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Bundesgerichtshof: Ausschluss des Gesellschafters wird bereits mit Rechts-kraft wirksam

18.9.2023

Der wegen eines wichtgen Grundes vorgenommene Ausschluss eines Gesell-schafters wird bereits mit Rechtskraft des Urteils wirksam. Das hat der Bun-desgerichtshof (BGH) im Urteil vom 11.Juli 2023 – Az: II ZR 116/21 hervorge-hoben und damit die seit Jahrzehnten bestehende Rechtsprechung geändert, wonach erst die Abfindung geleistet werden musste.

Ein Gesellschafter wollte seinen Partner in einer Zwei-Personen-GmbH, einem Baudienstleister, aus dem Unternehmen haben. Dessen Wirken im Unterneh-men sei nicht mehr hinnehmbar, weil er als „Strohmann“ des früheren Gessell-schafters in Erscheinung trete. In der Satzung gab es keine Regelung zum Aus-schluss eines Gesellschafters oder zur Einziehung seiner Anteile. Der Gesell-schafter beantragte, seinen Partner aus der Gesellschaft auszuschließen und dessen Geschäftsanteil wahlweise gegen Zahlung einer Abfindung von fast 3 Millionen Euro einzuziehen oder ihn für befugt zu erklären, die Abtretung des Geschäftsanteils an sich, die Gesellschaft oder einen Dritten herbeizuführen. Vor dem BGH bekam er vorläufig Recht. Das höchste deutsche Zivilgericht fällte bei dieser Gelegenheit ein Grundsatzurteil. Von seiner bisher vertretenen „Bedingungslösung“, bei der die Ausschließung des Gesellschafters durch Ge-staltungsurteil an die Bedingung geknüpft war, dass dieser binnen einer im Ur-teil festzusetzenden angmessenen Frist den ebenfalls dort zu bestimmenden Gegenwert für seinen Geschäftsanteil erhält, rückt der BGH-Senat ab. Diese habe nach Rechtskraft des Urteils eine „Schwebelage“ verursacht, die bei ei-nem Ausschluss aus wichtigem Grund vor allem den anderen Gesellschaftern gegenüber inakzeptabel sei: Es gab eine größere Gefahr, dass der ausscheiden-de Gesellschafter in der Übergangszeit seine verbindlichen Rechte wahrnimmt, um die Gestaltungswirkung des Urteils zu verzögern. Geschützt werde der Aus-geschlossene durch die persönliche Haftung der verbliebenen Gesellschafter für seine Abfindung („Haftungslösung“) und das Gebot der Kapitalerhaltung aus § 30 Abs.1 GmbH-Gesetz: Danach tritt – laut BGH – ein Verlust der Mit-gliedschaftsrechte nur dann ein, wenn in der letzten mündlichen Verhandlung feststeht, dass die Abfindung ausgezahlt werden kann, ohne die Kapitaldecke der Gesellschaft zu beeinträchtigen. Ob dies hier der Fall war – habe das Ober- landesgericht München zu prüfen. Außerdem hat der II. Zivilsenat des BGH die umstrittene Frage der Prozessführungsbefugnis für die Ausschließungs-klage bei einer Zwei-Personen-GmbH unter den Voraussetzungen der actio pro socio geklärt. Danach kann der Gesellschafter einer Zwei-Personen-GmbH unter den Voraussetzungen der actio pro socio die Ausschließungsklage gegen den anderen Gesellschafter erheben. Damit sollen die Gesellschafter vor einer unrechtmäßigen Einflussnahme auf die Geschäftsführung geschützt werden, die sich wegen des häufiger angesichts des intensiv geführten Streits zwischen den Gesellschaftern auch auf die Durchsetzung einer gebotenen Ausschließung auswirken könne.

 

Landgericht über geänderte Kostenverteilung nach Wohnungseigentumsgesetz für Kleinarbeiten im Außenbereich und Treppenhaus    22.9.2023

Das sog. Objektprinzip (Kostenverteilung nach Sondereigentumseinheiten) stellt eine einfache und verständliche Kostenverteilung dar und ist vor allem für Kosten, die unabhängig von der Wohngröße und dem Wert der Wohnung anfallen. Bei der Änderung der Kostenverteilung nach § 16 Abs.2 S.2 Woh-nungseigentumsgesetz – WEG neuer Fassung (n. F.) sind die Grenzen der ord-nungsgemäßen Verwaltung überschritten, wenn die Minderheit eine erhebliche Mehrbelastung zu übernehmen hat, die keine innere Rechtfertigung trägt, ge-rade wenn die Änderung der Kostenverteilung nur den Zweck verfolgt, die Mehrheit zum Nachteil der Minderheit von Kosten zu entlasten – so das Land-gericht (LG) Karlsruhe im Urteil vom 1.September 2023 – Az: 11 S 96/22.

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft, dabei handelt es sich um eine 4er-WEG. In der Eigentümerversammlung vom 6.Oktober 2021 hatte diese zu „TOP 9 b, 10 b und 11 b“ eine Kostenverteilung nach Wohnein-heiten statt nach Miteigentumsanteilen hinsichtlich der Einzelmaßnahmen Außenbeleuchtung, Baumentfernung und Treppenhausfenster beschlossen. Die Kläger hielten die Beschlussfassung für unwirksam. Dies widerspreche gerade einer ordnungsgemäßen Verwaltung. So liegen erhebliche Mehrbelas-tungen vor. Das Amtsgericht (AG) hielt die Klage für unbegründet. Das LG Karlsruhe hat die Entscheidung in der Berufung bestätigt. Diese Beschlussfas-sung ist materiell-rechtlich nicht zu beanstanden und steht auch in Wider-spruch zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung. Nach § 16 Abs.2 S.2 WEG n. F. haben die Wohnungseigentümer nunmehr die Möglichkeit, den gesetzlichen oder vereinbarten Verteilungsschlüssel durch Beschluss zu ändern. Die Woh-nungseigentümer können für sämtliche Kosten der Gemeinschaft – soweit sie nicht für bauliche Veränderungen anfallen – einen abweichenden Verteilungs-schlüssel beschließen. Die Beschlusskompetenz besteht für die Verteilung ein-zelner Kosten oder bestimmter Kostenarten. Die Änderung muss allerdings ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen (§§ 19 Abs.1: 18 Abs.2 WEG n. F.). Den Wohnungseigentümern steht dabei ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der beschlossene Verteilungsschlüssel muss sachlich gerechtfertigt sein. Bei der Kostenverteilung ist der Maßstab die Verteilungsgerechtigkeit. Der sach-liche Grund kann aber auch der Anreiz zur Kostensenkung sein. Das sog. Ob-jektprinzip (Kostenverteilung nach Sondereigentumseinheiten) stellt eine ein-fache und verständliche Kostenverteilung dar und ist gerecht vor allem für Kosten, die unabhängig von der Wohngröße und dem Wert der Wohnung an-fallen (hier: Kosten der Sanierung der Außenbeleuchtung, eines Treppenhaus-fensters und der Entfernung eines Baums in der Außenanlage). Bei der Ände-rung der Kostenverteilung nach § 16 Abs.2 S.2 WEG n. F. sind die Grenzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung überschritten, wenn die Minderheit eine erhebliche Mehrbelastung erleidet, die keine innere Rechtfertigung trägt, ins-besondere wenn die Änderung der Kostenverteilung nur den Zweck verfolgt, die Mehrheit zum Nachteil der Minderheit von Kosten zu entlasten. Bei einer 4 er-WEG, bei der für zwei Einheiten wirtschaftlich alles beim alten bleibe, ist die Annahme einer solchen Benachteiligungsabsicht nicht naheliegend.

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Abgasskandal: Oberlandesgericht wendet erstmalig geänderte BGH-Recht-sprechung bei Verurteilung von Fahrzeughersteller wegen Thermofenster an

23.9.2023

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat mit Urteilen vom 22.August 2023 – Az: 8 U 86/21 und 8 U 271/21 wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeugen eine Fahrzeugherstellerin zur Schadensersatzzahlung in die Pflicht genommen. Mit diesen Urteilen hat das OLG erstmalig die Haftung von Pkw-Herstellern für den bloßen fahrlässigen Einsatz einer Abschalteinrich-tung, eines sog. Thermofensters, ausreichen lassen. Der OLG-Senat ist mit sei-nen Entscheidungen der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) im Urteil vom 21.März 2023 (Az: C-100/21) und des Bundes-gerichtshofs (BGH) im Urteil vom 26.Juni 2023 (speziell Az: IVa ZR 335/21) gefolgt (über die Urteile des EuGH und des BGH hatten wir berichtet).

Bei den Fahrzeugen handelt es sich um solche mit 3,0 Liter-Dieselmotoren der Schadstoffklasse EU 5, die mit einem sog. Thermofenster ausgestattet sind. Bei diesem „Fenster“ geht es um einen festgelegten Temperaturbereich, innerhalb dessen die Rückführung von Abgasen in den Motor ohne Einschränkung funk-tioniert. Durch diese Abgasrückführung werden die Stickoxide gemindert, um den Grenzwert der EU 5-Norm einzuhalten. Außerhalb dieses Temperaturbe-reichs wird die Abgasrückführung demgegenüber gesenkt mit der Folge, dass der Grenzwert für Stickoxide nicht mehr eingehalten wird. Das Thermofenster reicht in den entschiedenen Fällen von 17 bzw. 18 ° C bis 30 bzw. 33/34 ° C. Die Temperatur des Prüfstands, wo die Werte zur Erlangung der Typengeneh-migung gemessen werden, sind auf 20 bis 30 ° C festgelegt. Das OLG Karlsru-he hat die Herstellerin in den beiden Verfahren, die zu ihrer Verurteilung ge-führt haben, zur Zahlung eines Differenzschadens von 5 865 Euro bzw. 803,94 Euro verurteilt. Bereits früher hat das Gericht dargelegt, dass es sich bei dem Thermofenster trotz ihrer Verbreitung um eine unzulässige Abschalteinrich-tung handelt und sich Hersteller insofern nicht auf den Motorschutz beziehen können (OLG KA Urteil v. 14.Mai 2021 – Az: 8 U 14/20). Angesichts der Ent-scheidung des EuGH v. 21.März 2023 – Az: C-100/21, dass die anzuwendende Vorschrift des § 823 Abs.2 BGB (i. V. m. §§ 6 Abs.1, 27 EG-FGV) eine Haftung des Pkw-Herstellers für die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrich-tung keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung mehr voraussetzt, sondern eine einfache Fahrlässigkeit ausreicht. Diese Fahrlässigkeit war im vorliegen-den Fall an den vom BGH herausgestellten Kriterien anzunehmen. Den Her-stellern ist es nicht gelungen, die gegen sie bestehende Verschuldensvermu-tung zu entkräften. Gerade ihre Argumentation, dass sie sich in einem unver-meidbaren Verbotsirrtum befunden haben, da das Kraftfahrt-Bundesamt nach ihrer Behauptung die Typengenehmigung selbst dann erteilt hätte, falls sie das Thermofenster  in Typengenehmigungsverfahren im Einzelnen offengelegt hätten. Es kann dahinstehen, ob dies so gewesen wäre, nachdem die Herstel-lerin schon nicht hinreichend behauptet hat, dass die für sie handelnde verant-wortliche Person wirklich einem Irrtum unterlegen habe. Die Herstellerin in den beiden Verfahren wird deshalb zur Zahlung eines Differenzschadens von 5 865 Euro bzw. 803,94 Euro verurteilt. Der geringe Schadensersatzbetrag im zweiten Fall basiert darauf, dass sich der Kläger hier für die gefahrenen Kilo-meter Nutzungsersatz und den Erlös aus der Weiterveräußerung des Fahr-zeugs anrechnen lassen musste.

Fortsetzung folgt.

 

Bundessozialgericht: Stationäre Notfallbehandlung trotz Patientenverlegung nach 60 Minuten

18.9.2023

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 29.August 2023 – Az: B 1 KR 15/22 die Anforderungen für die stationäre Aufnahme bei Notfallbehandlun-gen in einem Schockraum oder auf einer Schlaganfallstation (stroke unit) ab-gesenkt. Danach können Krankenhäuser Notfallbehandlungen, die bisher nur ambulant abgerechnet werden konnten, vermehrt stationär abrechnen.

Eine schlüssige stationäre Aufnahme könne auch bei einer nur kurzzeitigen Notfallbehandlung und zeitnaher Verlegung in ein anderes Krankenhaus vor-liegen. Voraussetzung dafür ist, dass in dem erstangegangenen Krankenhaus die besonderen Mittel, die eine Hausbehandlung ausmachen, intensiv verwen-det werden. Eine stationäre Notfallbehandlung liegt danach etwa vor, wenn ein multidisziplinäres Team im Schockraum oder auf einer stroke unit zusammen-kommt und und die dortigen besonderen apparativen Mittel umfassend zum Einsatz bringt. Auch bloße Diagnosemaßnahmen können insofern Aufnahmen begründen, wenn verschiedene und in ihrem engen zeitlichen und örtlichen Verbund nur stationär verfügbare Maßnahmen geschehen, die in der Regel ambulant nicht in gleicher Weisw verfügbar sind. Nach diesen Maßstäben hat-te in dem zu entscheidenden Fall das klagende Krankenhaus gegenüber  der Krankenkasse Anspruch auf die Vergütung einer vollstationären Behandlung, indem er sofort auf die zertifizierte Schlaganfallstation gebracht und eine Un-tersuchung mit schnell  aufeinander folgenden diagnostischen Maßnahmen begonnen wurde. Unerheblich ist, dass schnell die Verlegung des Patienten feststand und diese eine Stunde nach der Aufnahme geschah.

Quelle: Bundessozialgericht (BSG) Pressemitteilung Nr.27 vom 30.August 2023 zu dem Urteil des BSG vom 29.August 2023 – Az: B 1 KR 15/22 R

 

Oberlandesgericht zu Beweislast für Behauptung Mietverhältnis sei befristet 22.9.2023

Für die Behauptung, ein Mietverhältnis sei befristet, trägt derjenige die Be-weislast, der aus der Befristung Rechte für sich herleiten will – erklärte das Oberlandesgericht (OLG) Dresden im Urteil vom 12.Juli 2023 – Az: 5 U 255/ 23.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Räumung und Herausgabe von Gewerbe-räumen mit einer Größe von 58 Quadratmetern in Anspruch. Der Kläger ist Ei-gentümer des Grundstücks. Zum Zeitpunkt des Erwerbs des Eigentums am Grundstück durch den Kläger  bestand zwischen dem Beklagten und dem Vor-eigentümer  ein Mietvertrag über die streitgegenständlichen Gewerberäume. Nach der Kündigung des Mietvertrags herrscht zwischen den Parteien Unei-nigkeit, ob dieser langfristig befristet war. Das Landgericht (LG) verurteilte den Beklagten, die streitgegenständlichen Gewerberäume zu räumen und an den Kläger herauszugeben. Die Berufung des Beklagten hat das OLG Dresden zurückgewiesen. Der Beklagte hat seine Behauptung, das zwischen den Partei-en mit Wirkung ab dem 1.April 2014 begründete Mietverhältnis über die streit-gegenständlichen Mieträume sei bis zum 31.Dezember 2044 befristet worden, nicht bewiesen. Für seine Behauptung, das zwischen den Parteien begründete Mietverhältnis sei bis zum 31.Dezember 2044 befristet gewesen, trägt der Be-klagte die Beweislast. Diesen Beweis hat er nicht geführt. Der Beklagte hat kei-nen Urkundenbeweis nach § 416 ZPO geführt, denn er hat nicht das Original des Mietvertrags vom 25.März 2014 vorgelegt, dessen Kopie er als Anlage ein-gereicht hat. Der Beklagte hat zwar angekündigt, er werde für den Fall, dass der Kläger das Original desjenigen Mietvertrags vom 25.März 2014 vorlege, den Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens dazu stel-len, dass es sich dabei um einen zeitlich mindestens  fünf Jahre nach dem 25.März 2014 ausgefertigten Urkunde und damit um eine Fälschung handelt. Diesem Beweisantrag aber hat der OLG-Senat nicht nachzugehen, da er zum Beweis der vom Beklagten behaupteten Befristung bis zum 31.Dezember 2044 nicht geeignet ist. Selbst wenn das Gericht unterstellt, dass der vom Kläger in Kopie als Anlage vorgelegte Mietvertrag eine Fälschung ist, bleibt es zwischen den Parteien unstrittigen Umstand, dass diese mit Vertragsschluss vom 25. März 2014 ein ab dem 1.April 2014 laufendes Mietverhältnis abgeschlossen haben. Eine Befristung dieses Mietverhältnisses (bis zum 31.Dezember 2044) kann  über den Umstand, dass der in Kopie als Anlage vorgelegte Mietvertrag eine Fälschung ist, nicht festgestellt werden. Zum Beweis seiner Behauptung zur Befristung des Mietvertrags ist deshalb der mit dem Ziel der Feststellung einer Fälschung gestellte Beweisantrag nicht geeignet, so dass er auch vom OLG nicht einzuholen ist. Nicht geeignet zum Beweis der vom Beklagten be-haupteten Befristung des Mietvertrags ist auch die Behauptung des Beklagten, der Kläger sei im April 2019 im Ladengeschäft des Beklagten gewesen und ha-be dort vom Beklagten eine Kopie oder ein Original des in Kopie als Anlage vorgelegten Mietvertrags erhalten und später nicht an diesen zurückgegeben. Unabhängig von der Frage, ob der Beklagte seinen schriftsätzlichen Vortrag, es habe sich nur um eine Kopie des in Kopie als Anlage vorgelegten Mietvertrags gehandelt durch die in seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung ge-troffenen Aussage, es habe sich um ein Original gehandelt, abändern konnte, und ob ein solches Vorbringen vom Senat im Berufungsverfahren nach § 531 Abs.2 ZPO zuzulassen wäre, ist der Beklagte für diese Behauptung beweisfällig geblieben. Ein Beweiswert könnte der Behauptung allenfalls dann zukommen, wenn fest-gestellt werden könnte, dass der Beklagte dem Kläger im April 2019 wirklich ein Original des in Kopie als Anlage vorgelegten Mietvertrags, also mit einer Befristung des Vertrags bis zum 31.Dezember 2044, übergeben hätten. Sie würden dann einen Grund dafür liefern, warum der Beklagte kein Original zur Anlage vorlegt. Für diese Behauptung ist der Beklagte jedoch beweisfällig geblieben. Das OLG Dresden hat gegen das Urteil vom 12.Juli 2023 – Az: 5 U 255/23 die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen.

 

 

ES   FOLGEN   WEITERE   BERICHTE   ÜBER  URTEILE   DER

INSTANZENGERICHTE

Kammergericht: Unter Betreuung stehende Personen können Erbschaft aus-schlagen

17.9.2023

Das Kammergericht (KG) Berlin hat im Beschluss vom 20.Januar 2022 – Az: 19 W 174/21 die Ausschlagung einer Erbschaft durch jemanden, der unter Betreu-ung steht, bejaht.

Ein Herr machte überraschend eine Erbschaft. Trotz einer Betreuung, schlägt der Herr selbst die Erbschaft fristgerecht aus. Der Betreuer versucht, die Ent-scheidung rückgängig zu machen, dazu hat er die Ausschlagungserklärung an-gefochten, weil der Betreute nur ausgeschlagen habe, um die zum Nachlass zählende Wohnung in eine Stiftung umzuwandeln, sodass keine Grundsteuer und kein Wohngeld  mehr zu zahlen seien und man mit der Wohnung „Gutes“ tun könne, was sich so entgegen seiner Erwartung nicht verwirklichen lasse. Weiterhin ist er der Ansicht, der Herr habe in Anbetracht der Betreuung gar nicht wirksam ausschlagen können. Die Betreuung war angeordnet worden für Wohnungsangelegenheiten und eine Vertretung vor Behörden sowie Gerich-ten. Das KG Berlin entschied, dass der Herr – trotz Betreuung – die Erbschaft ausschlagen kann. Die Ausschlagung sei eine Willenserklärung. Selbst wenn diese gegenüber dem zuständigen Nachlassgericht abzugeben ist, handelt es sich nicht um einen Vortrag vor Gericht. Selbst einen solchen hätte der Be-treute vor Gericht abgeben können, weil weder die Betreuung unter Einwilli-gungsvorbehalt angeordnet war, noch Anzeichen dafür vorhanden waren, dass der Herr geschäftsunfähig war. Auch eine Anfechtung sei abzulehnen. Dafür wäre notwendig, dass der Herr bei Abgabe der Ausschlagungserklärung über verkehrswesentliche Eigenschaften des Nachlasses geirrt habe. Das war aber nicht der Fall. Dem Betreuten war bekannt, dass eine Eigentumswohnung zum Nachlass zählt. Die mit der Ausschlagung verfolgten Ziele seien nur mittelbare Folgen und damit Motive, die nicht zur Anfechtung berechtigen – führte das KG aus.

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Landesarbeitgericht: Hausverbot für Betriebsratsvorsitzenden nicht ohne An-trag bei Gericht

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20.9.2023

Dem Betriebsratsvorsitzenden den Zutritt zum Betrieb durch Hausverbot zu untersagen, kommt nur bei größeren Pflichtverletzungen infrage. Und auch dann nur auf Antrag des Arbeitgebers beim Arbeitsgericht – liess das Landes-arbeitsgericht  Hessen im Beschluss vom 28.August 2023 – Az: 16 TaBVGa 97/23 verlauten.

Ein Flughafen-Catering-Unternehmen erteilte dem Vorsitzenden des Betriebs-rats Hausverbot, da ihm eine Urkundenfälschung zur Last gelegt wurde. Der Betriebsratsvorsitzende hatte im Vorzimmer der Betriebsleitung mit einem Eingangsstempel Betriebsratsunterlagen versehen, nachdem Mitarbeiter der Personalabteilung und der Betriebsleitung den Empfang dieser Unterlagen verweigert hatten. Ein Eilantrag des Betriebsrats bzw. dessen Vorsitzenden auf ungehinderten Zugang war in erster Instanz erfolgreich, sodass die Arbeitgebe-rin Beschwerde einlegte. Das Landesarbeitsgericht (LAG) wies die Beschwer-de zurück. In dem Hausverbot erkannte das LAG eine Behinderung der Be-triebratsarbeit. Entsprechend den Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes dürften Betriebsratsmitglieder in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Eine Ausnahme sei bei erheblicher Pflichtverletzung möglich. Dann habe der Arbeitgeber jedoch selbst einen Antrag auf vorläufige Untersagung der Ausübung des Betriebsratsamtes beim Arbeitsgericht selbst zu stellen. Bei der Bewertung komme es dabei nicht auf die strafrechtliche Betrachtung an, sondern darauf, ob eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwi-schen den Betriebsparteien unzumutbar beeinträchtigt sei. Das LAG merkte an, dass selbst, wenn es eine solchen Antrag gegeben hätte, hier eine erheb- liche Störung nach den Fallumständen nicht festzustellen sei.

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Reiserecht………………………………………………………………….

Amtsgericht: Doppelzimmer kann auch vier Schlafgelegenheiten haben

20.9.2023

Die Definition eines Doppelzimmers ist nicht immer eindeutig. Das Amtsge-richt München hat im Urteil vom 31.Mai 2023 – Az: 242 C 403/23 das Dop-pelzimmer als eine Schlafgelegenheit für vier Personen angesehen, dies ergebe sich aus den Umständen. Eine Klage auf Minderung des Reisepreises wies das Amtsgericht (AG) ab.

Bei der Buchung eines Italienaufenthaltes für acht Personen habe die Organi-satorin der Reisegruppe angenommen, vier Doppelzimmer reserviert zu haben. Die Reisenden wollten deshalb die Hälfte des Reisepreises zurück haben. Die Klage hatte keinen Erfolg. Das AG München nahm hier einen versteckten Dis-sens an. Weder die Organisatorin der Reisegruppe noch das Hotel hätten vor Beginn der Reise bemerkt, sich nicht geeinigt zu haben. Die Reservierungsbe-stätigung habe keine Klarheit in der Sache gebracht. Die Zimmeranzahl sei nicht angegeben, sondern nur das Wort „Doppelzimmer“ habe Verwendung ge-funden. Der Vertrag scheitere an sich an der fehlenden Einigung. Vorliegend hätten die Reisenden jedoch in den ihnen angebotenen zwei Doppelzimmern übernachtet und die Reise nicht etwa vorzeitig abgeborchen. Daher ist davon auszugehen, dass die Parteien den Vertrag auch ohne Einigung über die Zim-merzahl geschlossen hätten. Die Regelungslücke sei durch dispositives Recht oder, wenn das vorliegend nicht weiterführte, durch ergänzende Vertragsaus-legung zu schließen. Der Deutsche Hotel- u. Gaststättenverband definiert ein Doppelzimmer als ein „Zimmer mit Schlafgelegenheiten für zwei Personen in einem Doppelbett oder zwei längsseits aneinander gefügten Einzelbetten.“ Mit mehr als zwei Personen zu belegenden Zimmer werden – so das AG – als „Mehr bettenzimmer“ oder „Doppelzimmer mit Zustellbetten“ geführt. Es sei jedoch auch nicht unüblich, dass Doppelzimmer ohne Erwähnung dieser Begriffe für mehr als zwei Personen genutzt werden. Im vorliegenden Fall ergebe sich aus den Umständen und gerade aus dem Reisepreis, dass nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nur ein Zimmer für je vier Personen  geschuldet sein könn-te. Die Reisenden hätten für eine achttägigen Aufenthalt in einem Vier- Sterne-Hotel mit Vollpension 5 184 Euro gezahlt – pro Person weniger als 100 Euro pro Nacht. Dies sei für ein Vier-Sterne-Hotel der Landeskategorie mit All-inklu sive-Leistung sehr niedrig. Dieses Umstand wertet das Gericht zugunsten des Hotels. Es sei daher davon auszugehen, dass bei einem solchen Preis nur ein Zimmer je vier Personen gebucht sein solle. Für die Reisenden standen also entsprechende Zimmer zur Verfügung, laut dem AG gebe es keinen Reiseman-gel. Eine Reisepreisminderung sei abzulehnen.

 

Oberlandesgericht: Unzulässigkeit sofortiger Beschwerde gegen Bestellung eines Prozesspflegers für GmbH

21.9.2023

Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) Bremen hatte sich mit der Statt-haftigkeit der sofortigen Beschwerde gegen die Bestellung eines Prozesspfle-gers einer GmbH zu befassen. Dabei liess es das OLG im Beschluss vom 21.Ju-ni 2023 – Az: 2 W 31/23 offen, ob eine Verletzung des grundrechtlich geschütz-ten Anspruchs auf rechtliches Gehör geeignet ist, die ausnahmsweise Statthaf-tigkeit einer sofortigen Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung zu be-gründen, gegen die der Gesetzgeber ein Rechtsmittel nicht vorgesehen hat.

Der Nebenintervenient wendet sich gegen die Bestellung eines Prozesspflegers für die Beklagte. Die Klägerin ist Mitgesellschafterin und Mitgeschäftsführerin der beklagten Unternehmergesellschaft. Der Nebenintervenient ist der einzige weitere Gesellschafter und weitere Geschäftsführer der Beklagten. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Nichtigkeitsfeststellung diverser auf einer Gesell schafterversammlung vom 16.September 2022  getroffenen Gesellschafterbe-schlüsse, mit denen die Klägerin als Geschäftsführerin abberufen wird und der verbliebene Geschäftsführer, der Nebenintervenient, angewiesen wird, Stamm-einlagen beizutreiben und die Klägerin auf Rückzahlung verschiedener Zahlun-gen sowie auf Auskunftserteilung in Anspruch zu nehmen. Bereits mit Klageer-hebung beantragte die Klägerin die Bestellung eines Prozesspflegers, weil die Beklagte in Ermangelung eines neben der Klägerin allein vertragsberechtigten Geschäftsführers ohne gesetzlichen Vertreter sei. Das Landgericht (LG) be-stellte einen Rechtsanwalt zum Prozesspfleger der Beklagten und stellte die Klage dem Prozesspfleger zu; dieser nahm die Klage am 31.März 2023 als zu-gestellt entgegen. Der Nebenintervenient trat dem Rechtsstreit bei und bean-tragte Klageabweisung. Zugleich legte er gegen die Bestellung des Prozesspfle-gers sofortige Beschwerde ein. Vom Nebenintervenienten wird beanstandet, dass er vor Bestellung des Prozesspflegers hätte gehört werden müssen. Das OLG hat die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen, da sie nicht statt-haft ist. Gem. § 567 Abs.1 S.1 Nr.1 Zivilprozessordnung (ZPO) ist die sofortige Beschwerde statthaft gegen im ersten Rechtszug ergangene Entscheidungen der Landgerichte, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht. Die Regelungen zur Bestellung eines Prozesspflegers, die hier Gegenstand der Beschwerde ist, sehen eine solche Anfechtbarkeit der Bestellungsentscheidung nicht vor. Fer-ner ist die sofortige Beschwerde nach § 567 Abs.1 Nr.2 ZPO statthaft, sofern in einer Entscheidung, die keine mündliche Verhandlung erfordert, ein das Ver- fahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist. Auch dies ist im Fall der Bestellung eines Prozesspflegers regelmäßig nach § 57 ZPO nicht erfüllt. Zwar handelt es sich um bei dem Antrag auf Bestellung eines Prozesspflegers um ein Gesuch i. S. des § 567 Abs.1 Nr.2 ZPO, jedoch ist eine sofortige Be-schwerde nur gegen Ablehnung eines solchen Gesuchs eröffnet, nicht aber auch für den Fall, dass dem Gesuch des Antragstellers stattgegeben wurde. Auch wenn der Betroffene sich gegen eine solche Maßnahme wendete und ei-nen Abweisungsantrag stellte, liegt in dessen Nichtberücksichtigung keine Ab-lehnung eines Gesuchs i. S. d. § 567 Abs.1 S.2 ZPO, so dass die sofortige Be-schwerde gegen die Bestellung eines Prozesspflegers regelmäßig unstatthaft ist. Die sofortige Beschwerde gegen eine Prozesspfleger bestellung ist auch nicht ausnahmsweise statthaft, weil das LG Verfahrensgrundrechte der Beklagten verletzt hat. Zwar liegt hier eine Gehörsverletzung vor. Der Akte ist nicht zu entnehmen, dass die Kammer für Handelssachen die Beklagte vor Erlass des Beschlusses vom 24.März 2023  angehört oder ihr auch nur den Antrag über-mittelt hätte. Die Beklagte führt eine Geschäftsanschrift, an die eine solche Zuschrift hätte gerichtet werden können. Eine Anhörung der Beklagten war auf keinen Fall deshalb entbehrlich, weil die Klägerin ausführt, dass die Beklagte nicht gesetzlich vertreten sei. Vielmehr muss der Gegner Gelegenheit haben, zu dieser Darstellung Position beziehen zu können. Es könne jedoch offen blei- ben, ob eine Verletzung  des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf recht-liches Gehör geeignet ist, die ausnahmsweise Statthaftigkeit einer sofortigen Beschwerde gegen Zwischenentscheidungen zu begründen, gegen die der Ge-setzgeber ein Rechtsmittel nicht vorgesehen hat. Denn für eine verfassungs-rechtlich veranlasste gesetzeserweiternde Auslegung der Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde gegen die Bestellung eines Prozesspflegers besteht zu-nächst in einer Konstellation wie hier kein hinreichender Anlass, da die Be-stellung des Prozesspflegers für das weitere Verfahren nicht bindend ist und die hier betroffene Partei jederzeit  die Überprüfung dieser Bestellung begeh-ren kann.

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Landgericht: Sehbehinderte hat Anspruch auf Klageschrift als Audiodatei  22.9.2023

Sehbehinderten Menschen sollen im Gerichtsverfahren Schriftsätze barriere-frei zugänglich gemacht werden – hat das Landgericht (LG) München I im Be-schluss vom 12.September 2023 – Az: 14 T 9699/23 dargelegt. Eine fast blinde Mieterin, die der Brailleschrift nicht mächtig war, obwohl durch Anwalt ver-treten, hat das Recht, die Dokumente als Audiodatei zu bekommen.

Eine fast blinde Mieterin sollte ihre Wohnung räumen. Sie empfing gleich drei Kündigungen, eine wegen Eigenbedarfs und anschließend zwei wegen Zah-lungsverzugs. Weil sie wegen einer Augenkrankheit funktional erblindet war, beantragte sie die Zustellung der gerichtlichen Schreiben des Prozessgegners als Audiodatei. Die Blindenschrift könne sie nicht. Anders als das Amtsgericht hat das LG München I sich auf § 191a Abs.1 u. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) i. V. m. § 4 Zugänglichmachungsverordnung – ZMV bezogen, wonach sehbehinderte Personen Anspruch darauf haben, dass ihnen die Dokumente barrierefrei zugänglich seien. Blinde Prozessbeteiligte sollen in der Lage sein, ihre eigenen Rechte wahrzunehmen. Dieser Anspruch habe unanhängig von der Schriftsatzlänge und Komplexität Geltung. Das Landgericht München I hat gegen den Beschluss vom 12.September 2023 – Az: 14 T 9699/23 die Rechtsbe-schwerde  zum Bundesgerichtshof zugelassen.

 

D & O-Versicherung: Ex-Vorstandsvorsitzender eines insolventen Zahlungs-dienstleisters nimmt Berufung zurück

23.9.2023

Auf dem Klageweg wollte der Ex-Vorstandsvorsitzende des insolventen Zah-lungsdienstleisters W. AG ,Dr. B., die schweizerische Versicherungsgesellschaft Sw. zur Zahlung von 10 Millionen Euro verpflichten lassen. Das Landgericht Düsseldorf wies mit Urteil vom 15.Juli 2023 – Az: 9 0 154/23 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zustück und stellte dabei insbesondere auf eine im Versicherungsvertrag (D & O-Versicherung) festgelegte Serien schadensklausel ab. Entsprechend dieser Klausel werden alle Versicherungs-fälle, denen dieselbe Pflichtverletzung zugrunde liegt, zu einem Fall zusammen geführt und gelten als eingetreten, wenn die erste Inanspruchnahme erfolgt (wir berichteten). Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Ex-Managers vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf scheiterte ebenso. Der OLG-Se-nat geht in einem (Kosten-)Beschluss vom 20.September 2023 – Az: 4 U 117/23 auch davon aus, dass keine Erfolgsaussicht für Dr. B. bestehe. Eine summa-rische Prüfung des Vertrags habe deutlich gemacht, dass ein Versicherungsfall wegen der Ausschlussklausel nicht bestehe. B. habe auch keinen Anspruch auf eine einstweilige Verfügung, da rd. 3 Jahre vergangen seien seit die Versiche-rungsgesellschaft die Leistung verweigert hatte und B. nach wie vor kein Haupt sacheverfahren dagegen angestrengt habe – so das OLG. Wie einer Pressemittei lung des Gerichts zu entnehmen ist, hatte der Ex-Vorstandsvorsitzende der W. AG schon am 15.August 2023 seine Berufung zurück genommen. Mit der Rück nahme der Berufung durch B. ist das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 15.Juli 2023 – Az: 9 0 154/23 rechtskräftig. Dr. B. befindet sich seit mehr als drei Jahren in U-Haft, wie berichtet läuft gegen ihn in München ein Strafpro-zess in Zusammenhang mit der Insolvenz der W. AG.

Quelle: sts/LTO Redaktion, Markus Braun nimmt Berufung zurück, LTO Legal Tribune Online (www.lto.de) 22.09.2023

 

Oberlandesgericht zu Hausverkauf nach Scheidungsantrag – Schwiegertochter muss räumen

21.9.2023

In einem laufenden Scheidungsverfahren hatte ein Ehepartner sein Haus an seine Mutter verkauft. Nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg vom 10.August 2023 – Az: 7 UF 312/23 muss die Schwiegertochter das Grundstück verlassen. Die familienrechtliche Sonderregelung zur Über-lassung der Ehewohnung habe gegenüber der Mutter des Ehepartners keine Geltung.

Ein von seiner Frau getrennt lebender Herr, der hoch verschuldet ist, verkaufte sein Einfamilienhaus zur Vermeidung einer Zwangsversteigerung an seine Mut ter, nachdem er die Scheidungsunterlagen eingereicht hatte. Das Haus bestand aus 6 Wohnräumen, mehreren Bädern, rd. 300 Quadratmetern Garten und 60 Quadratmetern Hoffläche, das einst gemeinsam von dem Paar bewohnt wor-den war. Der Herr war mittlerweile ausgezogen, seine Ehepartnerin lebte in dem Haus ohne Vertrag mit dem gemeinsamen (erwachsenen) Sohn und meh-reren Katzen mietfrei; nur ein Teil der Nebenkosten trug sie. Bei einem Notar liess das Paar einige Jahre vorher einen Ehe- u. Erbvertrag beurkunden. Der Ehepartner dürfe danach über sein ganzes Vermögen allein verfügen. Die Mut-ter als neue Eigentümerin des Hauses forderte ihre Schwiegertochter vergeb-lich auf, das Areal zu räumen und herauszugeben. Nunmehr verklagte die Schwiegermutter sie und hatte vor dem OLG Nürnberg zum großen Teil Erfolg. Die Voraussetzungen des § 985 BGB lägen vor, weil die Schwiegermutter die neue Hauseigentümerin sei. Ihr Sohn habe das Anwesen an sie wirksam ver-kauft. Schließlich könne er über sein ganzes Vermögen verfügen, § 1365 BGB. Das laufende Scheidungsverfahren habe keinen Einfluss auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis – so der OLG-Senat. Der Vorrang der familienrechtlichen Bestimmungen zur Überlassung der Ehewohnung vor einem Herausgabean-spruch aus § 985 BGB gilt allerdings nur im Verhältnis der Ehegatten (oder Lebenspartner) untereinander. Die Schwiegermutter sei vorliegend an keine Sonderrechte aus dem Familienrecht gebunden. Sie beträfen auch nur die Überlassung zur Benutzung; unberührt blieben davon die Eigentumsverhält-nisse. Das OLG hielt es für angemessen, die vom Amtsgericht angesetzte Räu-mungsfrist von 5 1/2 Monaten um zwei weitere Monate zu verlängern (§ 721 Abs.1 S.1 Zivilprozessordnung – ZPO i. V. m. § 113 Abs.2 Gesetz über das Ver-fahren in Familiensachen u. in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichts-barkeit – FamFG).

 

 

 

 

 

ES   FOLGEN   WEITERE   BERICHTE   ÜBER   URTEILE   DER

INSTANZENGERICHTE

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Oberlandesgericht: Jagdpacht stellt Fixgeschäft dar

19.9.2023

Bei einer Jagdpacht handelt es sich um ein Fixgeschäft. Kommt es zu einer un-berechtigten Kündigung seitens des Verpächters kann deshalb im Wege der Naturalrestitution  nicht das Nachholen des dem Pächter entgangenen Zeit-raums als Schadensersatz verlangt werden – erklärte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Urteil vom 26.Juli 2023 – Az: 30 U 278/22.

Die Parteien hatten am 15.Februar 2017 einen Pachtvertrag über ein Jagdrevier abgeschlossen. Die Pacht betrug je Pachtjahr 6 152 Euro. Vereinbart war eine Gesamtlaufzeit von fünf Jahren, also bis zum 31.März 2022. Dem Jagdpacht-vertrag war in § 15 (1/d) zu entnehmen: „Der Verpächter kann den Pachtver-trag fristlos kündigen, wenn der Pächter  die festgelegten bzw. vereinbarten Abschüsse nach dem Abschussplan nicht erfüllt.“ Am 6.März 2020 wurde dem Kläger ein anderes Jagdrevier angeboten, da er bisher die Abschussziele nicht erreicht hatte. Dies lehnte der Kläger jedoch ab, weil er in den letzten drei Jah-ren die Abschussziele verfehlt habe. Nachdem der Kläger die Abmahnung zu-rückgewiesen hatte, wurde diese mit Schreiben vom 20.Mai 2020 noch einmal bestätigt und ihn für den Fall, dass der Mindestabschuss im laufenden Jagd-jahr wieder nicht erreicht wurde, die Kündigung angedroht. Mit Schreiben vom 20.Oktober 2020 erklärte das beklagte Land dem Kläger gegenüber die Kündi-gung des Jagdpachtvertrags zum 31.März 2021 und forderte ihn mit Schreiben vom 28.Dezember 2020 zur Entfernung der in seinem Eigentum stehenden jagdlichen Einrichtungen auf. Der Kläger war der Meinung, die Kündigung sei bereits deshalb unwirksam, da sie vor Ablauf des laufenden Jagdjahres ausge-sprochen worden sei. Er meinte, dass sowohl die Abmahnung als auch die Kün digung gegen das Gebot von Treu und Glauben verstießen. Der Kläger forderte gerichtlich die Feststellung, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam sei. Weiterhin beantragte er, das beklagte Land zu verurteilen, nach rechtskräf-tigem Abschluss des vorliegenden Verfahrens ohne sonstige zwischenzeitliche Jagdausübung im Revier, dieses ihm für ein volles Jagdjahr zu dem im Vertrag vom 15.Februar 2017 getroffenen Vereinbarungen zur Jagdausübung zur Verfü gung zu stellen. Das Landgericht (LG) hat die Klage abgewiesen. Das OLG Hamm hat die Entscheidung im Berufungsverfahren bestäigt. Bezüglich der Feststellungsklage fehlte hier das notwendige rechtliche Interesse i. S. d. § 256 Abs.1 Zivilprozessordnung (ZPO). Sofern der Kläger mitgeteilt hatte, dass er die Feststellung  in Hinblick auf die von ihm geforderte (erneute) Überlassung des Jagdreviers begehre, ließ sich den Ausführungen ein schutzwürdiges Fest-stellungsinteresse nicht erkennen. Ein Anspruch auf Schadensersatz, mit dem vom Kläger dargelegten Inhalt, gibt es hier nicht. Die Kündigung war zwar un-wirksam, denn das etwaige Verfehlen der Abschusszahlen in den früheren Jah-ren vermochte die Kündigung nicht zu rechtfertigen. Dies war schon Gegen-stand der – im übrigen nach §§ 581 Abs.2, 543 Abs.3 S.1 BGB erforderlichen – vorherigen Abmahnung vom 8.Mai 2020, in der dem Kläger die Vertragskündi gung „bei erneutem Nichterreichen des Mindestabschusses“ angedroht worden war. Damit war das mögliche Fehlverhalten aber „verbraucht“. Zudem kann ei-ne fristlose Kündigung auch nur auf eine vergleichbare Pflichtverletzung ge-stützt werden, die (erst) nach der Abmahnung begangen wird. Anderenfalls wäre das Erfordernis einer vorherigen Abmahnung schlicht sinnlos, denn diese soll dem Schuldner sein Fehlverhalten aufzeigen und ihn zu zukünftigen ver-tragsgemäßen Verhalten anhalten. Zum anderen führte das beklagte Land als Rechtfertigung für die Kündigung an, dass der Kläger die erforderliche Anzahl von Abschüssen an Rehwild gemäß Jagdpachtvertrag auch in der zur Zeit der Kündigung laufenden Jagdjahr 2020/2021 nicht erfüllt habe. Im Zeitpunkt der Kündigung am 20.Oktober 2020 war das Jagdjahr 2020/2021 aber noch gar nicht abgeschlossen. Es lief vielmehr noch bis Ende März 2021. Trotzdem konnte der Kläger die Wiedereinräumung der vertraglichen Rechte für die Dauer der entgangenen Pachtzeit nicht verlangen, zwar war er im Zeitraum nach dem 31.März 2021  an der Jagdausübung gehindert und ihm war in der Zeit vom April 2021 bis einschließlich März 2022 – dem regulären Ende der Pachtzeit – mithin ein Jahr Pachtgebrauch entgangen. § 249 BGB gewährt je-doch als Rechtsfolge im Zuge der Naturalrestitution nicht die Nachholung ei-ner abgelaufenen Pachtzeit. Bei einer Jagdpacht handelt es sich um ein Fix-geschäft. Im Fall einer unberechtigten Kündigung seitens des Verpächters könne deshalb im Zuge der Naturalrestitution nicht das Nachholen des dem Pächter entgangenen Zeitraums als Schadensersatz gefordert werden.

Bundesfinanzhof: Anwalt darf nicht seinen Mandanten zitieren

19.9.2023

Rechtsmittelschriftsätze sind vom Rechtsanwalt selbst anzufertigen. Daran fehlt es nach dem Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25.Juli 2023 – Az: VIII B 27/22, wenn der Bevollmächtigte die Begründung in Zitatform mit unverändertem Schriftsatz des Mandanten einreicht und dabei noch hervor-hob, dass die Begründung ausschließlich von der von ihm vertretenen Partei stamme.

Im vorliegenden Fall hatte ein Steuerpflichtiger drei Versuche unternommen, um eine Nichtzulassungsbeschwerde zu begründen. Zuerst war er selbst tätig geworden. Die zweite – wiedergegeben als unverändertes „Zitat“ des Mandan-ten mit dessen Begründung – wird von seinem jetzigen Anwalt mitgeteilt. Um keine Zweifel aufkommen zu lassen, er – der Anwalt – habe diesen Schriftsatz nicht verfasst, es sei „ausschließlich“ die Begründung seines Mandanten. Da-nach ging ein weiterer Schriftsatz der ehemaligen Bevollmächtigten beim Ge-richt ein, die vorher das Mandat niedergelegt hatte. Sie zählte pauschal den ganzen Katalog des § 115 Abs.2  der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf. Ihr Mandant gehe davon aus, dass die Revision aus diesen Gründen zuzulassen sei. Der BFH lehnte die Nichtzulassungsbeschwerde ab. Die Begründung sei als unzulässig anzusehen. Keine der (drei) eingereichten Schriftsätze sei form-wirksam. Der Steuerpflichtige könne sich nach § 62 Abbs.4 FGO  vor dem BFH nicht selbst vertreten und die Begründungen der Anwältin/Anwälte seien nicht von diesen selbst verfasst noch selbst verantwortet worden. Die Nichtzulas-sungsbeschwerde ist von den Prozessbevollmächtigten eigenständig zu erstel- len – machte das höchste deutsche Finanzgericht deutlich.

Bundesgerichtshof über die Ersatzeinreichung – Glaubhaftmachung der Störung im zweiten Schriftsatz gestattet

16.9.2023

Der Grund für eine Ersatzeinreichung muss möglichst zeitgleich mit der Übermittlung glaubhaft gemacht werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat auch die Darlegung in einem gesonderten Schriftsatz  am selben Tag, den letzten Tag einer laufenden Frist als „gleichzeitig“ und damit rechtzeitig im Urteil vom 25.Juli 2023 – Az: X ZR 51/23 angesehen.

Eine Patentinhaberin hatte Berufung gegen die teilweise Nichtigerklärung ihres gewerblichen Rechtschutzes eingelegt. Die Rechtsmittelschrift ihres Rechtsanwalts ging am 20.April (dem Tag des Ablaufs der Rechtsmittelfrist) um 15.15 Uhr per Telefax beim BGH und am gleichen Tag um 20.09 Uhr ging ein weiteres Fax ein. In dem Fax wurde genauestens erklärt, dass der Bevoll-mächtigte die Berufungsschrift angesichts einer Störung beim elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) nicht über das besondere elek-tronische Anwaltspostfach (beA) habe einreichen können. Der zuständige X. Zivilsenat des BGH hat diese Glaubhaftmachung der Störung als Vorausset-zung der Ersatzeinreichung als rechtzeitig angesehen, selbst wenn diese in zwei Schriftsätzen geschehen waren. Eine Frist für die Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels dürfe grundsätzlich bis zum Ende des betreffenden Tages ausgeschöpft werden. Beide Schriftsätze sind – so der BGH – noch innerhalb der laufenden Frist eingegangen. Der BGH-Senat hat erklärt, dass – anders als von der Gegenseite verlangt – die Berufungsschrift nicht gemeinsam mit der Erläuterung gefaxt werden müsse. Dies sei eine reine Förmelei, weil die Be-rufungsschrift dem Senat schon vorgelegen habe. Das Gericht war nach anwaltlicher Versicherung – unter Beachtung der Screenshots – davon über-zeugt, dass zwei der Anwälte der Patentinhaberin am 20.April zwischen 12:56 Uhr und 18:34 Uhr insgesamt zwölfmal versucht hatten, die Berufungsschrift per beA  zu übersenden und dass alle Übermittlungsversuche mit Fehlermel-dung negativ ausgingen. Der Umstand, dass auf der Internetseite des EGVP eine Störungsmeldung mit „offenem Ende“ bekannt gemacht wurde, wonach (unter anderem) die Bundesgerichte seit dem 19.April  um 14:12 Uhr „vorläufig nicht erreichbar“ seien, belege dies außerdem.

Finanzgericht zur Anwendung von § 175b AO bei Veranlagungsfehler

20.9.2023

Ein Steuerbescheid kann bei fehlerhafter Berücksichtigung elektronisch über-mittelter Daten nach § 175b Abgabenordnung (AO) unabhängig von der Feh-lerquelle und damit auch dann geändert werden, wenn der Fehler auch bei Vorlage einer Bescheinigung in Papierform aufgetreten wäre – so das Finanz-gericht (FG) Münster im Urteil vom 14.August 2023 – Az: 8 K 294/23 E.

Im Kalenderjahr 2018 erhielt der Kläger eine Abfindung. Der Arbeitgeber hatte die Abfindung in der elektronisch übermittelten Lohnsteuerbescheinigung im Bruttoarbeitslohn berücksichtigt. Der Kläger trug die Abfindung in der Einkom mensteuererklärung ein, kürzte allerdings den Bruttoarbeitslohn um den Abfin dungsbetrag. Das Finanzamt prüfte die Voraussetzungen der ermäßigten Be-steuerung der Abfindung durch Anforderung weiterer Unterlagen. Im Steuerbe scheid beachtete das Finanzamt den (erklärungsgemäß) gekürzten Bruttoar-beitslohn. Das Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung wies darauf hin, dass die Daten der elektronischen Lohnsteuerbefreiung von den erklärten Werten abweichen. Die Sachbearbeiterin zeichnet den Hinweis als geprüft ab. Das Finanzamt wurde verwaltungsintern darauf hingewiesen, dass durch die bisherige Veranlagung die Abfindung im Ergebnis der Besteuerung entzogen worden sei. Daraufhin wurde der Steuerbescheid geändert. Die dagegen gerich tete Klage vor dem FG Münster blieb erfolglos. Die Änderungsbefugnis nach § 175b AO sah das Gericht als gegeben an. Ein Steuerbescheid ist demnach auf-zuheben oder zu ändern, sofern von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Fi-nanzbehörde übersandte Daten i. S. d. § 93c AO bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend einbezogen wurden. Dies sei in diesem Fall zutreffend. Es sei nicht ausschlaggebend, worauf die unzutreffende Auswertung beruhe. Die Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Az: IX R 20/23 anhängig.

Quelle: Haufe Online Redaktion, Anwendung von § 175b AO bei einem Veran-lagungsfehler, www.haufe.de  NEWS 18.09.2023

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