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Bundesgerichtshof zur Bestellung des Vorstands einer AG zum Geschäftsführer der Tochter-GmbH

25.3.2023

Bestellt sich der Vorstand einer Aktiengesellschaft (AG) selbst zum Geschäfts-führer der Tochtergesellschaft, deren alleinige Gesellschafterin die AG ist, ist er zur Verhinderung von Interessenkonflikten in seiner Vertretungsmacht be-schränkt. Die Zwischenschaltung eines Bevollmächtigten ändert daran – laut Bundesgerichtshof (BGH) im Beschluss vom 17.Januar 2023 – Az: II ZB 6/22 – nichts. Die Genehmigung  des Geschäfts sei nicht durch den Aufsichtsrat zu erteilen.

Zwei von drei Vorstandsmitgliedern (E und T) einer AG bestellten einen Be-vollmächtigten (O), der eine Tochtergesellschaft gründen sollte. O errichtete eine GmbH, die Antragstellerin, und bestellte alle drei Vorstände zu Geschäfts-führern. Das Amtsgericht (AG) Offenbach am Main (Registergericht) lehnte die Anmeldung im Handelsregister zunächst ab, weil ein Eintragungshindernis vorliegt. Bezüglich des Geschäftsführungsbestellungsbeschluss der Vorstands-mitglieder E und T sei eine Genehmigung durch den Aufsichtsrat der Alleinge-sellschafterin samt zusätzlicher Befreiung der Vorstände von den Beschrän-kungen des § 181 Fall 1 BGB für den konkreten Einzelfall vorzulegen. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. erkannte keine Notwendigkeit der „Befreiung der Vorstände  von den Beschränkungen des § 181 Alt. 1 BGB für den konkreten Einzelfall,“ wies aber die Beschwerde der Gesellschaft im Übri-gen ab. Bei einer Selbstbestellung von Vorständen einer AG zum Geschäftsfüh-rer einer Tochter-GmbH bestehe ein Interessenkonflikt, den mit einer jeden-falls entsprechenden Heranziehung von § 181 Fall 1 BGB zu begegnen sei. Die Einschaltung von O ändere nichts, da die Vorstände E und T ihm nicht mehr Rechte übertragen könnten, als sie selbst hätten. Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin beim BGH hatte Erfolg. Der BGH (II. Zivilsenat) verwies  die Sache an das Registergericht zurück. Das OLG habe sachlich zutreffend ein be-hebbares Eintragungshindernis gesehen, da die auf Bestellung der Vorstands-mitglieder E und T zu Geschäftsführern der Antragstellerin gerichtete Be-schlussfassung unwirksam sei. Zur Erteilung der Genehmigung ihrer Bestel-lung sei hier jedoch nicht der Aufsichtsrat der Alleingesellschafterin berufen. Weil das dritte Vorstandsmitglied D die Alleingesellschafterin gemeinsam mit einem Prokuristen oder einen nicht durch § 181 BGB ausgeschlossenes Vor-standsmitglied vertreten könne, könne er die ausstehende Genehmigung auch mit dieser klären. Ob diese Möglichkeit zur ordnungsgemäßen Vertretung wirklich bestehe, habe das OLG nicht festgestellt. Nach dem mutmaßlichen Willen der Alleingesellschafterin ist jedoch dem BGH zufolge davon auszu-gehen. Eine Genehmigungskompetenz des Aufsichtsrats folge jedoch nicht aus § 112 S.1 Aktiengesetz (AktG), der auf die Bestellung des Vorstandsmitglieds einer AG zum Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft  schon nicht anwend-bar sei. Denn dabei handle es sich um einen Organakt  der Untergesellschaft und nicht der Obergesellschaft als deren Alleingesellschafterin.

 

Bundesgerichtshof zu bilanzieller Bewertung von Forderungen durch Gericht

27.3.2023

Die bilanzielle Bewertung einer möglicherweise risikobehafteten Forderung setzt die Einholung eines Sachverständigengutachtens voraus. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Urteil vom 9.Februar 2023 – Az: III ZR 117/20 deutlich gemacht. Die Ausnahme sei der Nachweis eigener Sachkunde durch das Gericht. Wollen sich Vorstände zur Entlastung auf ein Testat berufen, hät-ten sie nachzuweisen, dass den Wirtschaftsprüfern alle erforderlichen Unter-lagen zur Prüfung der Werthaltigkeit der Anlagen vorlagen.

Eine Anlegerin verklagte die Vorstände einer in der Zwischenzeit in die Insol-venz gefallenen AG auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 221 000 Euro nach dem Erwerb von Hypothekenanleihen. Sie hielt den Unternehmensver-tretern vor, dass diese für einen fehlerhaften Jahresabschluss geworben hät-ten. 2008 erwarb das Unternehmen sechs Immobilien für 44 Millionen Euro, die sie an drei Fondsgesellschaften für 58 Millionen Euro verkaufte. Die Kauf-preise waren bis Ende Oktober 2009 gestundet. Sie stellte die Entgelte als of-fene Forderungen in ihren Jahresabschluss für 2008 ein, der damit einen Überschuss von 4,7 Millionen Euro aufwies. Im April 2009 testierten Bilanz-prüfer den Jahresabschluss – ohne Beanstandungen. Danach kam die Anleihe heraus. In einem Teil der Prospekte war der geprüfte Jahresabschluss für 2008 mit dem Bestätigungsvermerk enthalten. Die AG trat im Oktober 2010 von dem Kaufvertrag mit den Fonds zurück, weil diese den Kaufpreis nicht auf-bringen konnten. Der Überschuss verwandelte sich daher in einen Verlust. Während das Landgericht (LG) Düsseldorf der Schadensersatzklage zum Teil stattgab, lehnte das dortige Oberlandesgericht (OLG) eine Prospekthaftung nach Kapitalanlagenbetrug nach § 823 Abs.2 BGB i. V. mit § 264a Abs.1 Nr.1 Strafgesetzbuch (StGB) bzw. nach § 826 BGB ab. Die Parteien  hätte den Rechtsstreit nach zwischenzeitlichen Ausschüttungen an die Klägerin im Insol-venzverfahren u. a. in Höhe von 53 000 Euro erledigt erklärt. Die Revision der Klägerin vor dem Bundesgerichtshof hatte Erfolg. Der BGH (III. Zivilsenat) verwies die Sache an das OLG Düsseldorf zurück. Der OLG-Senat hätte nicht dargelegt, das notwendige Fachwissen zu haben, um die Kaufpreisforderungen zum maßgeblichen Stichtag selbst bilanziell richtig bewerten zu können. Da bisherige Feststellungen dazu fehlten, wie die Forderungen zu bewerten waren sowie ab und in welchem Umfang das Testat  objektiv fehlerhaft gewesen sei, könne derzeit nicht beurteilt werden, ob das Verhalten des Vorstands als sit-tenwidrig und vorsätzlich i. S. einer Haftung nach § 826 BGB zu beurteilen sei. Anders als das OLG hätte die für einen vorsatzausschließenden Irrtum des dar-legungspflichtigen Beklagten nicht dargelegt, dass sie den Abschlussprüfern alle wichtigen Informationen erteilt hatten, die für eine sorgfältige Prüfung der Werthaltigkeit der Kaufpreisforderung gegen die Erwerberkommanditgesell-schaften notwendig waren. Dazu müsse das OLG den Vorständen Gelegenheit geben – falls es nach dem Inhalt des Gutachtens zur Bewertung der Forderun-gen darauf ankomme.

 

Landgericht zu unzumutbarem Ort für Eigentümerversammlung     22.3.2023

Die Teilnahme an einer Eigentümerversammlung auf der Terrasse einer Mit-eigentümerin, mit welcher der andere Eigentümer jahrelang zerstritten ist, ist auch dann nicht zumutbar, wenn die Terrasse zwar im Gemeinschaftseigen-tum liegt, jedoch faktisch allein von der Miteigentümerin genutzt wird – er-klärte das Landgericht (LG) Frankfurt am Main im Urteil vom 2.Februar 2023 – Az: 2-13 S 80/22.

Mit ihrer gegen die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) ge-richteten Anfechtungsklage begehrten die Kläger als Mitglieder der WEG die Ungültigerklärung sämtlicher auf der Eigentümerversammlung vom 12.Juli 2021 gefassten Beschlüsse. Die Gemeinschaft besteht außer den Klägern nur noch aus einer weiteren Eigentümerin. Der Verwalter hatte damals als Ver-sammlungsort eine Terrasse vorgesehen, die zwar auf dem Gemeinschafts-eigentum liegt, aber faktisch von nur von der einzig weiteren Eigentümerin allein genutzt wird. Die Kläger sind mit ihr jahrelang zerstritten. Es wurden bzw. werden mehrere Rechtsstreitigkeiten geführt. Das Amtsgericht hat allein die Beschlüsse zu TOP 4 und 9 insgesamt und den Beschluss zu TOP 5 zum Teil „aufgehoben“ und die Klage ansonsten abgewiesen. Mit der Berufung verfolg-ten die Kläger ihr ursprüngliches Begehren auf Ungültigerklärung sämtlicher Beschlüsse weiter. Über spezifische Rügen betreffend die einzelnen Beschlüsse hinaus waren sie der Auffassung, alle Beschlüsse seien schon deshalb für un-gültig zu erklären, da zu der Versammlung, an der sie selbst nicht teilnahmen, ein Verwalter eingeladen habe, der zum Zeitpunkt der Einladung nicht mehr im Amt gewesen sei. Ferner gewähre der Versammlungsort nicht die Einhal-tung des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit, da Nachbarn hätten zuhören können. Aber auch wegen Meinungsverschiedenheiten mit der anderen Eigen-tümerin sei es ihnen, den Klägern nicht zuzumuten, sich auf der Terrasse der weiteren Eigentümerin einzufinden. Das Landgericht hat das Urteil des Amts-gerichts abgeändert und sämtliche auf der Eigentümerversammlung vom 12.Juli 2021 gefassten Beschlüsse für ungültig erklärt. Zum Zeitpunkt der Ein-ladung vom 14.Juni 2021 zur Versammlung  am 12.Juli 2021 war der Verwalter im Amt, weshalb auch ihn gem. § 24 Abs.1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) die Einberufung obliegt. Der Verwalter war hier zunächst bis zum 31.Oktober 2020 bestellt worden. Seine Amtszeit verlängerte sich über den 31.Oktober 2020 hinaus gem. § 6 Abs.1 COVMG; die gesetzlich angeordnete Verlängerung hindernde Beschlüsse fassten die Wohnungseigentümer nicht. Hingegen waren sämtliche Beschlüsse für ungültig zu erklären – so die Kammer des LG – da die Wahl auf einen Versammlungsort fiel, der für die Kläger unzumutbar war und dies auf jeden Fall auch kausal für die Abstimmungsergebnisse war. Dies folgt allerdings nicht schon aus einer Verletzung des Grundsatzes der Nichtöffent-lichkeit. Denn allein die entfernte Möglichkeit, dass ein Dritter den Woh-nungseigentümern zuhören könnte, reicht für eine Annahme eines Verstoßes nicht aus. Unzumutbar war der Versammlungsort für die Klägerin auch des-halb, weil zwischen ihnen und der anderen Eigentümerin weitgehende Zwis-tigkeiten bestehen. Das Erscheinen am Versammlungsort muss objektiv be-trachtet unter Einbeziehung der Interessen des Eigentümers zumutbar und für diesen akzeptabel sein, was bei zerstrittenen Gemeinschaften einen neutralen Ort erfordert. Einem Wohnungseigentümer kann etwa nicht zugemutet wer-den, einer Einladung zur Versammlung in der Wohnung eines verfeindeten Wohnungseigentümers zu folgen. Auch war es den Klägern auch hier unzumut-bar, zur Versammlug auf der Terrasse der verfeindeten Eigentümerin zu er-scheinen, zumal auch kein Grund ersichtlich war, warum man sich nicht an einem neutralen Ort hätte treffen können. Dabei ist unerheblich, dass sich die Terrasse auf Gemeinschaftseigentum befindet. Ob die Wahl eines unzumut-baren Versammlungsortes hier schon zu einer derart gravierenden Beeinträch-tigung der Teilnehmer- und Mitwirkungsrechte der Wohnungseigentümer führte, dass die Beschlüsse sogar ohne Prüfung der Kausalität für ungültig zu erklären wären, kann dahinstehen. Denn jedenfalls war die Wahl des Ver-sammlungsortes für die Abstimmungsergebnisse kausal. Unbestritten hätten die Kläger auf eine Einladung zu einem zumutbaren Ort an der Versammlung teilgenommen. Dies hätte auch Auswirkungen auf die Abstimmungsergebnis-se gezeigt, da beide Einheiten, den Klägern auf der einen Seite und der weite-ren Eigentümerin auf der anderen Seite, jeweils Stimmen zustehen. Da nach alldem die Beschlüsse schon auf Grund der Wahl des Versammlungsortes ungültig zu erklären waren, kam es auf die einzelnen Beschlüsse betreffend Rügen nicht mehr an – laut Kammer des LG.

Hinweis: COVMG – Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossen-schafts-, Vereins-, Stiftungs- u. Wohnungseigentumsrechts zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie.

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Abgasskandal: Europäischer Gerichtshof optimiert Schadensersatzanspruch von Dieselfahrzeugkäufern wegen unzulässiger Abschalteinrichtung

25.3.2023

Wie bereits in unserer laufenden Berichterstattung über den Abgasskandal erwähnt – hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit dem Urteil vom 21.März 2023 – Az: C-100/21 einen neuen Meilenstein gesetzt, um den Schadensersatzanspruch von Dieselfahrzeugkäufern zu optimieren, denen durch den Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Fahrzeug ein Schaden entstanden ist. Das EU-Recht diene dabei auch dem Schutz der Ein-zelinteressen des Fahrzeugkäufers gegenüber dessen Herstellern – betonten die EuGH-Richter.

Das Landgericht Ravensburg hatte hier die Schadensersatzklage eines privaten Fahrzeugkäufers gegen die M.-B. Group dem EuGH vorgelegt. Der Käufer des Dieselfahrzeugs fordert den Ersatz des Schadens, den die M.-B. Group dadurch verursacht haben soll, dass sie das erworbene Dieselfahrzeug mit einer Soft-ware versehen habe, mit der die Abgasrückführung reduziert wird, wenn die Außentemperaturen unter einem bestimmten Schwellenwert liegen, sog. Ther-mofenster. Eine solche Abschalteinrichtung, die höhere Stickoxid-Emissionen  zur Folge haben, seien nach der Verordnung Nr. 715/2007 über die Typenge-nehmigung von Kraftfahrzeugen bezüglich der Emissionen von leichten Perso-nenkraftwagen und Nutzfahrzeugen verboten. Der EuGH entschied, dass das Unionsrecht parallel zu allgemeinen Rechtsgütern auch die einzelnen Interes-sen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs  gegenüber deren Hersteller schützt, wenn dies Fahrzeug mit einer illegalen Abschalteinrichtung versehen ist. Fahrzeuge bedürfen gem. der Rahmenrichtlinie einer EG-Typengenehmi-gung, die nur erteilt werden kann, wenn der Fahrzeugtyp den Regelungen der Verordnung Nr. 715/2007, gerade denen über Emissionen , entspricht. Weiter-hin seien die Fahrzeughersteller nach dieser Richtlnie verpflichtet, dem einzel-nen Käufer eine Übereinstimmungsbescheinigung auszuhändigen, mit der bestätigt wird, dass dieses Fahrzeug zur Zeit seiner Herstellung allen Rechts-akten entspricht. Mittels dieser Bescheinigung lasse sich damit ein individuel-ler Käufer davor schützen, dass der Hersteller gegen seine Pflicht verstößt, mit der Verordnung Nr. 715/2007 in Einklang stehenden Fahrzeuge auf den Markt zu bringen. Diese Erwägungen bringen den EuGH zu dem Resultat, dass die Rahmenrichtlinie eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Hersteller des Fahrzeugs  und dem individuellen Käufer eines Kraftfahrzeugs hervorruft, mit der diesem gewährleistet werden soll, dass das Fahrzeug mit den maßgeblichen Rechtsvorschriften der Union übereinstimmt. Die (EU)-Mitgliedstaaten müss-ten vorsehen, dass der Käufer eines solchen Fahrzeugs gegen den Hersteller  dieses Fahrzeugs einen Anspruch auf Schadensersatz hat. Der EuGH weist da-rauf hin, dass es Sache des nationalen/deutschen Gerichts ist, die Tatsachen-feststellung zu treffen, die für die Feststellung notwendig sind, ob die in Rede stehende Software als Abschalteinrichtung i. S. der Verordnung Nr. 715/2007 einzustufen ist und ob ihre Verwendung gem. einer der Ausnahmen gerecht-fertigt werden kann, die diese Verordnung vorsieht. In Ermangelung unions-rechlicher Vorschriften über die Modalitäten für den Schadensersatzanspruch durch die jeweiligen Käufer sei es die Sache jedes einzelnen (EU-) Mitglied-staats, diese Modalitäten zu regeln. Der EuGH macht jedoch klar, dass die nationalen Rechtsvorschriften es nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen, für den dem Käufer entstandenen Schaden einen angemessenen Ersatz zu erhalten. Es kann – so der EuGH – auch vor-gesehen werden, dass die nationalen Gerichte dafür Sorge tragen, dass der Schutz der unionsrechtlich gewährleisteten Rechte nicht zu einer ungerecht-fertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führen.

Im vorliegenden Fall wird das Landgericht Ravensburg nach Einschätzung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu klären haben, ob die Anrechnung des Nutzungsvorteils  für die tatsächliche Nutzung des in Rede stehenden Diesel-fahrzeugs dessen Eigentümer eine angemessene Entschädigung für den Scha-den gewährleiste, der ihm wirklich durch den Einbau einer nach dem Unions-recht unzulässigen Abschalteinrichtung in seinem Dieselfahrzeug entstanden sein soll.

Fortsetzung folgt.

 

Finanzgericht zur Unwirksamkeit eines per Fax eingereichten Schriftsatzes durch einen Steuerberater

29.3.2023

Ein durch einen Steuerberater nach dem 1.Januar 2023 per Fax eingereichten Schriftsatz bei Gericht ist unwirksam. Dies hat das Finanzgericht (FG) Nieder-sachsen in einem Gerichtsbescheid  vom 10.Februar 2023 – Az: 7 K 183/22 ver-deutlicht. Der Steuerberater war hier verpflichtet, seinen Schriftsatz über das schon bestehende besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) zu übermitteln, da ihm spätestens seit Anfang 2023  ein sicherer Übermittlungs-weg „zur Verfügung steht. Auf den Erhalt des Registrierungsbriefs oder der Erstanwendung komme es dabei nicht an – so das FG.

Eine Steuerschuldnerin gab weder eine Feststellungserklärung noch die Ge-werbesteuererklärung 2019 ab. Das Finanzamt schätzt die Besteuerungs-grundlagen nach § 162 Abgabenordnung (AO). Nachdem die Schuldnerin auch im Einspruchsverfahren trotz weiterer Erinnerung keine Steuererklärungen vorgelegt hatte, wies die Behörde den Rechtsbehelf als unbegründet ab. Dage-gen klagte sie, vertreten durch ihren Steuerberater, ohne einen Klagegegen-stand zu nennen. Erst als sie dazu vom Gericht am 16.Dezember 2022 mit Frist bis zum 13.Januar 2023 aufgefordert war, übersandte dieser am letzten Tag der Frist die Klagebegründung – per Fax. Das Gericht teilte ihm mit, dass das Schreiben nicht wirksam sein dürfte, weil Steuerberater nach §§ 52a, 52d Fi- nanzgerichtsordnung (FGO) i. V. mit § 157e Steuerberatungsgesetz (StBerG) seit dem 1.Januar 2023 verpflichtet seien, das besondere elektronische Steu-erberaterpostfach (beSt) zu nutzen. Die Klage sei aus diesem Grunde verfristet. Am 30.Januar 2023 übermittelte der Vertreter einen Schriftsatz über das be- sondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eines Anwalts und beantragte Wiedereinsetzung. Über einen telefonischen Kontakt mit der Vorsitzenden Richterin des Finanzgerichts wenige Tage vor dem 16.Januar 2023 sei darauf hingewiesen worden, dass für den Schriftverkehr ab dem 1.Januar 2023 das beSt vorgesehen sei. Er selbst könne das Schreiben nicht übersenden, weil ihm der Registrierungsbrief noch nicht vorliege. Das Finanzgericht Niedersachsen wies die Klage der Steuerschuldnerin als unzulässig zurück, weil der Bevoll-mächtigte als Steuerberater den Klagegegenstand nach § 65 Abs.1 S.1 FGO nicht innerhalb der Ausschlussfrist in der gesetzlich vorgeschriebenen Form nach § 52d i. V. mit § 52a FGO bezeichnet hat. Wiedereinsetzungsgründe seien nicht erkennbar. Zur Nutzung des beSt wäre er jedoch verpflichtet gewesen, weil ihm spätestens seit dem 1.Januar 2023 ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52 Abs.4 S.1 Nr.2 FGO „zur Verfügung“ gestanden habe. Dem FG nach habe sich der Gesetzgeber mit guten Gründen dagegen entschieden, die Nut-zungspflicht auf ein (unbestimmtes) Ereignis wie z. B. die Erstanwendung des Postfachinhabers oder den Erhalt des Registrierungsbriefs zu binden. Eine die Ersatzeinwirkung in Papierform berechtigende, vorübergehende technische Störung nach § 52d S.3 u. 4 FGO liege jedenfalls nicht vor, da ein zugelassener elektronischer Übermittlungsvorgang noch gar nicht eingerichtet worden sei. Es liege auch keine (absolute) Unmöglichkeit vor, dass beSt zu nutzen, weil für Steuerberater, die angeben, aktiv mit den Finanzgerichten in Kontakt zu ste-hen, schon vor dem 1.Januar 2023 die Möglichkeit bestand, über die sog. „Fast Lane“ eine zügige Installierung des beSt durch bevorzugte Bearbeitung zu be-kommen. Das FG Niedersachen hat gegen die Entscheidung vom 10.Februar 2023 – Az: 7 K 183/22 die Revision  wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.

 

Landgericht zu Erstattungsfähigkeit von Detektivkosten des Vermieters wegen Prüfung behaupteten Eigenbedarfs durch Vermieter

30.3.2023

Beauftragt ein Mieter einen Detektiven zur Prüfung des vom Vermieter be-haupteten Eigenbedarfs, sind die dadurch entstandenen Kosten vom Grund-satz her erstattungsfähig. Das Landgericht (LG) Berlin hat in dem Beschluss vom 18.Januar 2023 – Az: 80 T 489/22 als Voraussetzung dafür angesehen, dass ein detektivischer Ermittlungsbericht und eine detaillierte Rechnung von der Mieterseite vorzulegen sind.

Im vorliegenden Fall beansprucht eine Mieterin einer Wohnung in der Haupt-stadt im Zuge eines Räumungsprozesses vor dem Amtsgericht Berlin-Charlot-tenburg die Erstattung von Detektivkosten in Höhe von etwa 1 600 Euro. Vorausgegangen war die Klage durch den Vertrag  wegen Eigenbedarfs seitens des Vermieters. Danach wurde sie auf Räumung der Wohnung verklagt. Die Mieterin zweifelte an dem Eigenbedarf des Vermieters und beauftragte zwecks Klärung des Sachverhalts einen Detektiven. Das Amtsgericht lehnte einen Er-stattungsanspruch ab, vor dem Landgericht (LG) hatte die Mieterin mit der sofortigen Beschwerde dagegen auch keinen Erfolg. Vom Grundsatz her seien die Detektivkosten  zu erstatten, wenn diese sich an der wirtschaftliche Lage der Parteien orientieren und der Betrachtung des Streitgegenstandes in ver-tretbaren Grenzen dienen und prozessbezogen sind. Dies sei – so das LG – zu bejahen gewesen. Gerade der Bericht eines Detektiven habe sich auf die Sache bezogen, weil dessen Vernehmung als Zeuge den Ausgang des Rechtsstreits beeinflusst habe. Die Erstattungsfähigkeit sei aus Sicht des Gereichts jedoch abzulehnen, weil ein Ermittlungsbericht und eine detaillierte Rechnung nicht vorgelegen habe. In der Rechnung müssen die erbrachten Leistungen genau aufgeführt und die dafür geleisteten Stunden notiert sein. Daran habe es hier gefehlt – so das LG Berlin.

 

ES   FOLGEN   WEITERE   BERICHTE   ÜBER  URTEILE   DER

INSTANZENGERICHTE

Bundesgerichtshof zum Beschwerdewert bei eigener Forderung gegen Erb-masse

24.3.2023

Der Beschwerdewert bemisst sich vom Grundsatz her nach den Wirtschaftsin-teressen des Beschwerdeführers. Vom Wert des Nachlasses sind daher prinzi-piell alle unbestrittenen Verbindlichkeiten abzuziehen. Es ist jedoch anders – so der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Beschluss vom 22.Februar 2023 – Az: IV ZB 13/22 -, falls der Berufungskläger selbst Inhaber der Forderung ge-gen den Nachlass ist. Dies dürfe nicht bei der Berechnung des Beschwerde- werts einbezogen werden.

Sohn und Tochter der Erblasserin waren sich über das Erbe uneinig. Die Toch-ter geht vom Eintritt der gesetzlichen Erbfolge aus, während ihr Bruder sich als Alleinerbe sieht wegen der letztwilligen Verfügung seiner Mutter. Sie habe ihn zum alleinnigen Erben bestimmt, da sie sich 230 000 Euro von ihm geliehen habe und nicht mehr zurückgezahlt hatte. Das von seiner Schwester angezwei-felte Darlehen plus Zinsen überstieg rechnerisch den die Höhe des Nachlasses von 235 000 Euro. Das Landgericht (LG) Stralsund wies die Feststellungskla-ge des Sohnes ab. Das Oberlandesgericht (OLG) Rostock sah die Berufung des Sohnes sogar als unzulässig an, da es nach Abzug der Darlehnsverbindlichkeit den Beschwerdewert von 600 Euro nicht als erreicht ansah. Die Rechtsbe-schwerde vor dem BGH hatte Erfolg. Das OLG Rostock hat sich wieder mit der erbrechtlichen Sache zu befassen. Der BGH wies in dem Beschluss darauf hin, dass sich der Beschwerdewert nach § 511 Abs.2 Nr.1 Zivilprozessordnung  (ZPO) nach dem wirtschaftlichen Interesse des Rechtsmittelführers (Sohn) richtet. Allerdings lehnte es der BGH ab, die vermeintliche Darlehnsverbind-lichkeit vom Nachlasswert abzuziehen. Dies sei bisher nur für unstreitige Forderungen anerkannt. Auf jeden Fall handelt es sich vorliegend um einen Anspruch des Erben gegen den Nachlass, der nicht zu berücksichtigen ist, weil diese sich aus wirtschaftlichen Gründen nicht auf die Alleinerbenstellung aus-weitet. Der IV. Zivilsenat des BGH sieht den Einfluss  der Forderung erst mit-telbar durch die Konfusion (Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person) in seinem Vermögen nach Zufluss der Erbmasse. Der BGH bestimmte den Beschwerdewert des hälftigen Nachlasses nach Abzug von 20 Prozent für eine positive Feststellungsklage deshalb auf rd. 93 000 Euro.

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Bundesarbeitsgericht: Keine Unmöglichkeit der Beschäftigung  angesichts unternehmerischer Stellenstreichung

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26.3.2023

Die Weiterbeschäftigung ist eine unvertretbare Handlung, zu der der Arbeit-geber  grundsätzlich durch Zwangsgeld angehalten werden kann. Dessen Ent-scheidungen, die bisherigen Aufgaben auf die anderen Arbeitnehmer zu ver-teilen, führt nach dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 28.Fe-bruar 2023 – Az: 8 AZB 17/22 nicht dazu, dass ihm die Beschäftigung unmög-lich wird. Dieser Einwand könne schon aus Beschleunigungsgründen nicht ins arbeitsgerichtliche Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden.

Der kaufmännische Leiter versuchte gegenüber seiner Arbeitgeberin über ein Zwangsgeld nach § 888 Zivilprozessordnung (ZPO) seine Weiterbeschäftigung im laufenden Kündigungsschutzverfahren durchzusetzen. Die Schuldnerin hatte das Arbeitsverhältnis im Oktober 2021 „fristlos zum 28.Oktober 2021“ gekündigt. Das Arbeitsgericht Kassel hatte dem Kündigungsschutzantrag statt-gegeben und die Schuldnerin verurteilt, dem Angestellten bis zum rechtskräf-tigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als kaufmännischer Leiter weiter zu beschäftigen. Damit war die Arbeitgeberin nicht einverstanden. Sie stellte einen Auflösungsantrag nach § 9 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) und beantragte die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts einzu-stellen. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sei nicht mehr möglich, da der Gläubiger mit dem Minderheitsgesellschafter  gegen den Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter intrigiert und versucht habe, diesen „loszuwerden“. In der Zwischenzeit sei der Arbeitsplatz ersatzlos weggefallen und die üblichen Aufgaben anders verteilt worden. Das Arbeitsgericht Kassel setzt ein Zwangs-geld i. H. von 7 073 Euro gegenüber der Schuldnerin fest, ersatzweise 1 000 Euro pro Tag Zwangshaft zu vollziehen an deren Geschäftsführer. Das Landes-arbeitsgericht (LAG) Hessen wies den Antrag auf Einstellung der Zwangsvoll-streckung nach § 709 und § 707 ZPO i. V. mit § 62 Abs.1 S.2 und S.3 Arbeitsge-richtsgesetz (ArbGG) zurück. Die Rechtsbeschwerde beim BAG hatte keinen Erfolg. Das BAG stimmte der Zwangsgeldfestsetzung zu. Das LAG habe genau erkannt, dass sich die Schuldnerin darauf beziehen könne, eine Weiterbeschäf-tigung des Gläubigers als kaufmännischer Leiter sei aufgrund der von ihr ge-troffenen unternehmerischen Organsiationsentscheidung unmöglich. Der Vor-trag der Arbeitgeberin ergebe nicht, dass sie nicht in der Lage wäre, den Be-trieb so aufzustellen, dass der Gläubiger als kaufmännischer Leiter tätig sein könne. Zudem könne die Entscheidung, ob eine Arbeitsmöglichkeit durch un-ternehmerische Organisationsentscheidung nicht mehr bestehe, umfängliche und schwierig zu treffende Feststellungen möglich machen, die nicht aus dem Erkenntnisverfahren ins arbeitsgerichtliche Zwangsvollstreckungsverfahren, das aus Beschleunigung und frühzeitige Durchsetzung der Ansprüche ausge-legt sei, verlagert werden.

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Oberlandesgericht zu der Frage, ob Geschäftsführer Veröffentlichung seines Wohnortes widersprechen kann

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21.3.2023

Geschäftsführer eines Unternehmens müssen grundsätzlich hinnehmen, dass ihre Daten im Handelsregister öffentlich einsehbar sind – hat das Oberlandes-gericht (OLG) Celle in einem Beschluss vom 24.Februar 2023 – Az: 9 W 16/23 verdeutlicht.

Das Handelsregister soll allen Interessierten die Möglichkeit geben, sich über die Verhältnisse einer (Handels-)Gesellschaft ein Bild zu machen. Der Sitz, die Gesellschafter, die Höhe des Stammkapitals, die Vertretung der Gesellschaft sind von Wichtigkeit. Zu diesem Zweck sieht § 43 der Handelsregisterverord-nung (HRV) u. a. vor, das neben dem Namen eines Geschäftsführers auch des-sen Geburtsdatum und Wohnort in das Register aufzunehmen sind. Dagegen wandte sich der Geschäftsführer einer GmbH, der um seine Sicherheit fürchte-te. Da er beruflich mit Sprengstoff zu tun habe, gehe er von einer Gefährdung seiner Person durch Entführung oder Raub aus. Das OLG entschied, dass der Geschäftsführer die Veröffentlichung der Daten hinzunehmen hat. Funktions-fähige und verlässliche öffentliche Register sind für die Sicherheit und Leich-tigkeit des Rechtsverkehrs unerlässlich. Geschäftspartner sollen sich zuver-lässig informieren können. Auch datenschutzrechtliche Widerspruchsrechte gegen die Aufnahme der Daten bestehen daher nicht. Der OLG-Senat hat offengelassen, ob eine Löschung der Angaben bei einer wirklichen Gefährdung infrage käme und wie, insbesondere in welchem Verfahren, dies zu bewerkstel-ligen wäre. Im vorliegenden Verfahren hatte der Geschäftsführer eine solche Gefährdung nicht genauer dargelegt. In dem Register ist daher keine genaue Anschrift, sondern lediglich der Wohnort vermerkt.

Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 24.Februar 2023 – Az: 9 W 16/23 ist Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt worden, wird dort unter Az: II ZB 7/23 geführt.

 

Reiserecht……………………….Reiserücktrittsversicherung……………………

Bundesgerichtshof: Reiserücktrittsversicherung deckt auch Bonusmeilen ab

30.3.2023

Wer eine Reise bucht und diese mit erworbenen Bonusmeilen bezahlt, kann – wenn er die Reise nicht antreten kann – von seiner Reiserücktrittsversicherung auch den Wert der eingesetzten Bonusmeilen fordern. Der Bundesgerichtshof (BGH) lehnt es im Urteil vom 1.März 2023 – Az: IV ZR 112/22 ab, den Entschä-digungsanspruch auf eine Geldleistung zu beschränken. Dies steht in Wider-spruch zum Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers und dem Sinn und Zweck der Versicherung.

Ein Herr buchte bei der Airline einen Hin- und Rückflug in die USA, die er mit Bonunsmeilen aus dem von der Fluggesellschaft angebotenen Bonusprogramm bezahlte. Krankheitsbedingt musste er die Flüge stornieren. Nunmehr wollte er seine Reiserücktrittsversicherung in Anspruch nehmen, vertraglich war dort geregelt, dass diese im Fall des Nichtantritts der Reise „Entschädigung…. für die dem Reiseunternehmen…..vertraglich geschuldeten Rücktrittskosten“ leis-te. Die Versicherung lehnte ab, da der Herr die USA-Reise mit Bonusmeilen gezahlt hatte. Auch vor dem Amtsgericht und Landgericht Wuppertal hatte er mit seiner Forderung keinen Erfolg. Im Zuge der Revision vor dem BGH stellte sich eine andere rechtliche Situation ein. Der BGH-Senat legte die Klausel da-hingehend aus, dass ein verständiger Versicherungsnehmer sie in der Weise versteht, dass zu dem im Versicherungsfall vertraglich geschuldeten Rück-trittskosten, für die die Versicherung eintreten will, auch vom Reisenden ein-gesetzte Bonusmeilen zählen. Jegliche Aufwendung, die er zur Bezahlung der Reise eingesetzt habe und nach dem Storno nicht erstattet bekommen habe, sei von diesem Verständnis erfasst – laut BGH. Eine Beschränkung auf Geld oder auf handelbare Leistungen (wie z. B. einen Gutschein) erkenne der durch-schnittliche Verbraucher dagegen in der Klausel nicht. Dem entspreche auch der Sinn und Zweck der Versicherung vor solchen Kosten zu schützen, die des-halb entstehen, dass die versicherte Person eine gebuchte Reise wegen Krank-heit nicht antreten könne. Der Reisewillige wolle sich von den finanziellen Risiken, die eine Buchung vor Reiseantritt mit sich bringt, befreien. Dabei sei es für ihn aber ohne Relevanz, ob er für die Reise Geld oder Bonusmeilen zah-le. Da die Vorinstanz nicht festgestellt hat, welchen Wert den eingesetzten Bo-nusmeilen zukomme, verwies der BGH die Sache an das Landgericht zurück.

 

Landgericht: Kein Schmerzensgeld für Sohn eines 87-Jährigen, der nach Coro-na-Impfung verstirbt

21.3.2023

Das Landgericht Ravensburg hat die Klage eines Sohnes auf Schmerzensgeld abgewiesen, dessen 87-jähriger Vater im September 2022 nach der dritten Impfung gegen das Corona-Virus verstarb. Der Sohn wollte eine Summe von 22 500 Euro erstreiten. Allerdings habe der Sohn nichts zu den konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen seines Vaters als Folge der Impfung vorgebracht – erklärte das Landgericht Ravensburg im Urteil vom 15.März 2023 – Az: 3 0 1/23.

Allein für den Stich mit der Nadel und das Einbringen des Impfstoffs sei, selbst wenn eine wirksame Einwilligung nicht vorgelegen haben sollte, eine Entschä-digung nicht geboten. Der Sohn hatte gegen einen Allgemeinarzt geklagt, der den älteren Herrn im Juni und Juli 2021 und dann wieder im Januar 2022 gegen das Virus geimpft hatte. Der Kläger habe als Erbe seines Vaters geltend gemacht, dass es vor der Impfung keine oder allenfalls eine unzureichende Aufklärung gegeben habe – so die Kammer des Gerichts. Die von seinem Vater erklärte Einwilligung sei aus diesem Grund unwirksam. Je Impfung stellte sich der Sohn ein Schmerzensgeld von 7 500 Euro vor.

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Landgericht zu Jahrhunderthochwasser und Recht zur fristlosen Kündigung durch Mieter einer Gewerbefläche

26.3.2023

Eine Klausel in einem Gewerbemietvertrag, wonach das Mietverhältnis bei hö-herer Gewalt nicht erlischt, sondern nur die Pflicht des Mieters zur Mietzah-lung endet, ist unwirksam. Der Mieter ist allein durch den Entfall der Mietzah-lung nicht ausreichend geschützt, weil allein mit der Ersparnis der Miete der Unternehmer keinen Gewinn erzielen kann, was allein durch die geschäftliche Tätigkeit ermöglicht wird – hob das Landgericht (LG) Hagen im Urteil vom 8.Februar 2023 – Az: 23 0 36/22 hervor.

Die Klägerin als Mieterin hatte mit der Beklagten als Vermieterin  Ende 2012 einen schriftlichen Gewerbemietvertrag abgeschlossen. Mietgegenstand war eine Ladenfläche im Erdgeschoss eines Einkaufszentrums mit einer Mietfläche von ca. 103,29 Quadratmeter. Der Vertrag enthielt eine Klausel, wonach das Mietverhältnis in Fällen höherer Gewalt nicht endet, sondern nur die Pflicht des Mieters zur Mietzahlug und im Fall des Wiederaufbaus die mietvertrag-lichen Regelungen bezüglich der Erstellung des Gesamtobjekts und des Miet-gegenstands und der Übergabe und des Beginns der Mietzahlung entsprechend gelten. Eine Kündigungsmöglichkeit war übrigens nur dem Vermieter vorbe-halten. Die Klägerin erklärte am 10.Juni 2022 die außerordentliche fristlose Kündigung wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietvertrags, da seit Hochwasserbeginn vom 14.Juli 2021 die gemieteten Räumlichkeiten bald 11 Monate nicht zur Verfügung gestanden hätten, ohne dass eine Wiedereröff-nung absehbar sei. Hintergrund der Kündigung war, dass seit dem sog. Jahr-hunderthochwasser nicht mehr wiedereröffnet werden konnte, da die Sanie-rung noch nicht abgeschlossen worden war. Die Beklagte lehnte die Kündigung ab, einen konkreten Termin zur Fertigstellung hatte sie nicht angegeben. Die Klägerin verwies auf die Unzumutbarkeit, das Mietverhältnis fortzusetzen, allein die Mietaussetzung bis zur Wiedereröffnung würde ihre wirtschaftliche Situation nicht genügend ausgleichen. Die Beklagte vertrat die Meinung, der Klägerin stehe kein Kündigungsrecht zu. Der Gewerbemietvertrag sehe die Mietaussetzung vor, aber nicht die Kündigungsmöglichkeit der Mieterin. Das LG hat festgestellt, dass der zwischen den Parteien bestehende Gewerbemiet-vertrag wegen der fristlosen Kündigung nicht mehr besteht. Die Klägerin hat mit ihrem Schreiben vom 10.Juni 2022 wirksam die Kündigung ausge-sprochen. Die Kündigung der Klägerin war wirksam gem. § 543 Abs.2 Nr.1 BGB, da die Klägerin die Mietsache seit dem 15.Juli 2021 vollständig entzogen war. Dem stand nicht entgegen, dass nach der Klausel im Mietvertrag eine solche Kündigungsmöglichkeit nicht bestand, sondern nur die Pflicht des Mie-ters zur Mietzahlung endete. Denn diese Klausel war unwirksam – so die Kam-mer des LG. Diese enthielt eine unangemessene Benachteiligung, da diese mit wesentlichen Grundgedanken der in §§ 535 ff. BGB enthaltenen Regelungen, von denen abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Bei der genannten Klau-sel handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen, da diese in allen Mietverträgen der Beklagten enthalten war. Nach § 310 Abs.1 BGB ist die An-wendung des § 307 BGB auf Verträge unter Kaufleuten nicht ausgeschlossen. Die von der Beklagten verwendete Formularklausel nahm der Klägerin in Anbetracht der völligen Unbestimmbarkeit des Zeitpunkts, zu dem sie das Mietobjekt wieder zu überlassen hat, jegliche Gewährleistungs- und Kün-digungsrechte, die sich in einer ausgewogenen Vertragsgestaltung bei Nicht-überlassung ergeben könnten. Bei einer solchen Klausel wird das in § 542 Abs.2 Nr.1 BGB enthaltene Recht zur außerordentlichen Kündigung auch bei befristeten Mietverhältnissen in einer Weise eingeschränkt, die mit dem wich-tigen Grundgedanken des Mietrechts nicht zu vereinbaren ist. Der Mieter ist durch den Entfall der Mietzahlung nicht ausreichend geschützt, weil allein mit der Ersparnis der Miete der Unternehmer keinen Gewinn machen kann, was nur durch die geschäftliche Tätigkeit erreicht wird. Da die Beklagte als Vermie-terin keinen konkreten Fertigstellungstermin angegeben hatte und auch nicht benennen musste, konnte sie – geschützt durch ihre allgemeinen Geschäftsbe-dingungen – über einen Zeitraum von mehr als eineinhalb Jahren die Wieder-eröffnung hinauszögern, ohne vertaglichen Beschränkungen über die fehlen-den Mietzahlungen hinaus hinnehmen zu müssen. Innerhalb eines solchen Zeitraums haben sich Kunden der Klägerin neu ausgerichtet und gingen der Klägerin verloren, falls sie nicht anderweitige Maßnahmen ergriffe. Eine Ver-sicherung deckt einen solchen Verlust aber nicht ab. Wäre sie nun weiter ad ultimo an ihren Vertrag gebunden, könnte sie diese Gefahr nur über das Risiko doppelter Vertragsbindung, um auf dem Markt sichtbar zu bleiben und deswe-gen für die Zwischenzeit einen weiteren Mietvertrag abzuschließen, abwenden. Das scheint jedoch unangemessen – betont die Kammer des Gerichts.

 

Oberverwaltungsgericht NRW: Älteres Diplom berechtigt zur Eintragung in Architektenliste

27.3.2023

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land NRW in Münster hat mit Urteil vom 17.März 2023 – Az: 4 A 3106/21 für rechtliche Sicherheit gesorgt, danach können Absolventen, die an einer Fachhochschule ein älteres Diplom im Studiengang Architektur mit Erfolg erworben haben, weiterhin zur Ein-tragung in die Architektenliste berechtigt sein und damit faktisch als Architekt tätig sein.

Geklagt hatte ein Architekt aus dem westfälischen SO., der trotz seines älteren Diplomstudiums in die Architektenliste eingetragen werden wollte. 1989 hatte er den Diplomstudiengang Architektur in der Regelstudienzeit von drei Jahren mit Erfolg absolviert. Danach war der Kläger von 1995 bis 1998 und von 2004 bis 2017 in diesem Beruf aktiv und auch in die Architektenliste eingetragen. Die Architektenliste wird von den Architektenkammern der Bundesländer geführt und diese sind ebenso für berufliche Bezeichnung „Architekt“ zustän-dig. Das OVG für das Land NRW hat entschieden, dass der frühere Abschluss mit den heutigen Bachelor- und Masterstudiengängen vergleichbar sei, falls der Architekt eine Berufserfahrung von vier Jahren nachweisen kann. Dies sei durch die Gleichstellungsregeln für EU-Abschlüsse begründet. Das Gericht stellte heraus, dass es keine Bedenken wegen der Qualität des früheren Di- plom-Abschlusses gebe und die Neuregelung von vier Studienjahren nur die verschiedenen Bachelorabschlüsse vergleichbar machen solle.

Quelle: JuraForum.de-Redaktion, Architekten mit altem Diplom dürfen wei-termachen, www.juraforum.de  23.03.2023  08:48

 

 

 

ES   FOLGEN   WEITERE   BERICHTE   ÜBER   URTEILE   DER

INSTANZENGERICHTE

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Oberlandesgericht zur Geltung zivilrechtlicher Sanktionierung von Steuer-hinterziehungen außerhalb des Schwarzarbeitsgesetzes

29.3.2023

Ein in schriftlicher Form geschlossener Kaufvertrag, in dem der tatsächlich vereinbarte Kaufpreis zum Zwecke der Steuerverkürzung wahrheitswidrig zu niedrig angegeben wird, kann gem. § 134 BGB i. V. mit § 370 Abgabenordnung (AO) nichtig sein. Ein Anspruch auf Rückforderung des geleisteten Kaufpreises kann bei Nichtigkeit des Kaufvertrags auf Grund des Verstoßes gegen § 370 AO gem. § 817 S.2 BGB ausgeschlossen sein – so das Oberlandesgericht Hamm in einem Urteil vom 6.Februar 2023 – Az: 2 U 78/22.

Der Beklagte war Inhaber eines Sportstudios und Eigentümer der zugehörigen Einrichtungsgegenstände. Dieses hatte er am 6.April 2018 an die Klägerin ver-kauft. Laut Kaufvertrag sollte der vereinbarte Kaufvertrag „nur“ 5 000 Euro betragen. Mündlich vereinbarten die Parteien zusätzlich, dass die Klägerin über den schriftlich festgehaltenen Betrag von 5 000 Euro hinaus weitere 30 000 Euro als Kaufpreis an den Beklagten zahlt, der Kaufpreis beträgt dem-nach  insgesamt 35 000 Euro. Die Klägerin zahlte an den Beklagten mindes-tens 1 000 Euro. Der Beklagte übergab das Sportstudio an die Klägerin. Im September 2018 erklärte der Beklagte, dass er vom Vertrag zurücktrete, was die Klägerin etwas später hinnahm. Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, es sei mit der Beklagten abgesprochen gewesen, dass die Zahlung der weiteren 30 000 Euro in bar „an der Steuer vorbei“ erfolgen solle, sie haben sich dem-entsprechend verhalten. Der Beklagte führte aus, die Klägerin habe an ihn neben der Übergabe von 1 000 Euro keine weitere Zahlung geleistet. Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt an die Klägerin 31 000 Euro Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Studios nebst Inventargegenständen zu zahlen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm die Ent-scheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin folgte weder aus § 346 Abs.1 BGB noch aus § 812 Abs.1 S.1 Fall 1 BGB. Der Rückgewähranspruch scheitere schon daran, dass der Kaufvertrag gem. § 134 BGB nichtig ist. Voraussetzung eines Rücktritts vom Vertrag und damit für das Entstehen eines Rückgewährschuldverhältnisses ist immer das Vorliegen  eines wirksam abgeschlossenen Vertrags. Bei Verträgen, die – wie hier – von Beginn an nicht wirksam zustande gekommen sind, geschieht die Rückabwicklung nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts. Dies war hier der Fall, weil der Vertrag schon nach dem Vorbringen der Klägerin  wegen ei-nes Verstoßes gegen § 370 AO  nach § 134 BGB nichtig war. Die BGH-Recht-sprechung zu Verstößen gegen das Schwarzarbeitergesetz ist nach Ansicht des OLG-Senats wegen der Vergleichbarkeit des zu entscheidenden Falls mit den Schwarzarbeiterfällen und der damit einhergehenden Problematik – gerade der Benachteiligung von Wettbewerbern – auf jeden Fall hier übertragbar. Ob die von dem für Werkvertragsrecht zuständigen VII. Zivilsenat des BGH aufge-stellten Rechtssätze unabhängig vom Einzelfall uneingeschränkt für den Be-reich des Kaufrechts Anwendung finden, bedarf keiner Entscheidung – so das OLG. In den letzten Jahren ist sowohl in der Gesetzgebung als auch in der Rechtsprechung ein konsequentes Vorgehen gegen Steuerhinterziehung ange-gangen und durchgesetzt worden. Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises nach § 812 Abs.1 S.1 Fall 1, § 818 Abs.1 BGB. Dem steht nämlich § 817 S.2 BGB entgegen. Dieser ist – ungeachtet seiner systematischen Stellung – nicht nur auf § 817 S. 1 BGB, sondern auf alle Fälle der Leistungskondiktion anzunehmen. Danach ist die Rückforderung des Geleisteten ausgeschlossen, wenn dem Leistenden ein in § 817 S.1 BGB genannter Verstoß zur Last fällt. Davon ist dann auszugehen, falls der Zweck seiner Leistung in der Art bestimmt war, dass der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Der Ausschluss des Rück-forderungsanspruchs setzt einen beiderseitigen Gesetzesverstoß nicht voraus, sondern greift auch ein, wenn nur eine Partei gehandelt hat. Die Leistung der Klägerin – die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises – war für sich genommen wertneutral. Die vertragliche Vereinbarung der Parteien über die fehlerhafte Angabe des Kaufpreises verstieß gegen das gesetzliche Verbot, sondern auch die in Ausführung dieser Vereinbarung erfolgende Leistungserbringung. § 817 S.2 BGB ist nicht, auch nicht unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB), eingeschränkt auszulegen mit der Folge, dass der Ersatzanspruch nicht ausgeschlossen ist. Allerdings besteht in Rechtsprechung und Literatur keine Übereinstimmung über die Reichweite der zivilrechtlichen Sanktionierung von Steuerhinterziehung außerhalb des Schwarzarbeitsgeset-zes. Infolgedessen hat das OLG Hamm gegen das Urteil vom 6.Februar 2023 – Az: 2 U 78/22 die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Bundesfinanzhof: Uneingeschränkter Widerrufsvorbehalt bei Pensionszusage ist steuerschädlich

20.3.2023

Enthält eine Pensionszusage einen Vorbehalt, demzufolge die Pensionsanwart-schaft oder Pensionsleistung gemindert oder entzogen werden kann, ist die Pensionsrückstellung steuerrechtlich nur in eng begrenzten Fällen zulässig. Uneingeschränkter Widerrufsvorbehalt, die eine Änderung der Pensionszusage in das Belieben des Arbeitgebers stelle, seien steuerschädlich – unterstrich der Bundesfinanzhof im Urteil vom 6.Dezember 2022 – Az: IV R 21/19.

Im Streitfall hatte die Rechtsvorgängerin der Klägerin eine betriebliche Alters-versorgung für ihre Mitarbeiter eingeführt und für die daraus resultierenden Verpflichtungen Pensionsrückstellungen gebildet. Einzelheiten waren in einer Betriebsvereinbarung geregelt. Die Höhe der Versorgungsleistungen sind aus sog. Versorgungsbausteinen, die aus einer „Transformationstabelle“ abzuleiten waren. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hatte sich vorbehalten, diese Transformationstabelle einseitig ersetzen zu können. Wegen dieses Vorbehalts erkannte das Finanzamt die Pensionsrückstellung nicht an, sodass es in den Streitjahren jeweils zur Gewinnerhöhung kam. Der BFH hat die Meinung des Finanzamtes bestätigt. Die Bildung einer Pensionsrückstellung sei steuerrecht-lich nur zulässig, wenn der Vorbehalt klar einen nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten eng begrenzten Tatbestand normiere, der nur ausnahmsweise eine Minderung oder einen Entzug der Pensionsanwartschaft oder Pensionsleistungen gestattet. Dagegen seien ein uneingeschränkter Wi-derrufsvorbehalt, deren arbeitsrechtliche Gültigkeit oder Reichweite zweifel-haft oder ungeklärt sei, steuerschädlich. Auch vorliegend sei dies der Fall, da der Vorbehalt eine Änderung der Pensionszusage in das Belieben des Arbeits-gebers stelle. Der Vorbehalt sei keiner in der arbeitsgerichtlichen Recht-sprechung anerkannten Fallgruppe zuzuordnen, bei der ein Abschlag ausge-schlossen sei.

Sozialgericht: Kein Unfallversicherungsschutz für Prügelei bei Betriebsfahrt

28.3.2023

Kommt es während einer Betriebsfahrt zu einer Prügelei mit einem anderen Verkehrsteilnehmer. da dieser sich in beleidigender Form verhält, stellen die sich daraus ergebenden Verletzungen keinen Arbeitsunfall dar. Dies hat das Sozialgericht Berlin im Urteil vom 16.Februar 2023 – Az: S 98 U 50/21 ge-äußert, die Geschehnisse drehten sich um eine gewaltsame Auseinanderset-zung angesichts einer zugeparkten Betriebseinfahrt.

Der Kläger war als Bauleiter tätig. Nach Rückkehr von einem beruflichen Ter-min konnte er nicht auf sein Betriebsgelände fahren, die Einfahrt war durch einen Lkw blockiert war. Trotz mehrfacher Aufforderung durch den Bauleiter fuhr der Lkw-Fahrer nicht an die Seite. Der Kläger war gezwungen, sein Auto stehen zu lassen und das Gelände zu Fuß zu betreten. Als er etwas später zu seinem Fahrzeug zurückkam, um einen anderen betrieblichen Termin wahr-zunehmen, kam es zwischen Lkw-Fahrer und dem Kläger zu einem verbalen Schlagabtausch, der Lkw-Fahrer bezeichnete ihn dabei als „egoistisches Ar…l.ch“. Der Kläger, der eigentlich in sein Fahrzeug steigen wollte, schlug die Wagentür zu, um die Sache mit seinem Kontrahenten „zu klären.“ Während des Streits schlug der Lkw-Fahrer dem Kläger ins Gesicht. In Anbetracht einer Mittelgesichtsfraktur musste sich der Kläger einer Operation unterziehen. Die beklagte Unfallversicherung erkannte den Vorfall nicht als Arbeitsunfall an. Das Sozialgericht Berlin hat die Klage nach Befragung des am Geschehnis be-teiligten Lkw-Fahrer abgewiesen. Zwar habe sich der Kläger auf einem an sich versicherten Betriebsweg befunden, als er wieder vom Betriebsgelände zu sei-nem Auto ging, jedoch habe er diesen wieder verlassen, als er die Wagentür seines Fahrzeugs nach den Beleidigungen des Lkw-Fahrers wieder schloß, um die Angelegenheit zu klären. Darin sei eine Zäsur zu sehen – so das Gericht. Ab diesem Zeitpunkt habe das Handeln des Klägers privaten Zwecken gedient und zwar von dem Zur-Rede-Stellen des Lkw-Fahrers. Während dieser Unter-brechung des betrieblichen Wegs habe kein Versicherungsschutz in der gesetz-lichen Unfallversicherung bestanden. In der obergerichtlichen Rechtsprechung sei anerkannt, dass gerade das Zurechtweisen anderer Verkehrsteilnehmer auf dem Arbeitsweg oder auf Betriebswegen nicht der betrieblichen Tätigkeit diene und etwaige daraus folgende Verletzungen unabhängig vom Verschulden dem privaten Lebensbereich zuzuordnen sind.

Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16.Februar 2023 – Az: S 98 U 50/21 ist noch nicht rechtskräftig.

Finanzgericht zu Bildung einer Rückstellung für Mitarbeiterboni

24.3.2023

Das Finanzgericht (FG) Münster hat in einem Urteil vom 16.November 2022 – Az: 13 K 3467/19 F mit dem zu der Bildung von Rückstellungen für zukünftige Bonuszahlungen an Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer Stellung bezogen. Da-nach kann eine Rückstellung selbst dann gebildet werden, falls die Verbind-lichkeit mit großer Wahrscheinlichkeit dem Grunde nach in Zukunft entsteht, wobei deren Höhe ungewiss sein kann. Eine große Wahrscheinlichlichkeit für die Entstehung kann sich daraus ergeben, dass Mitarbeitenden-Boni in der Hauptsache ohne rechtliche Verpflichtung seit Jahren gezahlt werden. Eine wirtschaftliche Verursachung liegt nach dem Urteil des FG vor, wenn die Mit-arbeitenden-Boni in der Hauptsache die Leistungen der Mitarbeiterinnen/Mit-arbeiter im abgelaufenen Geschäftsjahr abgelten sollen, auch wenn dadurch eine Mitarbeiterbindung als Parallelzweck erreicht wird. Wertaufhellende Um-stände, die spätestens bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bilanz aufzustellen gewesen wäre, bekannt werden, können berücksichtigt werden. Im entschiede-nen Fall zahlte die A-GmbH ihren Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmern nach Ablauf eines guten Geschäftsjahres Mitarbeitenden-Boni. Darüber gab es je-doch mit einem Teil der Mitarbeitenden keine schriftliche Vereinbarung, bei denen im Vertrag informell festgelegt wurde, dass es sich um eine freiwillige Leistung ohne Rechtsgrund handele. Ein Bonus wurde in den Jahren 2011 bis 2013 ausbezahlt. Für das Streitjahr 2014 wurde Anfang 2015 eine Bonuszah-lung per E-Mail angekündigt und im März 2015 ausbezahlt. Den Betrag stellte die A-GmbH in eine Rückstellung ein. Im Rahmen einer Betriebsprüfung stellt sich das Finanzamt auf den Standpunkt, dass die Grundsätze der Bilanzierung schwebender Geschäfte der Bilanz der Rückstellung entgegenstehen. Der Bo-nusanspruch hänge von erst in der Zukunft liegenden Vorbedingungen ab, weil über die Höhe erst im Folgejahr und abhängig von der zukünftigen Gewinnlage der Gesellschaft entschieden werde. Der Bonusanspruch sei auch nicht vertrag-lich oder durch eine betriebliche Vereinbarung festgelegt. Der Einspruch gegen den KSt-Änderungsbescheid blieb ohne Erfolg. Laut Urteil des FG Münster be-stand zum Stichtag die große Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens ei-ner Verbindlichkeit dem Grunde nach, auch wenn die Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch auf den Bonus hatten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kann eine Rücksstellung selbst dann gebildet werden, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit eine Verbindlichkeit dem Grunde nach künftig entsteht,  wobei deren Höhe ungewiss sein könne. Diese hatte ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag. Bei den Boni handelt es sich um ein weiteres Vergütungsinstrument für das abgelaufene Ge-schäftsjahr. Der Zusammenhang mit dem abgelaufenen Geschäftsjahr ergibt sich aus der Anknüfung  an die Höhe des Monats gehalts und aus der „Infor-mation“ für neue Mitarbeiter, dass das Unternehmen „für Jahre mit gutem Geschäftsverlauf“ im Folgejahr einen Mitarbeitendenbonus zahle. Dass die Mitarbeitendenboni auch dem Zweck dienten, die Mitarbeiterinen/Mitarbei-ter auch für die Zukunft an das Unternehmen zu binden, hinderte die Bildung einer Rückstellung für das Streitjahr nicht, weil diese nur einen Parallelzweck darstelle. Gegen die Höhe der Rückstellung spricht nach Meinung des Gerichts nicht, dass der exakte Betrag am Bilanzstichtag 31.Dezember 2014 noch nicht von dem Geschäftsführer der Klägerin festgelegt worden war. In der Mail  mit der Bonusankündigung, die vor der Bilanzerstellung  ergangen war, ist eine wertaufhellende Tatsache zu sehen, die in die Bewertung einzufließen habe. Es liegt kein schwebendes Geschäft vor, dass die Rückstellungsbildung ausschlies-sen würde. Bei einem schwebenden Geschäft wird vermutet, dass sich die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem Vertrag wertmäßig ausgleichen. Hier hatte die Klägerin ihre Gehaltszusagen noch nicht vollständig erfüllt und war daher in Erfüllungsrückstand gekommen.

Das Finanzgericht Münster hat gegen das Urteil vom 16.November 2022 – Az: 13 K 3467/19 F die Revision zum BFH nicht zugelassen, da es seitens des BFH zu dieser Thematik eine gefestigte Rechtsprechung gebe, die auf den Einzelfall Anwendung finde.

Hinweis: KSt-Änderungsbescheid = Änderungsbescheid Körperschaftsteuer

Quelle: Rüdiger Happe, Bildung einer Rückstellung für Mitarbeiterboni, www.haufe.de  17.03.2023

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