konnten die Passagiere den Anschlussflug nach F. L. nicht erreichen. Die Parteien streiten darüber, ob die Airline zur Ausgleichszahlung verpflichtet ist. Das Amtsgericht Erding entschied im Urteil vom 3.Mai 2023 - Az: 116 C 1839/22, dass die Fluggesellschaft nicht zur Zahlung einer Ausgleichsleistung nach Art.7 Abs.1 VO verpflichtet sei. Schließlich konnte sich die Airline auf einen außergewöhnlichen Umstand i. S. v. Art.5 Abs.3 VO beziehen. Weiter habe die Fluggesellschaft alle zumutbaren Versuche unternom-men, um die Verspätung zu verhindern. Der mehrstündige Ausfall des SITA-Systems, von dem alle Luftverkehrsunternehmen, die in M. ihre Flüge abferti-gen, betroffen waren, der einen größeren Aufwand bei der dadurch notwendigen manuellen Abfertigung der Fluggäste zur Konsequenz hatten und damit den planmäßigem Start eines Flugs verhinderten, stellt nach Meinung des AG einen außergewöhnlichen Umstand dar. Es haben einen extremen Grund gegeben, der für die Airline nicht beherrschbar war. Der Defekt sei nicht in dem unternehmenseigenen Datensystem vorgekommen, sondern an der Schnittstelle zur Übermittlung dieser Daten an den Flughafenbetrieb. Hier endet der Verantwortungsbereich der Gesellschaft.


Bundesgerichtshof über Sondereigentum am Stellplatz im Parkpalettensystem

20.4.2024

Weder der einzelne Stellplatz innerhalb einer Doppelstockgarage ("Duplexparker") noch der einzelne Stellplatz auf einem Parkpalettensystem ("Paletten-parker") ist nach § 3 Abs.2 S.2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) alter Fassung (a. F.) sondereigentumsfähig. Entsprechend der Neuregelung für Stell-plätze in § 3 Abs.1 S.2 WEG kann auch an den einzelnen Stellplätzen in Doppelstockgaragen Sondereigentum begründet werden. Stellplätze auf Parkpa-letten sind jedenfalls dann sondereigentumsfähig, wenn ein bestimmter Palettenstellplatz zum allgemeinen Gebrauch fest zugewiesen wird. Bundesge-richtshof Beschluss vom 7.März 2024 - Az: V ZB 46/23

Die Beteiligten sind Mitglieder einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) und in den Grundbuchblättern als Sondereigentümer eingetragen. Zu der Wohnanlage zählt eine Tiefgarage. Wegen des Gegenstands und des Inhalts des Sondereigentums wird im Grundbuch auf die Eintragungsbewilli-gung vom 6.Juni 1996 Bezug genommen, die Bestandteil der Teilungserklärung mit gleichen Datum ist. Auf den Blättern 12833 N bis 12850 N ist Son-dereigentum an 18 Tiefgaragenstellplätzen mit den Nummern 89 bis 106 gebucht. Wörtlich heißt es etwa zu der Einheit mit der Nummer 89 “verbunden mit dem Sondereigentum an dem Kfz-Einstellplatz Nr. 89, gelegen in der Tiefgarage.” Entsprechende Eintragungen finden sich auch für die Stellplätze mit den Nummern 90 bis 106. Die Stellplätze sind ausweislich des in der Teilungserklärung in Bezug genommenen Aufteilungsplans auf eine auf Laufschie-ne gelagerten horizontal verschiebbaren Palettensystem eingerichtet, um die Zufahrt zu den darunter liegenden Stellplätzen zu ermöglichen. In dem Auf-teilungsplan ist ein Rechteck mit den jeweiligen Nummern 89 bis 106 eingezeichnet und in der Mitte des Plans zusätzlich vermerkt: “52 Stellplätze, da-von 18 Palettenparker (Fa. z. B. W. Parkplatte P 501)” und an anderer Stelle:"Parkplatte 2,14 x 5,00". Die Beteiligten sind der Meinung, dass die - sa-nierungsbedürftigen - Palettenstellplätze abweichend von der Regelung in der Teilungserklärung niemals sondereigentumsfähig gewesen seien und dass deshalb die Miteigentumsanteile, die nach der Teilungserklärung mit dem Sondereigentum an den Palettenstellplätzen verbunden sein sollen, tatsächlich nur “isolierte Miteigentumsanteile” seien. Vor diesem Hintergrund vereinbarten sie durch notarielle Urkunde vom 19.Dezember 2019 “klarstellend” einen entsprechenden Nachtrag zur Teilungserklärung und erklärten die Vereinbarungen der “isolierten Miteigentumsanteile” mit dem jeweiligen Wohnungsei-gentum des für den jeweiligen Stellplatz eingetragenen Teileigentums. Zusätzlich sollen an den tatsächlich im Gemeinschaftseigentum stehenden Flächen wegen einer Neuordnung der Stellplätze neues Sondernutzungsrecht begründet werden. Unter dem 12.Januar 2021 beantragten sie, die Erklärungen bzw. Vereinbarungen aus der Urkunde vom 19.Dezember 2019 in das Grundbuch einzutragen. Das Grundbuchamt wies den Eintragungsantrag zurück. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten hatte vor dem Kammergericht (KG) keinen Erfolg. Auf die Rechtsmittel der Beteiligten hob der BGH die Beschlüsse von KG und AG auf und wies das AG an, die beantragte Eintragung nicht aus den Gründen der o. g. Beschlüsse zu verweigern. Entgegen der Meinung des KG ist an den Stellplätzen kein Sondereigentum begründet worden. Dies hat unabhängig davon Geltung, ob nach dem Inhalt des Grund-buchs Sondereigentum an Stellplatzflächen auf dem Boden der Tiefgarage oder an Stellplatzflächen auf der Palette begründet werden sollte. Anwendbar ist noch das bisherige Recht, weil es sich bei der Frage, ob in Zusammenhang mit der Teilung des Grundstücks (1996) an den Stellplätzen mit den Num-mern 86 bis 106 Sondereigentum begründet worden ist, um die Beurteilung eines abgeschlossenen Sachverhalts handelt. Das am 1.Dezember 2020 in Kraft getretene Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz sieht nicht vor, dass die Neuregelungen zur Sondereigentumsfähigkeit von Stellplätzen (§ 3 Abs.1 S.2, Abs.3 WEG) auch rückwirkend bei der Beurteilung von in der Vergangenheit liegenden Vorgängen heranzuziehen sind. Dass der Eintragungs-antrag der Beteiligten nach dem 1.Dezember 2020 gestellt worden ist, ändert an der Maßgeblichkeit des bisherigen Rechts nichts, weil er an die Teilung des Grundstücks im Jahr 1996 anknüpft. Die Sondereigentumsfähigkeit der einzelnen Stellplätze bei sog. Mehrfachparkern, wozu “Palettenparker” auch zählen wie “Duplexparker”, bei denen mittels einer Hebebühne zwei Fahrzeuge übereinander abgestellt werden können, wird nicht einheitlich beurteilt. Der BGH hat bislang nur entschieden, dass eine Doppelstockgarage einen Raum i. S. v. § 3 Abs.1 bzw. Abs.2 WEG a. F. bildet und als Ganze im Teilei-gentum stehen kann. Offen gelassen hat der BGH, ob auch der einzelne Stellplatz innerhalb der Doppelstockgarage sondereigentumsfähig ist. Das höchs-te deutsche Zivilgericht hat die Frage nunmehr dahingehend geklärt, dass weder der einzelne Stellplatz innerhalb einer Doppelstockgarage ("Duplexpar-ker") noch der einzelne Stellplatz auf einem Parkplattensystem ("Parkpalettenparker") - wie hier - nach § 3 Abs.2 S.2 WEG a. F. sondereigentumsfähig ist. Die bisherige Rechtslage ist allerdings durch das - hier aber noch nicht anwendbare - Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz grundlegend umgestal-tet worden. Gem. § 3 Abs.1 S.2 WEG gelten Stellplätze nunmehr als Räume. Nach dem Willen des Gesetzgebers kann auch an den einzelnen Stellplät-zen in Doppelstockgaragen Sondereigentum begründet werden. Stellplätze auf Parkpaletten sind jedenfalls dann sondereigentumsfähig, wenn - wie vorlie-gend - ein bestimmter Palettenstellplatz zum alleinigen Gebrauch fest zugewiesen wird. Die Gegenmeinung, die die Sondereigentumsfähigkeit von Stell-plätzen auf horizontal verschiebbaren Parkpaletten mit der Begründung verneint, dadurch würden "unzulässiges Immobilieneigentum” entstehen, über-zeugt nicht. § 3 Abs.1 sowie § 5 Abs.1 u. 2 WEG gestatten abweichend von den §§ 93, 94 BGB die Begründung von Sondereigentum an wesentlichen Gebäudebestandteilen, dass eine bewegliche Anlage wie ein Doppel- oder Palettenparkerstellplatz sogar eine eigene Sondereigentumseinheit bilden kann, beruht allein darauf, dass der Gesetzgeber insoweit die Raumeigenschaft nunmehr fingiert. Wie es sich bei einer automatischen Parkvorrichtung verhält, die mehrere Nutzern zugänglich ist und Stellplätze nach Verfügbarkeit vergibt, bedarf keiner Entscheidung - so der BGH.

 

Landgericht: Umstrittene Praxis einer Fitnessstudiokette bezüglich Preiserhöhungen unrechtmäßig

22.4.2024

Das Landgericht Bamberg hat mit Urteil vom 15.März 2024 - Az: 13 O 730/22 die Praxis der Preiserhöhungen durch den Betreiber der Fitnessstudio-kette McF. für unrechtmäßig erklärt. McF. hat dadurch die Entscheidungsfreiheit der Verbraucherinnen/der Verbraucher unzulässig beeinflusst. Die Kette hatte im April 2022 die Beiträge erhöht und die Kundschaft nur kurzfristig darüber informiert. Demgegenüber müssen Kundinnen/Kunden Preisanhe- bungen ausdrücklich zustimmen, bei Widerspruch steht ihnen ein Sonderkündigungsrecht zu. McF. hatte Schilder zu den Preiserhöhungen im Eingangs-bereich angebracht und die Zustimmung beim Passieren des Drehkreuzes am Studiozugang als erteilt angesehen. Auf den Schildern war ebenso aufge-führt, dass sich die Kundschaft im Widerspruchsfall bei Mitarbeitenden des Studios am Schalter melden sollten. Die Kammer des LG sah dies als agres-sive Geschäftspraxis an. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Quelle: AFP/FAZ, Niederlage für McFit, Frankfurter Allgemeine Zeitung 22.April 2024, S.20