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Bundesgerichtshof zur unmittbaren Gläubigerbenachteiligung durch Veräußerung eines Vermögensgegenstands

21.4.2024

Führt die Veräußerung eines Vermögensgegenstands zu einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung, stellt dies ein eigenständiges Beweisanzeichen für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung dar. Ficht der Insolvenzverwalter sowohl das Verpflichtungs- als auch das davon getrennt und zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommene Erfüllungsgeschäft mit dem einheitlichen Rechtsschutzziel der Rückgewähr des zur Erfüllung Geleisteten an, handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände und der Insolvenzverwalter hat zu bestimmen, in welcher Reihenfolge er die Ansprüche geltend machen kann - führt der Bundesgerichtshof (BGH) im Urteil vom 22.Februar 2024 - Az: IX ZR 226/20 aus.

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Fremdantrag vom 7.August 2017 am 1.November 2017 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH (Schuldnerin). Er verlangt die Rückübertragung des Eigentums an mehreren Grundstücken, die ursprünglich im Eigentum der G. GmbH & Co. KG (G.) standen. Am 1.März 2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. eröffnet und ebenfalls der Kläger zum Verwalter bestellt. Seinerzeit lastete auf den Grundstücken eine Gesamtgrundschuld  i. H. v. 3,5 Millionen Euro (zzgl. 15 Prozent Zinsen und einer einmaligen Nebenleistung von 5 Prozent), die im Zeitpunkt dieser Verfahrenseröffnung noch i. H. von gut 3 Millionen Euro valutierte. Nach vom Kläger eingeholten Gutachten lag der Ver-kehrswert der Grundstücke zum Stichtag 28.Dezember 2009 unter der Voraussetzung der Altlastenfreiheit bei insgesamt 4,248 Mio. Euro. Ob es wert-mindernde Altlasten gibt, ist zwischen den Parteien streitig. Mit Vertrag vom 26.Juli 2010 (Unternehmenskaufvertrag) veräußert der Kläger als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. deren wesentliche Vermögensgegenstände an die Schuldnerin, die Teil einer indischen Unterneh-mensgruppe war. Zu den wesentlichen Vermögensgegenständen zählten auch die streitbefangenen Grundstücke, auf die ein Gesamtkaufpreis von 2,5 Mio. Euro entfiel. Dieser Teil des Kaufpreises sollte in vier Raten zu jeweils 625 000 Euro gezahlt und i. H. v. 1,25 Mio. Euro zur Ablösung der Grund-schuld an die Grundschuldgläubigerin weitergeleitet werden. Die Schuldnerin zahlte die ersten beiden Raten. Danach kam sie ihren Verpflichtungen nicht mehr nach. Zunächst blieb die am 1.Januar 2023 fällige dritte Rate offen. Am 26.April ließ sich der Kläger als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. eine vollstreckbare Ausfertigung der notariellen Urkunde erteilen. Ebenfalls am 26.April 2013 veräußerte die Schuldnerin die Grund-stücke zu einem Preis von 1,25 Mio. Euro an die Beklagte, eine auf Mauritius ansässige Gesellschaft (Grundstückskaufvertrag). Der Kaufpreis sollte direkt auf das Treuhandkonto des Notars gezahlt werden, der den Unternehmenskaufvertrag beurkundet hat. Zugleich vereinbarte die Schuldnerin mit der Be-klagten, dass die Schuldnerin die Grundstücke von der Beklagten zu einem Preis i. H. v. 40 000 Euro netto monatlich zum Zwecke der Beriebsfortfüh-rung zurückmieten sollte. Im Zeitpunkt der Veräußerung war die Schuldnerin weder als Eigentümerin der Grundstücke eingetragen noch die Grundschuld gelöscht. Am 25.Juni 2013 beantragte der Kläger, wiederum als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der G., auf der Grundlage der vollstreckbaren Urkunden ein vorläufiges Zahlungsverbot. Am 3.Juli 2013, die vierte Kaufpreisrate war seit dem 1.Juli fällig, vereinbarte er mit der Schuld nerin und einer indischen Gesellschaft, dass der ausstehende Kaufpreis i. H. v. 1,25 Mio. Euro in monatlichen Raten von 100 000 Euro ab dem 1.Au-gust 2013 auf das Treuhandkonto des Notars gezahlt werden sollte, der den Unternehmenskaufvertrag beurkundet hatte. Die Zahlung der restlichen 1,25 Mio. Euro geschah dann per Ratenzahlungen bis zum 30.Juli 2014. Die Beklagte selbst zahlte davon nur 49 800 Euro (abzgl. Bankgebühren) und zwar nachdem die Schuldnerin ihr 50 000 Euro überwiesen hatte. Die weiteren Teilzahlungen erbrachte eine auf Mauritius anässige Gesellschaft, die mit der Schuldnerin durch einen Darlehnsvertrag verbunden war (Darlehnsgeberin), und die Schuldnerin selbst. Die Parteien streiten darüber, inwiefern die Zah-lungen der Beklagten jedenfalls wirtschaftlich zuzurechnen sind. Am 15.September 2014 wurde die Schuldnerin als Eigentümerin der Grundstücke einge tragen. Am selben Tag erfolgte die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten der Beklagten. Am 29.Oktober 2024 wurde die Beklagte als Eigen-tümerin der nunmehr lastenfreien Grundstücke eingetragen. Die vereinbarte, ab dem Tag des Besitzübergangs auf die Beklagte fällige Miete i. H. v. 40 000 Euro monatlich für die (Weiter-)Nutzung der Grundstücke zahlte die Schuldnerin zu keinem Zeitpunkt. Am 18.Juli 2016 wurde das Insolvenzver-fahren über das Vermögen der G. aufgehoben. Als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin begehrt der Kläger die Rückübertragung der an die Beklagten veräußerten Grundstücke. Er stützt seine Begehren insbesondere auf eine Anfechtung des Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäftes nach §§ 129 ff. Insolvenzordnung (InsO) und auf § 826 BGB. Er behauptet, die Grundstücke seien im Zustand der erkannten Zahlungsunfähigkeit der Schuld-nerin unter Wert an die Beklagte verschoben worden. Die Schuldnerin und die Beklagte hätten kollusiv zum Nachteil der Gläubiger der Schuldnerin zu-sammengewirkt, Landgericht (LG) und Oberlandesgericht (OLG) wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück. Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann eine Anfechtbarkeit gem. § 133 Abs.1 InsO in der auf den Streitfall anwendbaren (Art. 103j Abs.1 EG InsO) ab dem 5.April 2017 geltenden Fassung nicht verneint werden. Das gilt insbesondere für den von § 133 Abs.1 InsO vorausgesetzten Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Der Kläger hat dem Gläubigerbenachteiligungs-vorsatz der Schuldnerin auf Beweisanzeichen gestützt, die in der Art und Weise deren angefochtenen Rechtshandlung und der sie begleitenden Umstände liegen. Die angefochtene Entscheidung hält (auch) insofern rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Kläger hat ausgeführt, die Veräußerung der Grund-stücke durch die Schuldnerin an die Beklagte sei unter Wert erfolgt. Die Veräußerung eines Gegenstands der künftigen Masse unter Wert kann eine un-mittelbare Gläubigerbenachteiligung i. S. v. § 129 Abs.1 InsO begründen, wenn die objektive Gläubigerbenachteiligung ohne das Hinzutreten weiterer Umstände schon mit der Vornahme der Rechtshandlung eingetreten ist. Eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung ist ein eigenständiges - wenn auch für sich genommen nicht ausreichendes - Beweisanzeichen für die subjektiven Voraussetzugen der Vorsatzanfechtung. Der Schluss auf den Gläubigerbe-nachteiligungsvorsatz erfordert eine Gesamtwürdigung der das Rechtsgeschäft begleitenden Umstände. Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann ein Benachteiligungsvorsatz im vorstehenden Sinne nicht verneint werden. Die vom OLG herangezogene, der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 138 BGB entlehnten 90 Prozent-Grenze gilt für die Prüfung des Benachteiligungsvorsatzes nach § 133 Abs.1 InsO nicht. Insbesondere schließt eine Unterschreitung der Grenze den Benachteiligungsvorsatz nicht aus. Zudem ist es für den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin unerheblich, ob die Beklagte den gutachterlich bestimmten Wert kannte. Ausschlaggebend sind vielmehr die Kenntnisse der Schuldnerin. Die Geschäftsleitung der Schuld-nerin kennt den gutachterlich bestimmten Wert von 4,248 Mio. Euro. Denkfehlerhaft ist zudem die Erwägung des OLG, eine Veräußerung unter Wert stehe die von der Beklagten eingegangenen Verpflichtung entgegen, die Grundstücke gegen Zahlung einer monatlichen Miete i. H. v. 40 000 Euro netto an die Schuldnerin zu vermieten. Das OLG unterstellt dabei , der Mietwert der Grundstücke könne oberhalb der vereinbarten Miete gelegen haben. Ein höherer Mietwert würde indes den Verkehrswert der Grundstücke erhöht haben. Richtigerweise deutet die Höhe der vereinbarten Miete auf einen Wert der Grundstücke hin, der den vereinbarten Kaufpreis i. H. v. 1,25 Mio. Euro überstieg. Der angefochtene Beschluss war danach aufzuheben und die Sache an das OLG zurückzuverweisen. Mit der Anfechtung des Grundstückskaufvertrags als auch der hier von getrennt und später vorgenommenen Eigentums-übertragung an den Grundstücken leitet der Kläger ein einheitliches Klagebegehren aus zwei prozessualen Ansprüchen her. Die daraus folgende alternati-ve Klagehäufung ist unzulässig. Der Kläger muss bestimmen, in welcher Reihenfolge er die Ansprüche geltend machen will. Bei der Geltendmachung mehrerer insolvenzanfechtungsrechtlicher Rückgewähransprüche aus unterschiedlichen Lebenssachverhalten handelt es sich auch dann um mehrere Streitgegenstände, wenn diese auf das nämliche Klagebegehren gerichtet sind. Nach der BGH-Rechtsprechung wird der Streitgegenstand durch den Kla-geantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Der Streitgegenstand der Insolvenzanfechtungsklage wird maßgeblich bestimmt durch die jeweils angefoch-tene Rechtshandlung (s. § 129 Abs.1, § 143 Abs.1 S.1 InsO). Deshalb handelt es sich um eine kumulative Klagehäufung, wenn der Verwalter neben-einander die Anfechtbarkeit einer Mehrzahl von Rechtshandlungen geltend macht, seine Klage etwa kumulativ auf die Anfechtung mehrerer Deckungs-handlungen stützt. Daran ändert nichts, wenn der die jeweiligen Anfechtungsvoraussetzungen ausfüllende Lebenssachverhalt z. B. die Zahlungsunfä-higkeit des Schuldners, augenscheinlich derselbe ist. Die Anfechtbarkeit jeder einzelnen Rechtshandlung ist gesondert und bezogen auf den nach § 140 InsO jeweils maßgeblichen Zeitpunkt zu prüfen. Ebenso verhält es sich, wenn mehrere insolvenzanfechtungsrechtliche Rückgewähransprüche geltend ge-macht werden, die auf das nämliche Klagebegehren gerichtet sind. Nur das Rechtsschutzziel ist dann das Gleiche, die Voraussetzungen sind jedoch je-weils gesondert zu prüfen und auch die Folgen der Anfechtbarkeit können voneinander abweichen. So geschieht die Rückabwicklung der aus einem Verpflichtungsgeschäft erbrachten Leistungen zu Gunsten der Insolvenzmasse nach allgemeinen Vorschriften, während sich die Rechtsfolgen der Anfech-tung des Erfüllungsgeschäfts aus § 143 InsO ergeben. Vor diesem Hintergrund darf der Verwalter seiner Klage neben angefochenen Rechtshandlungen nicht alternativ zugrunde legen und damit die Wahl der Prüfungsreihenfolge dem Gericht überlassen.

 


Amtsgericht über Härte einer Matratze - Verkäufer hat ohne Nachfrage nicht aufzuklären

16.4.2024

Der schnelle Kauf einer Matratze sollte unterbleiben. Ist die Matratze zu hart, muss die Käuferin/der Käufer dies hinnehmen. Diese Erfahrung machte eine Dame, die für ihre Tochter eine Matratze mit Härtegrad H 5 erworben hatte. Nach dem Urteil des Amtsgerichts (AG) Hannover vom 30.Januar 2024 - Az: 510 C 7814/23 hat der Verkäufer ohne Nachfrage weder aufzuklären noch zu beraten. Die Tochter habe die Matratze nur kurz getestet (Probeliegen), da-nach war die Entscheidung gefallen. Ihre Mutter kaufte für sie ein Schlafzimmer einschließlich Bett und Matratze, die nach dem Kaufvertrag Härtegrad H 5 hatte. Zuhause empfanden Mutter und Tochter die Matratze als zu hart, sie reklamierten, das Geschäft sollte Bett und Matratze zurücknehmen. Das Möbelhaus lehnte dies ab, die Mutter erklärte daraufhin die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Vor dem AG Hannover hatte die Dame keinen Erfolg (Urteil vom 30.Januar 2024 - Az: 510 C 7814/23). Sie habe das erhalten, was sie gekauft habe, nämlich eine Matratze mit dem Härtgrad H 5. Ein Mangel liege nicht vor - so das AG. Der Verkäufer habe sie auch nicht über den Härtegrad aufklären und beraten müssen. Die Käuferin habe schließlich nicht nach einer Beratung gefragt. Außerdem sei die Mutter zum Kauf entschlossen gewesen, als sie den Verkäufer hinzugezogen habe. Die Vertragspar-teien haben sich nur über den Preis und die Daten der Käufer ausgetauscht. Die Tochter habe nach dem Probeliegen nicht nach dem Härtegrad gefragt (keine Verletzung der Aufklärungspflicht des Verkäufers).


Bundesgerichtshof über die sukzessive Doppelbeauftragung des Maklers

16.4.2024

§ 656c Abs.1 S.1 BGB erlaubt die sukzessive Doppelbeauftragung des Maklers in der Weise, dass zunächst mit einer Partei des Hauptvertrags eine Provision in Höhe der Hälfte der intendierten Gesamtprovision vereinbart wird und danach mit der anderen Partei eine Provision in Höhe der restlichen Hälfte. Im Anwendungsbereich des § 656c BGB ist der Makler gegenüber dem Kunden nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet, über alle Um-stände Auskunft zu erteilen, die für die Entstehung und das Fortbestehen des Provisionsanspruchs von Bedeutung sind. Dem Maklerkunden kann im Falle der von § 656c BGB regulierten Doppeltätigkeit des Maklers diesem gegenüber gem. § 810 Fall 2 BGB ein Anspruch auf Vorlage des mit dem an-deren Maklerkunden abgeschlossenen Maklervertrags zustehen - verdeutlicht der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 21.März 2024 - Az: I ZR 185/22. 

Die Klägerin, ein Maklerunternehmen, erhielt im Juli 2020 vom Verkäufer einen Verkaufsauftrag für eine Doppelhaushälfte. Sie erstellte ein Exposé, das einen Hinweis auf die jeweils vom Verkäufer und Käufer zu zahlende Maklercourtage in Höhe von 3,57 Prozent des Verkaufspreises enthielt. Am 10.Fe-bruar 2021 schlossen der Beklagte und die Klägerin einen Kaufinteressent- / Maklervertrag, in dem die Provision für den Erwerbsfall mit 3,57 Prozent festgelegt wurde und der in seinen AGB den Hinweis auf die Zulässigkeit einer Doppelmaklertätigkeit enthielt. Am 12.März 2021 erwarb der Beklagte von den Mitgliedern der Erbengemeinschaft als Verkäufer die Immobilie zu einem Kaufpreis von 1,28 Millionen Euro. Am 19.April 2021stellte die Klä-gerin der Beklagten eine Rechnung i. H. v. rd. 46 000 Euro für den Nachweis bzw. die Vermittlung der Gelegenheit zum Abschluss des Immobilienkauf-vertrags. Der Beklagte verweigerte die Zahlung. Der Beklagte forderte die Klägerin per E-Mail auf, ihm nachzuweisen, dass alle die Klägerin betreffenden Regelungen nach §§ 656a, 656b, 656c und 656d BGB erfüllt seien und forderte mit mehreren anwaltlichen Schreiben eine Offenlegung des Maklerver-trags mit der Verkäuferseite. Eine solche Offenlegung geschah nicht. Die Klägerin teilte dem Beklagten mit Schreiben  vom 7.Juli 2021 das Datum des Abschlusses des Maklervertrags mit der Verkäuferseite, Provisionssatz, Rechnungsstellung und Geldeingang ohne Vorlage der entsprechenden Unterlagen mit. Das Landgericht (LG) wies die auf Zahlung von Maklerprovision i. H. v. rd. 46 000 Euro nebst Zinsen gerichtete Klage mangels Erfüllung der Urkun-denvorlagepflicht durch die Klägerin als unbegründet ab. Das Oberlandesgericht (OLG)  gab der Klage statt und verurteilte den Beklagten zur Zahlung der Provision nebst Zinsen. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Urteil des OLG auf und wies die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des LG zurück. Sofern sich die Klägerin - wie diese geltend macht - zunächst vom Verkäufer eine Provision in Höhe der Hälfte der intendierten Gesamtprovi-sion von 7,14 Prozent des Verkaufspreises, also 3,57 Prozent, hat zusagenlassen und sodann von den Beklagten eine Provision in Höhe der restlichen 3,57 Prozent, steht dies der Wirksamkeit des mit dem Beklagten geschlossenen Maklervertrags unter dem Gesichtspunkt des § 656c Abs.2 i. V. m. § 656c Abs.1 S.1 und 2 BGB nicht entgegen. Der Provisionsanspruch der Klägerin ist auch nicht wegen Verstoßes gegen § 656c Abs.2 S.2 i. V. m. § 654 BGB verwirkt. Dem Beklagten steht jedoch gegen den etwaigen Provisionsanspruch der Klägerin ein zur Abweisung der Klage führendes Zurückbehal-tungsrecht gem. § 273 Abs.1 BGB zu. Die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien verstoßen nicht gegen § 656c Abs.1 S.1 BGB. Die Klägerin macht geltend, sie habe sich von beiden Parteien einen Maklerlohn in gleicher Höhe, nämlich in Höhe von 3,57 Prozent des Verkaufspreises versprechen las-sen. § 656c BGB erlaubt es im Fall der sukzessiven Doppelbeauftragung des Maklers, zunächst mit einer Partei des Hauptvertrags eine Provision in Höhe der Hälfte der intendierten Gesamtprovision zu vereinbaren und anschließend mit der anderen Partei eine Provision in Höhe der restlichen Hälfte. Die teil-weise vertretene Auffassung, wonach es zum Teil unzulässig sei, dass sich der Makler vom zweiten Vertragspartner nochmals eine Provision in gleicher Höhe versprechen lasse, weil dies dem Halbteilungsgrundsatz zuwider eine Provisionsverdopplung bewirke, verfängt nicht. Eine Deckelung der Höhe der Maklerprovision ist vielmehr der Vertragsfreiheit der Beteiligten überlassen. Eine unangmessene Überhöhung der Provision kann dadurch entgegengewirkt werden, dass bei der Beurteilung der Angemessenheit nach § 655 BGB oder der Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs.2 BGB die Gesamtprovision in den Blick genommen wird. Dem Beklagten steht gegen den von der Klägerin geltenden gemachten Anspruch auf Maklerlohn ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 Abs.1 BGB zu. Zwar ist der dem Beklagten gem. § 242 BGB zustehende Auskunftsanspruch durch Erfüllung untergegangen. Der Beklagte hat je-doch darüber hinaus gem. § 810 BGB Anspruch auf Vorlage des vom Kläger mit dem Verkäufer abgeschlossenen Maklervertrags. Im Anwendungsbe-reich des § 656c BGB ist der Makler gegenüber dem Kunden nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet, über alle Umstände Auskunft zu erteilen, die für die Entstehung und das Fortbestehen des Provisionsanspruchs von Bedeutung sind. Dem Maklerlohn kann im Falle der von § 656c BGB regulier-ten Doppeltätigkeit des Maklers diesem gegenüber gem. § 810 Fall 2 BGB ein Anspruch auf Vorlage des mit dem anderen Maklerkunden abgeschlosse-nen Maklervertrags zustehen. Besteht zwischen dem mit der Klage geltend gemachten Anspruch und dem im Wege der Einrede erhobenen Gegenan-spruch ein Abhängigkeitsverhältnis dergestalt, dass der Gegenanspruch der Überprüfung des mit der Klage verfolgten Anspruchs dient, führt die Aus-übung des Zurückbehaltungsrechts gem. § 273 BGB ausnahmsweise nicht zu einer Verurteilung des Beklagten zur Leistung gegen Empfang der ihm gebührenden Leistung (Erfüllung Zug um Zug) gem. § 274 BGB, sondern zur Abweisung der Zahlungsklage. So verhält es sich, wenn im Falle einer von § 656c BGB regulierten Doppeltätigkeit des Maklers der vom Makler auf Zahlung von Maklerprovision in Anspruch genommenen Maklerkunden der Klage einen ihn gem. § 810 Fall 2 BGB zustehenden Aspruch auf Vorlage des mit der anderen Partei des Kaufvertrags abgeschlossenen Maklervertrags entge-genhält. 


Landgericht zur betreuungsrechtlichen Genehmigung der Kündigung einer Mietwohnung gegen Willen des Betroffenen

18.4.2024

Auch bei der Kündigung einer Wohnung ist nur ausnahmsweise den Wünschen des Betreuten nicht zu entsprechen, sofern die Person des Betreuten oder dessen Vermögen dadurch extrem gefährdet wird und der Betreute diese Gefahr wegen seiner Krankheit oder Behinderung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann oder dies dem Betreuer nicht zuzumuten ist, § 1821 Abs.3 BGB i. V. m. § 1833 Abs.1 S.1 BGB - erklärt das Landgericht (LG) Gera im Beschluss vom 7.März 2024 - Az: 7 T 336/23.

Für den Betroffenen ist seit dem Jahr 2010 eine Betreuung angeordnet. Er verfügt nicht über Vermögen und lebt von einer Altersrente und Wohngeld i. H. v. rd. 1 400 Euro. Am 23.August 2023 hatte der Betreuer die Genehmigung zur Kündigung eines Mietverhältnisses zur Aufgabe von vom Betreuten selbst genutzten Wohnraum beantragt. Dem Antrag war u. a. ein ärztliches Attest der behandelnden Hausärztin beigefügt, wonach bei bestehendem Selbsthilfedefizit eine Rückkehr in die eigene Wohnung aus ärztlicher Sicht nicht möglich sei. Das Amtsgericht (AG) hat den Betroffenen in Anwesenheit der Verfahrenspflegerin persönlich angehört und die Wohnung des Betroffenen besichtigt. Am 26.September 2023 legte der Betreuer ein weiteres ärzt-liches Attest der behandelnden Hausärztin vor, wonach sich der Zustand des Betroffenen zwar stabilisiert habe, dennoch erhebliche gesundheitliche Ein-schränkungen (Gelenkdeformierungen u. spastische Hemiparese) vorlägen. Er schaffe den Weg vom Bett zum Rollstuhl selbständig, weshalb der Rück-kehr in die eigene Wohnung bei guter ambulanter häuslicher pflegerischer Versorgung und rollstuhlgerechter Einrichtung aus ärztlicher Sicht nichts ent-gegenstehe. Die Verfahrenspflegerin nahm daraufhin bezogen darauf Stellung und stimmte der Genehmigung zur Kündigung der Wohnung zu, weil die Rückkehr in diese unmöglich sei. Die Befolgung des Wunsches des Betroffenen würde sowohl in finanzieller als auch in gesundheitlicher Sicht schädlich sein. Das AG hat die Kündigung des Mietverhältnisses gnehmigt. Das LG Gera hat mit Beschluss vom 7.März 2024 - Az: 7 T 336/23 die dagegen gerich-tete Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen. Auch bei der Kündigung einer Wohnung ist nur ausnahmsweise der Wunsch des Betreuten nicht zu entsprechen, sofern die Person des Betreuten oder dessen Vermögen dadurch extrem gefährdet würde und der Betreute diese Gefahr angesichs seiner Krankheit oder Behinderung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann oder dies dem Betreuer nicht zuzumuten ist, § 1821 Abs.3 BGB i. V. m. § 1833 Abs.1 S.1 BGB. Verfahrensrechtlich ist in der Regel ein Sachverständigengutachten zu den Auswirkungen der Wohnungsaufgabe, zum Krankheitsverlauf und den verbliebenen Möglichkeiten selbstständiger Lebensführung einzuholen. Die Anforderungen für die Aufgabe des Wohn-raums durch den Betreuer gegen den Wunsch des Betroffenen lagen hier vor. Dem Wunsch des Betroffenen war durch den Betreuer nicht zu entsprechen, weil dieser dadurch i. S. d. § 1821 Abs.3 Nr.1 BGB i. V. m. § 1833 Abs.1 S.2 BGB gefährdet wäre. Entsprechend dem Ergebnis der gerichtlichen Er-mittlungen würde die Aufrechterhaltung der Wohnung zu einer finanziellen Gefährdung des Betroffenen führen, weil er keine finanzielle Möglichkeit hat, sowohl die Wohnung als auch seinen Pflegeheimplatz oder sonstigen anderen Wohnraum zu finanzieren. Eine Rückkehr des Betroffenen in die Wohnung würde trotz Unterstützung aller ambulanten Dienste zu einer extremen gesundheitlichen Gefährdung führen und ist daher ausgeschlossen. Wegen dieser klinischen Gesamtsymtomatik besteht ein großes Hilfeerfordernis des Betroffenen auch im Sinne einer vollumfänglichen medizinischen und pflegenden Hilfe. Diese kann in der Wohnung des Betroffenen nicht mehr geleistet werden. Der Betreute kann diese Gefahr wegen seiner Krankheit oder Behinde-rung nicht wahrnehmen bzw. nicht mit Einsicht reagieren - so die Kammer des LG. Dies folgert das Gericht auch aus den nachvollziehbare Ausführungen des Sachverständigen.


Bundesgerichtshof über Grundstückskaufvertrag - Verjährungsfrist beginnt mit Fälligkeit

18.4.2024

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 15.März 2024 - Az: V ZR 224/22 zur Verjährung des Anspruchs auf Eigentumsverschaffung beim Grundstückskaufvertrag eine bemerkenswerte Klarstellung zu seiner bisherigen Rechtsprechung getroffen, nämlich wenn der Anspruch nach dem Vertrag nicht sofort fällig ist, beginnt auch die Verjährungsfrist entsprechend später.

Der Verkäufer eines Grundstücks wollte die Löschung einer 2004 ins Grundbuch eingetragenen Auflassungsvormerkung erreichen, weil er den Übertra-gungsanspruch der Käuferin inzwischen für verjährt ansieht. Die Parteien hatten im Kaufvertrag vom 20.August 2004 vereinbart, dass die Käuferin den Antrag auf Auflassung nicht stellen durfte. Die Käuferin zahlte vereinbarungsgemäß einen Teilbetrag von 80 000 Euro des Kaufpreises an. Absicht war, dass der Verkäufer sich ein Ersatzgrundstück kaufen wollte. Zur Zahlung des Restkaufpreises wurde die Käuferin nicht aufgefordert. Erst nachdem der Eigentümer eine Löschungsklage bei Gericht eingereicht hatte, hinterlegte sie den restlichen Kaufpreis zugunsten seiner Tochter. Die Vorinstanzen gaben dem Verkäufer Recht. Der durch die Vormerkung gesicherte Übereignungsanspruch der Käuferin sei verjährt. Die Verjährungsfrist habe mit Abschluss des Kaufvertrags am 20.August 2004 zu laufen begonnen, und Verjährung sei genau zehn Jahre später mit Ablauf des 20.August 2014 eingetreten. Das lehnt der BGH im Urteil vom 15.März 2024 - Az: V ZR 224/22 schon im Ansatz ab. Selbst bei einem Grundstückskaufvertrag im Gegenseitigkeitsverhält-nis beginne die Verjährungsfrist für den Übereignungsanspruch nicht zwingend mit dem Vertragsschluss, sondern mit Fälligkeit des Anspruchs auf Eigen-tumsübertragung. Der für das Grundstücksrecht zuständige V. Zivilsenat des BGH machte deutlich, dass die vom Berufungsgericht angeführte Entschei-dung des BGH-Senats vom 19.Mai 2006 - Az: V ZR 40/05 nicht so zu verstehen sei, dass für Ansprüche aus einem gegenseitigen Vertrag die Verjäh-rung schon mit Vertragsschluss beginnt, ohne dass es auf die Fälligkeit ankäme. Zwar sei auch bei einem Kaufvertrag im Grundsatz des Vertragsschlus-ses für die Anspruchsentstehung auf Eigentumsverschaffung nach §§ 199, 200 BGB und damit für den Beginn der Verjährungsfrist entscheidend. Etwas anderes gelte nur dann, wenn der Anspruch - wie hier - in Anbetracht einer von Anfang an getroffenen vertraglichen Abrede erst später fällig werde. Das Oberlandesgericht (OLG) München habe deshalb erneut zu klären, wann genau der Eigentumsverschaffungsanspruch der Käufer fällig werden sollte - for-derte der BGH-Senat.

Quelle: Redaktion beck-aktuell, ns., Grundstückskaufvertrag: Verjährungsfrist beginnt mit Fälligkeit, rsw.de 17.April 2024


Sozialgericht: Keine Entschädigung für geltend gemachten Impfschaden nach COVID 19-Schutzimpfung

21.4.2024

Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat mit Urteil vom 11.April 2024 - Az: s 32 VE 10/23 eine Klage abgewiesen, mit der die Klägerin einen Anspruch auf Entschädigung für einen Impfschaden nach einer Schutzimpfung gegen COVID 19 mit dem mRNA-Wirkstoff C. des Herstellers Pf./B. geltend gemacht hatte.

Die Klägerin hatte hier vorgetragen, nach der empfohlenen Schutzimpfung gegen COVID 19 an einer Hashimato-Thyreoiditis, einer Small-Fibre-Poly-neuropathie, einem posturalen Tachykardie-Syndrom sowie einem chronischen Erschöpfungssyndrom (ME/CFS) - auch sog. “Post-Vacc-Syndrom” - er-krankt zu sein und die Meinung geäußert, die Erkrankungen seien durch die Impfung hervorgerufen worden. Nachdem das Landesamt für Soziales und Versorgung den von der Klägerin gestellten Entschädigungsanspruch negativ beschieden hatte, wandte sich diese an das SG Cottbus. Die Kammer des SG hat die gesetzlichen Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs als nicht gegeben angesehen. Schon das Vorhandensein und der Umfang einer dauerhaften gesundheitlichen Schädigung sind nicht mit der notwendigen Gewissheit nachgewiesen. Unabhängig davon fehlt es an einem kausalen Zusammenhang zwischen der Schutzimpfung und den behaupteten Gesundheitsschäden. Allein der zeitliche Zusammenhang zwischen der Schutzim-pfung und der Eintritt des geltend gemachten Gesundheitsschadens reichen für einen Kausalitätsnachweis nicht. Der aktuelle Stand der medizinischen Wissenschaft gebe für eine Kausalitätsnachweis zwischen der Corona-Schutzimpfung mit dem mRMA-Wirkstoff C. und einer Polyneuropathie, posturaler Tachykardie und einer Hashimato-Thyreoiditis keine ausreichenden Anhaltspunkte. Im Ergebnis sei daher auf das Medizinische Bulletin des Robert-Koch-Instituts 21/23 und das Bulletin zur Arzneimittelsicherheit des Paul-Ehrlich-Instituts (Ausgabe 2-Juni 2023) Bezug zu nehmen, nach dem es für einen Zusammenhang zwischen der Impfung und den im vorliegenden Fall geäußerten Gesundheitsschäden nach derzeitigem Stand auch keine gesicherten medizinischen Nachweise gebe. Gerade das sog. “Post-Vacc-Syndrom” stelle keinen ausreichenden medizinischen Nachweis dar. Das Urteil des Sozialge-richts Cottbus vom 11.April 2024 - Az: s 32 VE 10/23 ist noch nicht rechtskräftig. Die Kammer des SG ließ auch die Sprungrevision zum Bundessozial-gericht zu.                       


Abgasskandal: Landgericht über unzulässige Abschalteinrichtung in Wohnmobil

17.4.2024

Die juristische Aufarbeitung des Abgasskandals ist um das Urteil des Landgerichts (LG) Bielefeld vom 26.Februar 2024 - Az: 7 O 191/21 reicher. In dieser Entscheidung hatte das LG den Schadensersatzanspruch des Käufers eines Wohnmobils zu prüfen, das mit einem Basisfahrzeug der Marke F. (Hersteller F.-C. Automobiles / heute St.) ausgestattet ist. Das Fahrzeug ist mit einem Multijet-Dieselmotor 2,3 Liter der Abgasnorm EURO 6 versehen. Seitens des Klägers steht der Vorwurf im Raum, dass in dem Wohnmobil unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut sind, u. a. ein Timer, der die Abgas-reinigung nach 21 Minuten enden lässt und ein Thermofenster, in der die Abgasreinigung von der Außentemperatur abhängig bzw. manipuliert ist. Zwischen bestimmten Temperaturen wird die Abgasrückführung nicht reduziert, außerhalb dieses Fensters erfolgt eine Einschränkung der Abgasrück-führung.Der Kläger erwarb das Wohnmobil Ca..on 1447 von Ca. am 3.Juni 2020 mit einem Multijet-Motor 2,3 Liter - EURO 6 - mit einer Leistung von 130 PS zum Kaufpreis i. H. v. 67 414 Euro. Vor dem LG Bielefeld hatte der Kläger Erfolg, es verurteilte F.-C. wegen fahrlässigen Handels nach § 823 BGB. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, das höchste deutsche Zivilgericht hatte den sog. Differenzschadensersatz zwischen 5 und 15 Prozent des Kaufpreises (erstmalig) mit Urteil vom 26.Juni 2023 - Az: VIa ZR 335/21 u. a. eingeführt, hat das Gericht F-C. Automobiles zu ei-nem Schadensersatz i. H. von 6 741,40 Euro verurteilt (10 Prozent des Kaufpreises). Das Gericht sah das Thermofenster als unzulässige Abschaltein-richtung an. Von einem vorsätzlichen sittenwidrigen Handeln des Herstellers könne aber nicht die Rede sein. Eine Nutzungsentschädigung für die gefahre-nen Kilometer des Klägers lehnte das LG Bielefeld allerdings ab. Eine Neulieferung des Wohnmobils scheide aus. 

Das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 26.Februar 2024 - Az: 7 O 191/21 ist noch nicht rechtskräftig.

Fortsetzung folgt.


Landgericht zur Anforderung an Hinweis auf Widerspruchsrecht gegenüber unerwünschter E-Mail-Werbung

20.4.2024

Das bloße Verlinken der Datenschutzhinweise, die wiederum einen Verweis auf die Marketingaktivitäten nebst Hinweis auf einen Abmeldelink enthalten, erfüllt nicht die Anforderungen an einen klaren, deutlichen Hinweis auf das Widerspruchsrecht bei Erhebung der Adresse. Es reicht nicht, wenn in der Datenschutzerklärung ausgeführt wird, dass die Kundendaten für Werbezwecke genutzt werden und sich der Empfänger von der E-Mail-Marketing Kom-munikation abmelden kann, insbesondere wenn dieser Hinweis - ohne textliche Herausstellung - auf S.23 eines 26 Seite umfassenden Schriftstücks ent-halten ist - unterstrich das Landgericht (LG) Paderborn im Urteil vom 12.März 2024 - Az: 2 O 325/23.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung wegen der Zusendung von Werbe-E-Mails in Anspruch. Die Klägerin arbeitet bundesweit in den Berei-chen Beleuchtungs- und Beschallungsanlagen für Sportstätten, Arenen und Außenanlagen aller Art. Die Beklagte ist Online-Reiseanbieter, der die Platt-form P betreut. Der Geschäftsführer der Klägerin buchte bei der Beklagten unter Angabe der E-Mail-Adresse zwei Flüge. Im Anschluss sandte die Beklagte der Klägerin an die Adresse eine Werbe E-Mail. Darauf, dass entsprechende Kontaktaufnahmen in Zusammenhang mit einem mit der Beklagten geschlos- senen Vertrag zur Vermittlung von Reiseleistungen erfolgen können, wird im Rahmen der Datenschutzerklärung hingewiesen. Die Erklärung umfasst 26 DIN-A 4-Seiten, wobei auf den Seiten 23 bis 24 die Informationen über das Widerspruchsrecht des Nutzers stehen. Die Klage auf Unterlassung der Zu-sendung weiterer Werbe-E-Mails hatte Erfolg. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Unterlassung der Zusendung zukünftiger Werbe-E-Mails gem. §§ 823 Abs.1, 1004 BGB analog gegen die Beklagte zu. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung steht die ohne wirksame Einwilligung an eine geschäftliche E-Mailadresse versandte Werbe-E-Mail einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar (Verweis auf BGH vom 14.März 2017 - Az: VI ZR 721/15). Das von der Beklagten veranlasste Zusenden von insgesamt 6 Werbe-E-Mails zwischen dem 13.September 2023 und dem 3.Oktober 2023 stellt einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Eine wirksame (aus-drückliche) Einwilligung der Klägerin ist weder ersichtlich, noch wird sie mit Substanz von der Beklagten behauptet - so das LG. Die von der Beklagten bemühten Voraussetzungen des § 7 Abs.3 Nr.4 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) liegen auch nicht vor. Die bloße Verlinkung der Daten-schutzhinweise, die wiederum einen Verweis auf die Marketingaktivitäten der Beklagten nebst Hinweis auf einen Abmeldelink enthält, erfüllt nicht die An-forderungen an einen klaren, deutlichen Hinweis auf das Widerspruchsrecht bei Erhebung der Adresse. Es reicht nicht, dass die Beklagte in ihrer Daten-schutzerklärung ausführt, dass die Kundendaten für Werbezwecke genutzt werden und sich der Empfänger von der E-Mail-Marketing Kommunikation ab-melden kann, gerade wenn dieser Hinweis ohne textliche Hervorhebung - im Zuge eines 26 Seiten umfassenden Schriftstücks enthalten ist. Im Mindest-fall hätte die Beklagte ein anklickbares bzw. ankreuzbares Kästchen ("Ich widerspreche der Verwendung meiner persönlichen Daten zu Werbezwecken") bereitstellen müssen. Darüber hinaus ist notwendig auf jeden Fall auch die Bennung einer Kontaktanschrift, an die ein zeitlich nach dem Vertragsschluss ausgesprochener Widerspruch zu senden ist (Postadresse, Telefon- oder Telefaxnummer, E-Mail-Adresse). Daran fehlt es jeweils. Für den gesetzlich vorge-schriebenen Hinweis auf das Widerspruchsrecht war es auch nicht ausreichend, dass die Beklagte in jeder E-Mail, also bei Verwendung der klägerischen E-Mail-Adresse, auf die Abmeldung durch anklickbare Links verwiesen hat. Zwar hat die Beklagte dadurch eine problemlose Möglichkeit, um die Nut-zung per E-Mail-Adressen für Werbezwecke abzulehnen, eingerichtet. Es fehlt wiederum an einem konkreten Hinweis auf die Widerspruchsmöglichkeit an sich - betonte die Kammer des LG Paderborn im Urteil vom 12.März 2024 - Az: 2 O 325/23.





Oberlandesgericht über Vererbung von Barvermögen und liquide Mittel des Erblassers

17.4.2024

Vermacht der Erblasser sein Barvermögen, so beabsichtigt dieser nicht, nur seine Banknoten und Münzen zu vererben, sondern auch sämtliche liquiden Mittel. Im vorliegenden erbrechtlichen Fall, den das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg mit Urteil vom 20.Dezember 2023 - Az: 3 U 8/23 entschieden hat, hatte ein Herr seine Erben mit einem Vermächtnis zugunsten seiner Ehefrau in die Pflicht genommen. Die Vermächtnisnehmerin sollten sein “Bar-vermögen” erhalten. Umstritten ist zwischen Erben und der Witwe des Erblassers, ob damit Scheine und Münzen gemeint sind, die dieser in seinem Portemonnaie und im Haus aufbewahrt hatte, oder auch sein Bankguthaben. Die Witwe steht auf dem Standpunkt, dass ihr sämtliche liquiden Mittel ihres verstorbenen Ehemanns zustehen. Vor dem OLG Oldenburg hatte sie mir ihrer Rechtsposition Erfolg. Die Bedeutung des Barvermögens ist durch Auslegung des Testaments zu klären - so der OLG-Senat. In Anbetracht der heutigen Zeit ist der Begriff des Barvermögens in der Weise zu verstehen, dass dort das Bargeld unter Einbeziehung der bei der Bank befindlichen zeitnah verfügbaren Gelder zu verstehen sei. Durch die häufige Nutzung von Karten im wirtschaftlichen Miteinander hat sich nach der Verkehrsanschauung der Begriff “bar” verändert. Zu diesem zählen heutzutage das komplette Geld, das umgehend auch über Kartenzahlung zur Verfügung steht. Dagegen gehören Wertpapiere nicht zu dem Begriff des “Barvermögens”. Diese werden durch die weitere Bezeichung des Kapitalvermögens mit erfasst - erklärte das OLG Oldenburg im Urteil vom 20.Dezember 2023 - Az: 8 U 8/23.

Quelle: DeutscherAnwaltVerein AG Erbrecht, Aktuelle Urteilsmeldungen, Wer “Bargeld” vermacht, vermacht auch das Geld auf den Konten, 31.März 2024


Bundesgerichtshof zu den Voraussetzungen einer Ehegatteninnengesellschaft

22.4.2024

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in dem Beschluss vom 6.März 2024 - Az: XII ZB 159/23 mit den Voraussetzungen einer Ehegatteninnengesell-schaft befasst. Für das Zustandekommen einer solchen Ehegatteninnengesellschaft durch konkludenten Vertragsschluss kommt es maßgeblich darauf an, welche Zielvorstellungen die Ehegatten mit einer Vermögensbildung verfolgen, insbesondere ob sie mit ihrer Tätigkeit eine über die bloße Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft hinausgehenden Zweck erreichen wollen, und ob ihrem Tun die Vorstellung zugrunde liegt, dass das gemeinsam ge-schaffene Vermögen wirtschaftlich gesehen nur den formal Berechtigten, sondern auch dem anderen Ehegatten zustehen soll.

Der Antragsteller macht als mit der Nachtragsverteilung beauftragter frühere Insolvenzverwalter einen Anspruch des geschiedenen Ehemanns der Antrags-gegnerin (Schuldner) auf Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens nach Auflösung einer etwaigen Ehegatteninnengesellschaft gegen die Antrags-gegnerin geltend. Die Antragsgegnerin und der Schuldner waren verheiratet und lebten im Güterstand der Gütertrennung. Bei Eingehung der Ehe war der Schuldner alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der T. K. E. GmbH. Kurz bevor er im Jahr 2012 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen sowie einige Monate später über sein eigenes Vermögen stellte, gründete die Antragsgegnerin als Alleingesellschafterin die T. K. A. GmbH und übernahm deren Geschäftsführung. Der Schuldner war bei dieser Gesellschaft ab dem 3.September 2012 zu einem Bruttolohn von monatlich 1 950 Euro zzgl. Spesen als Verkaufsleiter angestellt. Sein Lohn wurde für die Zeit ab Juni 2014 auf monatlich 2 500 Euro brutto erhöht. Die Gewinne der Gesellschaft wurden ebenso wie das Gehalt der Antragsgegnerin und der Lohn des Schuldners auf ein Girokonto der Antragsgegnerin gezahlt, für das der Schuldner bis Dezember 2018 eine Kontrollvollmacht hatte. Im Dezember 2018 kam es zur Trennung der Ehegatten. Wenig später wurde der monat-liche Bruttolohn des Schuldners mit Wirkung ab Februar 2019 auf 7 300 Euro erhöht. Auch im Februar 2019 wurde dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt. Im September 2019 erklärte die Antragsgegnerin die fristlose Kündigung des Anstellungsverhältnisses des Schuldners. Das über das Vermögen des Schuldners geführte Insolvenzverfahren wurde im Oktober 2019 aufgehoben. Im Dezember 2019 veräußerte die Antragsgegnerin die T. K. A. GmbH. Sie blieb dort aber weiterhin als Geschäftsführerin angestellt. Mit Blick auf einen möglichen Auseinandersetzungsanspruch des Schuldners nach Auflösung einer zwischen den Ehegatten zustandegekommenen Ehegatteninnengesellschaft mit dem Zweck des gemeinsamen Betriebs der T. K. A. GmbH ordnete das Insolvenzgericht die Nachtragsverteilung an und beauftragte den Antragsteller mit deren Durchführung. Dieser machte ausgehend von einem hälftigen Auseinandersetzungsanspruch des Schuldners einen Teilanspruch in Höhe der Hälfte des Eigenkapitals der GmbH von rd. 830 000 Euro gegen die Antragsgegnerin geltend. Das Amtsgericht (AG) wies den Antrag ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hatte vor dem OLG genauso wenig Erfolg wie die vorliegende Rechtsbeschwerde vor dem BGH. Das OLG hat eine Ehegatteninnengesellschaft zwischen der Antragsgegnerin und dem Schuldner mit rechtsfehlerfreier Begründung verneint - so der BGH. Nach der höchstrichterlicher Rechtsprechung kann ein Ausgleich nach den §§ 730 ff. BGB infrage kommen, wenn Ehegatten ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten einen Gesellschaftsvertrag geschlossen haben. Für das Zustande-kommen einer solchen Ehegatteninnengesellschaft durch konkludenten Vertragsschluss kommt es dabei maßgeblich darauf an, welche Zielvorstellungen die Ehegatten mit einer Vermögensbildung verfolgen, insbesondere ob sie mit ihrer Tätigkeit eine über die bloße Verwirklichung der ehelichen Lebensge-meinschaft hinausgehenden Zweck erreichen wollen, und ob ihrem Tun die Vorstellung zugrunde liegt, dass das gemeinsam geschaffene Vermögen wirtschaftlich gesehen nicht nur dem formal Berechtigten, sondern auch dem anderen Ehegatten zustehen soll. Indizien können sich etwa aus der Pla-nung, dem Umfang und der Dauer der Vermögensbildung sowie aus Absprachen über die Verwendung und Wiederanlage erzielter Erträge ergeben. Wird durch die Mitwirkung bei den Ehegatten in dem von einem Ehegatten betriebenen Unternehmen Vermögen gebildet, kann für das Zustandekommen einer Ehegatteninnengesellschaft insbesondere sprechen, dass die Ehegatten das Unternehmen gemeinsam aufbauen wollten, sie mithin nicht nur in dem von einem der Ehegatten in die Ehe eingebrachten laufenden Unternehmen zusammengewirkt haben. Auch die Übernahme wichtiger Funktionen in dem Unternehmen durch den dinglich nicht berechtigten Ehegatten und ein erheblicher Einsatz von Finanzmitteln oder der eigenen Arbeitskraft durch diesen können auf dem stillschweigenden Zusammenschluss der Ehegatten zu einer Innengesellschaft hindeuten. Das Erfordernis der gleichgeordneten Mitarbeit darf jedoch nicht überbetont werden. Die Annahme einer durch schlüssiges Verhalten zustande gekommenen Ehegatteninnengesellschaft darf auch nicht zu den von den Ehegatten ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen im Widerspruch stehen. Ausdrückliche Abreden gehen einem nur konkludent zum Ausdruck gekommenen Willen vor. Die bloße Vereinbarung von Gütertrennung spricht wieder nicht ohne Weiteres gegen das Zustandekommen einer Ehe-gatteninnengesellschaft. Hat ein Ehegatte im Unternehmen des anderen auf der Grundlage einer ausdrücklich getroffenen Vereinbarung, etwa einem Arbeitsvertrag, mitgearbeitet, richten sich dessen Ansprüche vom Grundsatz her nach den vertraglichen Bestimmungen. Voraussetzung ist insofern indes, dass der Tätigkeit des nicht am Unternehmen berechtigten Ehegatten ein wirksam begründetes Arbeitsverhältnis zugrunde liegt, der Arbeitsvertrag mithin nicht nur zum Schein (§ 117 BGB) geschlossen wurde. Gegen eine auf Gründung einer Ehegatteninnengesellschaft gerichteten Rechtsbindungswillen der Ehegatten kann überdies sprechen, dass die dingliche Zuordnung des Geschäftsvermögens zu nur einem der Ehegatten dem Zweck diente, gemeinsam aufgebautes oder zu schaffendes Vermögen den Gläubigern des anderen Ehegatten vorzuenthalten. Danach hat das OLG vorliegend das Zustandekommen einer Ehegatteninnengesellschaft durch schlüssiges Verhalten der Ehegatten und einem mit Auflösung einer solchen Gesellschaft durch schlüssiges Ver-halten der Ehegatten und mit einem mit Auflösung einer solchen Gesellschaft entstandenen, in die Insolvenzmasse fallenden Zahlungsanspruch des Schuldners rechtfehlerfrei verneint. Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Ehegatten bewusst die Eingehung einer gesellschaftsrechtlichen Bezie-hung sowie die damit verbundene Teilhabe des Schuldners an dem zu erwirtschaftenden Vermögen vermieden und eine andere rechtliche Gestaltung un-ter Mitwirkung des Schuldners im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses gewählt haben. Zutreffend hat es dabei ausschließlich auf die von der Antragsgeg-nerin und den Schuldner ausdrücklich gewählte Rechtsgestaltung abgestellt, weil diese keinen Raum für eine daneben begründete Ehegatteninnenge-sellschaft lässt. Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde außerdem, das OLG habe unbeachtet gelassen, dass die Antragsgegnerin und der Schuldner im Güterstand der Gütertrennung lebten. Vielmehr hat es schon nicht angenommen, dass der Schuldner nach der Vorstellung beider Ehegatten im Schei-dungsfall an dem in der GmbH verkörperten Vermögenszuwachs teilhaben sollte, sondern zugrunde gelegt, diese hätten bewusst auf eine solche Teilhabe verzichtet, um das gemeinsam geschaffene Vermögen einem Zugriff der Insolvenzgläubiger zu entziehen. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.


Finanzgericht über Stromsteuerbefreiung bei räumlich voneinander entfernten Erzeugungsanlagen

22.4.2024

Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf hat im Urteil vom 21.Februar 2024 - Az: 4 K 1324/22 USt ausgeführt, dass im Stromsteuerrecht von einem funk-tionsbezogenen Anlagenbegriff auszugehen ist. Es ist nicht allein auf den Standort der Anlage abzustellen.

Vor dem FG Düsseldorf ging es um eine Klägerin, die Reste einsammelte und entsorgte. Die nach der Zerkleinerung der Reste entstehende Biomasse wur-de danach zu Biogasanlagen geschickt, die von der Klägerin an unterschiedlichen Standorten betrieben wurden. Mittels der Vergärung gewann die Kläge-rin Biogas, das sie zur Stromerzeugung verwendete. Die Klägerin entnahm 2018 und 2019 den von ihr erzeugten Strom an dem jeweiligen Standort ih-rer Anlagen zum Selbstverbrauch. Sie leitete den Strom weiterhin an Letztverbraucher, die den Strom auf dem Betriebsgelände der jeweiligen Anlage den dort von ihr unterhaltenem Netz entnahmen. Überschüssiger Strom wurde außerdem im Wege der Direktvermarktung in das allgemeine Versorgungsnetz eingespeist. Beim Hauptzollamt meldet die Klägerin jeweils in Folgejahr die Strommengen an, die sie ihrer Ansicht nach steuerfrei entnommen und gelie-fert hatte. Das Hauptzollamt setzt für 2018 und 2019 entsprechende Stromsteuer fest. Das FG Düsseldorf hat im Urteil vom 21.Februar 2024 - Az: 4 K 1324/22 USt die Festsetzung dieser Steuer nur zum Teil bestätigt. Hinsichtlich des im zweiten Kalenderjahr 2019 mit den drei Anlagen erzeugten und entnommenen Stroms greife die Steuerbefreiung nach § 9 Abs.1 Nr.1 Stromsteuergesetz neuer Fassung (StromStG n. F.). Die Revision gegen dieses Ur-teil des Finanzgerichts Düsseldorf ist schon beim Bundesfinanzhof unter Az: VIII R 5/24 anhängig.

Quelle: Haufe Online Redaktion, Stromsteuerbefreiung bei räumlich voneinander Erzeugungsanlagen, www.haufe.de NEWS 15.04.2024


Bundesarbeitsgericht über Mitbestimmung bei Einstellung - Betriebsräte haben digitale Bewerbungsunterlagen zu akzeptieren

23.4.2024

Die Arbeitgeberin kann den Betriebsrat über eine geplante Einstellung auch unterrichten, in dem sie den Betriebsräten Einsicht in ein digitales Bewer-bungsmanagement-Tool gibt. Papierunterlagen - so das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Beschluss vom 13.Dezember 2023 - Az: 1 ABR 28/22 - erfordert eine ordnungsgemäße Unterrichtung nicht.

Die Arbeitgeberin, ein Unternehmen der Getränkeindustrie, hatte dem Bewerbungsprozess um eine ausgeschriebene Stelle digital unter Einsatz eines Re-cruiting-Softwareprogramms digital durchgeführt. In dem internen und externen Bewerbungsportal, über das auswärtige Kandidatinnen/Kandidaten sich zu bewerben hatten, waren sämtliche Bewerbungsunterlagen hinterlegt. Die über Dienst-Laptops verfügenden Betriebsratsmitglieder hatten für die Dauer des Zustimmungsverfahrens Zugriff auf dieses System und dort auf die persönlichen Angaben der Bewerberinnen/Bewerber, ihre Anschreiben, Lebens-läufe, Zeugnisse und Zertifikate. Trotzdem verweigerte der Betriebsrat die Zustimmung zur geplanten Einstellung eines neuen Mitarbeiters - auch nach den ihnen das Protokoll des Vorstellungsgesprächs und die Stellenbeschreibung des neuen Arbeitsplatzes nachgereicht worden waren. Das veranlasste das Unternehmen dazu, die Zustimmung der Arbeitnehmervertretung vom Gericht ersetzen zu lassen. Wie das Arbeitsgericht Halle und das Landesar-beitsgericht Sachsen-Anhalt gab auch das BAG dem Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin - laut Beschluss vom 13.Dezember 2023 - Az: 1 ABR 28/22 - statt. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß nach § 99 Abs.1 S.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) in Kenntnis gesetzt worden, die Zu-stimmung sei daher zu ersetzen. Die Arbeitgeberin war nicht gehalten, dem Betriebsrat die “Bewerbungsunterlagen” der Interessenten in Papierform zu-kommen zu lassen. Das ergäbe die Auslegung wie auch Sinn und Zweck der Regelung. “Der durch den Wortlaut der Vorschrift vermittelte Wortsinn lässt (…) erkennen, dass dem Arbeitgeber dem Betriebsrat digital verfügbare ”Bewerbungsunterlagen" auch nur in dieser Form zur Verfügung stellen muss" - bemerkte der BAG-Senat. Bei einem funktionalen Verständnis und solchen “Unterlagen” allen Interessenbekundungen und Daten, die der Arbeitgeber dafür von den Bewerberinnen/Bewerbern erhalten habe. In welchem Format das geschieht, sei unerheblich. Der Betriebsrat habe die Information zu er-halten, um sein Recht zur Stellungnahme sachbezogen ausüben zu können. Dieser Unterrichtungs- und Vorlagepflicht nach § 99 Abs.1 S.1 BetrVG habe die Arbeitgeberin nach Meinung des BAG-Senats im vorliegenden Fall entsprochen. Die Arbeitgeberin habe den Betriebsratsmitgliedern für die Dauer des Zustimmungsverfahrens ein digitales Einsichts- und Leserecht der “Bewerbungsunterlagen” gewährt. Dies hätte ihnen jederzeit die Möglichkeit gegeben, sich mit den Personalien aller Bewerber zu beschäftigen und diese zu prüfen. Dadurch befänden sie sich auf der gleichen Informationsebene wie die Ar-beitgeberin.

Quelle: Redaktion beck-aktuell, ns, Mitbestimmung bei Einstellung - Betriebsräte müssen auch digitale Unterlagen akzeptieren, rsw.beck.de 15.April 2024


Bundesgerichtshof über die Zusage bestimmter Beschaffenheit bei einem Oldtimer

17.4.2024

Wer eine bestimmte Beschaffenheit verspricht, kann sich nicht gleichzeitig auf einen Gewährleistungsausschluss beziehen. “Einwandfrei” gilt selbst bei der Klimaanlage eines Oldtimers - laut dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10.April 2024 - Az: VIII ZR 161/23. 

Der Oldtimer ist alles andere als ein Neuwagen. Daher können Käufer auch keine Erwartungshaltung haben. Wenn jedoch der Verkäufer angibt, dass die Klimaanlage “einwandfrei” arbeitet, kann der Käufer dies erwarten. Mit dem Hinweis auf das Alter und dem Verschleiß des Fahrzeugs kann der Verkäufer dann nicht argumentieren. Ein gleichzeitig vereinbarter Gewährleistungsausschluss steht dem Schadensersatzanspruch des Käufers nicht entgegen - ist dem Urteil des BGH vom 10.April 2024 - Az: VIII ZR 161/23 zu entnehmen. Der BGH hob damit ein vorheriges Urteil des LG Limburg auf und verwies es dorthin zurück. Der Kläger hatte hier im März 2021 im Zuge eines Privatverkaufs einen erstmals im Jahre 1981 zugelassenes Fahrzeug der Marke MB Typ 380 SL mit einer Laufleistung von rd. 150 000 Kilometern zum Preis von 25 000 Euro erworben. In der Online-Verkaufsanzeige hieß es:"Klimanlage funktioniert einwandfrei. Der Verkauf erfolgt unter Ausschluss jeglicher Sachmängelhaftung." Die Klimaanlage war jedoch defekt, der Käufer verlangte von dem Verkäufer die Kosten für die Reparatur i. H. v. 1 750 Euro. In der Vorinstanz scheiterte der Käufer. Das LG war der Auffassung, der Gewährleistungs-ausschluss erstrecke sich auch auf einen etwaigen Mangel an der Klimaanlage. Bei einem rd. 40 Jahre alten Fahrzeug habe - trotz der Beschaffenheits-vereinbarung - mit einem Instandsetzungsbedarf gerechnet werden müssen. Das sah der BGH anders. Nach der gefestigten Rechtsprechung des höchsten deutschen Zivilgerichts sei bei einer vereinbarten Beschaffenheit i. S. von § 434 Abs.1 S.1 BGB alter Fassung (jetzt § 434 Abs.1, 2 S.1 Nr.1 BGB) ein dadurch vereinbarter allgemeiner Haftungsausschluss für Sachmängel so auszulegen, dass er nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit, son-dern nur für sonstige Mängel gelten soll. Wenn sich ein Gewährleistungsausschluss auch auf vereinbarte Beschaffenheit erstrecke würde, wäre eine ent-sprechende vorherige Vereinbarung zwischen den Parteien “ohne Sinn und Wert.” Bei der Frage käme es weder auf das Alter des Fahrzeugs noch auf die Verschleißanfälligkeit der Klimanlage an. Über diesen Fall hat nunmehr das LG Limburg neu zu verhandeln und zu entscheiden.

Quelle: fkr/LTO-Redaktion, Auch beim Oldtimer kann man Beschaffenheit vereinbaren, LTO Legal Tribune Online (www.lto.de) 10.04.2024


Finanzgericht zur Rückgängigmachung von Investitionsabzugsbeträgen bei Photovoltaikanlagen

18.4.2024

Das Finanzgericht (FG) Köln hat mit Beschluss vom 14.März 2024 - Az: 7 U 10/24 ausgeführt, dass das Finanzamt Investitionsabzugsbeträge für die Anschaffung von ab den dem Jahr 2022 steuerbefreiten Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) rückgägig machen darf. Seit dem 1.Januar 2022 sind die Einnahmen aus PV-Anlagen auf Einfamilienhäusern mit einer Leistung von bis zu 30 kWp steuerfrei. Daraus folgt, dass auch die damit zusammenhän-genden Ausgaben nach § 3c Abs.1 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht mehr geltend gemacht werden können.

In der Einkommensteuererklärung 2021 bildete der Antragsteller im vorliegenden Fall für die geplante Anschaffung einer Photovoltaikanlage auf sein Ein-familienhaus einen steuermindernden Investitionsabzugsbetrag. Diese Anlage wurde im November 2022 mit einer Leistung von 11,2 kWp angeschafft. Nachdem jedoch der Gesetzgeber rückwirkend zum 1.Januar 2022 PV-Anlagen auf Einfamilienhäuser mit einer Leistung von bis zu 30 kWp steuerbefreit hat, macht das Finanzamt den bislang für 2021 gewährten Investitionsabzugsbetrag rückgängig. Der Antragsteller wehrt sich dagegen und macht vor dem FG Köln geltend, die nachträgliche Streichung des Investitionsabzugsbetrags sei unzulässig. Er habe sich vor der Gesetzesänderung zur Anschaffung der PV-Anlage entschlossen und darauf vertraut, Einkommensteuern zu sparen. Der Antrag auf Aussetzung hatte jedoch keinen Erfolg. Das FG Köln stellte klar, dass die Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrags zulässig ist. Gegen den Beschluss des Finanzgerichts Köln vom 14.März 2024 - Az: 7 U 10/24 ist die Beschwerde beim Bundesfinanzhof anhängig, wird dort unter Az: III B 24/24 geführt.

Quelle: Haufe Online Redaktion, Rückgängigmachung von Investitionsabzugsbetrag bei PV-Anlage, www.haufe.de NEWS 11.04.2024


Finanzgericht zum Nachweis einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nach dem Außensteuergesetz

19.4.2024

Das Finanzgericht (FG) Münster hat mit Urteil vom 6.Februar 2024 - Az: 2 K 842/19 F entschieden, welche Anforderungen an den Nachweis der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit i. S. d. § 8 Abs.2 Außensteuergesetz (AStG) zu stellen sind.

Die Regelung nach § 8 AStG hat die Einkünfte von Zwischengesellschaften zum Gegenstand. Im vorliegenden Fall des FG Münster stand eine Kapitalge-sellschaft im Blickpunkt, die in den Streitjahren 99,95 Prozent der Anteile an einer Kapitalgesellschaft nach belgischem Recht in Belgien (nachfolgend NV) hielt. Die Gründung der NV geschah im Jahr 1982. Diese war als Holding- und Managementgesellschaft ihrer Unternehmensgruppe aktiv und hielt dazu sowohl ausländische als auch inländische Beteiligungen an Unternehmen. Zu der Geschäftstätigkeit der NV zählte die Darlehnsvergabe an die ope-rativen Gesellschafter ihrer Unternehmensgruppe und an Dritte, die Desinvestition von Beteiligungen zur Förderung des Unternehmenszwecks der Gruppe und der Ankauf von Beteiligungen. Die NV mietete, um ihrer Tätigkeit nachgehen zu können, in Belgien einen Raum von 15 bis 20 Quadratmeter Größe, eigene Telefon- und Faxanschlüsse und E-Mailadressen und Büroausstattung. Die Geschäfte wurden von vier Verwaltungsratsmitgliedern geführt, einem aus Belgien und drei aus Deutschland. In den Streitjahren erreichte die Gesellschaft Zinserträge, Erträge aus der Erbringung von Beratungsleistungen und Erträge aus Finanzanlagen. Wegen der Besonderheiten des belgischen Steuerrechts wurde gegenüber der NV in den Streitjahren keine Ertragsteuer fest-gesetzt. Das Finanzamt war der Auffassung, dass die von der NV erzielten Zinserträge von der Klägerin als Zwischeneinkünfte im Wege der Hinzurech-nungsbesteuerung zu beachten seien. Das FG Münster sah im Urteil vom 6.Februar 2024 - Az: 2 K 842/19 F die NV jedoch nicht als Zwischengesell-schaft an.

Quelle: Haufe Online Redaktion, Nachweis der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit i. S. d. § 8 Abs.2 AStG, www.haufe.de NEWS 16.04.2024 

 


Amtsgericht: Kein Ausgleichsanspruch bei Flugverspätung aufgrund mehrstündigen Ausfalls des SITA-Systems

19.4.2024

Kommt es zu einer Flugverspätung wegen des mehrstündigen Ausfalls des SITA-Systems, so kann sich die Fluggesellschaft auf einen außergewöhnlichen Umstand i. S. v. Art.5 Abs.3 Fluggastrechteverordnung (VO) berufen. Hat die Airline auch alle erforderlichen Maßnahmen getroffen, um die Verspätung zu vermeiden, ist ein Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs.1 VO abzulehnen, erklärte das Amtsgericht (AG) Erding im Urteil vom 3.Mai 2023 - Az: 116 C 1839/22 aus.

Zwei Fluggäste erreichten hier im April 2022 ihren Ankunftsort im amerikanischen F. L. mit einer über dreistündigen Verspätung. Die Passagiere hatten ei nen Flug von der bayerische Landeshauptstadt M. über Ch. (USA) nach F. L. gebucht. Grund für die Verspätung war der Ausfall des SITA-Netzwerks in M. und dem sich daraus ergebenden verspäteten Abflug nach Ch. Bedingt durch diese Verspätung konnten die Passagiere den Anschlussflug nach F. L. nicht erreichen. Die Parteien streiten darüber, ob die Airline zur Ausgleichszahlung verpflichtet ist. Das Amtsgericht Erding entschied im Urteil vom 3.Mai 2023 - Az: 116 C 1839/22, dass die Fluggesellschaft nicht zur Zahlung einer Ausgleichsleistung nach Art.7 Abs.1 VO verpflichtet sei. Schließlich konnte sich die Airline auf einen außergewöhnlichen Umstand i. S. v. Art.5 Abs.3 VO beziehen. Weiter habe die Fluggesellschaft alle zumutbaren Versuche unternom-men, um die Verspätung zu verhindern. Der mehrstündige Ausfall des SITA-Systems, von dem alle Luftverkehrsunternehmen, die in M. ihre Flüge abferti-gen, betroffen waren, der einen größeren Aufwand bei der dadurch notwendigen manuellen Abfertigung der Fluggäste zur Konsequenz hatten und damit den planmäßigem Start eines Flugs verhinderten, stellt nach Meinung des AG einen außergewöhnlichen Umstand dar. Es haben einen extremen Grund gegeben, der für die Airline nicht beherrschbar war. Der Defekt sei nicht in dem unternehmenseigenen Datensystem vorgekommen, sondern an der Schnittstelle zur Übermittlung dieser Daten an den Flughafenbetrieb. Hier endet der Verantwortungsbereich der Gesellschaft.


Bundesgerichtshof über Sondereigentum am Stellplatz im Parkpalettensystem

20.4.2024

Weder der einzelne Stellplatz innerhalb einer Doppelstockgarage ("Duplexparker") noch der einzelne Stellplatz auf einem Parkpalettensystem ("Paletten-parker") ist nach § 3 Abs.2 S.2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) alter Fassung (a. F.) sondereigentumsfähig. Entsprechend der Neuregelung für Stell-plätze in § 3 Abs.1 S.2 WEG kann auch an den einzelnen Stellplätzen in Doppelstockgaragen Sondereigentum begründet werden. Stellplätze auf Parkpa-letten sind jedenfalls dann sondereigentumsfähig, wenn ein bestimmter Palettenstellplatz zum allgemeinen Gebrauch fest zugewiesen wird. Bundesge-richtshof Beschluss vom 7.März 2024 - Az: V ZB 46/23

Die Beteiligten sind Mitglieder einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) und in den Grundbuchblättern als Sondereigentümer eingetragen. Zu der Wohnanlage zählt eine Tiefgarage. Wegen des Gegenstands und des Inhalts des Sondereigentums wird im Grundbuch auf die Eintragungsbewilli-gung vom 6.Juni 1996 Bezug genommen, die Bestandteil der Teilungserklärung mit gleichen Datum ist. Auf den Blättern 12833 N bis 12850 N ist Son-dereigentum an 18 Tiefgaragenstellplätzen mit den Nummern 89 bis 106 gebucht. Wörtlich heißt es etwa zu der Einheit mit der Nummer 89 “verbunden mit dem Sondereigentum an dem Kfz-Einstellplatz Nr. 89, gelegen in der Tiefgarage.” Entsprechende Eintragungen finden sich auch für die Stellplätze mit den Nummern 90 bis 106. Die Stellplätze sind ausweislich des in der Teilungserklärung in Bezug genommenen Aufteilungsplans auf eine auf Laufschie-ne gelagerten horizontal verschiebbaren Palettensystem eingerichtet, um die Zufahrt zu den darunter liegenden Stellplätzen zu ermöglichen. In dem Auf-teilungsplan ist ein Rechteck mit den jeweiligen Nummern 89 bis 106 eingezeichnet und in der Mitte des Plans zusätzlich vermerkt: “52 Stellplätze, da-von 18 Palettenparker (Fa. z. B. W. Parkplatte P 501)” und an anderer Stelle:"Parkplatte 2,14 x 5,00". Die Beteiligten sind der Meinung, dass die - sa-nierungsbedürftigen - Palettenstellplätze abweichend von der Regelung in der Teilungserklärung niemals sondereigentumsfähig gewesen seien und dass deshalb die Miteigentumsanteile, die nach der Teilungserklärung mit dem Sondereigentum an den Palettenstellplätzen verbunden sein sollen, tatsächlich nur “isolierte Miteigentumsanteile” seien. Vor diesem Hintergrund vereinbarten sie durch notarielle Urkunde vom 19.Dezember 2019 “klarstellend” einen entsprechenden Nachtrag zur Teilungserklärung und erklärten die Vereinbarungen der “isolierten Miteigentumsanteile” mit dem jeweiligen Wohnungsei-gentum des für den jeweiligen Stellplatz eingetragenen Teileigentums. Zusätzlich sollen an den tatsächlich im Gemeinschaftseigentum stehenden Flächen wegen einer Neuordnung der Stellplätze neues Sondernutzungsrecht begründet werden. Unter dem 12.Januar 2021 beantragten sie, die Erklärungen bzw. Vereinbarungen aus der Urkunde vom 19.Dezember 2019 in das Grundbuch einzutragen. Das Grundbuchamt wies den Eintragungsantrag zurück. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten hatte vor dem Kammergericht (KG) keinen Erfolg. Auf die Rechtsmittel der Beteiligten hob der BGH die Beschlüsse von KG und AG auf und wies das AG an, die beantragte Eintragung nicht aus den Gründen der o. g. Beschlüsse zu verweigern. Entgegen der Meinung des KG ist an den Stellplätzen kein Sondereigentum begründet worden. Dies hat unabhängig davon Geltung, ob nach dem Inhalt des Grund-buchs Sondereigentum an Stellplatzflächen auf dem Boden der Tiefgarage oder an Stellplatzflächen auf der Palette begründet werden sollte. Anwendbar ist noch das bisherige Recht, weil es sich bei der Frage, ob in Zusammenhang mit der Teilung des Grundstücks (1996) an den Stellplätzen mit den Num-mern 86 bis 106 Sondereigentum begründet worden ist, um die Beurteilung eines abgeschlossenen Sachverhalts handelt. Das am 1.Dezember 2020 in Kraft getretene Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz sieht nicht vor, dass die Neuregelungen zur Sondereigentumsfähigkeit von Stellplätzen (§ 3 Abs.1 S.2, Abs.3 WEG) auch rückwirkend bei der Beurteilung von in der Vergangenheit liegenden Vorgängen heranzuziehen sind. Dass der Eintragungs-antrag der Beteiligten nach dem 1.Dezember 2020 gestellt worden ist, ändert an der Maßgeblichkeit des bisherigen Rechts nichts, weil er an die Teilung des Grundstücks im Jahr 1996 anknüpft. Die Sondereigentumsfähigkeit der einzelnen Stellplätze bei sog. Mehrfachparkern, wozu “Palettenparker” auch zählen wie “Duplexparker”, bei denen mittels einer Hebebühne zwei Fahrzeuge übereinander abgestellt werden können, wird nicht einheitlich beurteilt. Der BGH hat bislang nur entschieden, dass eine Doppelstockgarage einen Raum i. S. v. § 3 Abs.1 bzw. Abs.2 WEG a. F. bildet und als Ganze im Teilei-gentum stehen kann. Offen gelassen hat der BGH, ob auch der einzelne Stellplatz innerhalb der Doppelstockgarage sondereigentumsfähig ist. Das höchs-te deutsche Zivilgericht hat die Frage nunmehr dahingehend geklärt, dass weder der einzelne Stellplatz innerhalb einer Doppelstockgarage ("Duplexpar-ker") noch der einzelne Stellplatz auf einem Parkplattensystem ("Parkpalettenparker") - wie hier - nach § 3 Abs.2 S.2 WEG a. F. sondereigentumsfähig ist. Die bisherige Rechtslage ist allerdings durch das - hier aber noch nicht anwendbare - Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz grundlegend umgestal-tet worden. Gem. § 3 Abs.1 S.2 WEG gelten Stellplätze nunmehr als Räume. Nach dem Willen des Gesetzgebers kann auch an den einzelnen Stellplät-zen in Doppelstockgaragen Sondereigentum begründet werden. Stellplätze auf Parkpaletten sind jedenfalls dann sondereigentumsfähig, wenn - wie vorlie-gend - ein bestimmter Palettenstellplatz zum alleinigen Gebrauch fest zugewiesen wird. Die Gegenmeinung, die die Sondereigentumsfähigkeit von Stell-plätzen auf horizontal verschiebbaren Parkpaletten mit der Begründung verneint, dadurch würden "unzulässiges Immobilieneigentum” entstehen, über-zeugt nicht. § 3 Abs.1 sowie § 5 Abs.1 u. 2 WEG gestatten abweichend von den §§ 93, 94 BGB die Begründung von Sondereigentum an wesentlichen Gebäudebestandteilen, dass eine bewegliche Anlage wie ein Doppel- oder Palettenparkerstellplatz sogar eine eigene Sondereigentumseinheit bilden kann, beruht allein darauf, dass der Gesetzgeber insoweit die Raumeigenschaft nunmehr fingiert. Wie es sich bei einer automatischen Parkvorrichtung verhält, die mehrere Nutzern zugänglich ist und Stellplätze nach Verfügbarkeit vergibt, bedarf keiner Entscheidung - so der BGH.

 

Landgericht: Umstrittene Praxis einer Fitnessstudiokette bezüglich Preiserhöhungen unrechtmäßig

22.4.2024

Das Landgericht Bamberg hat mit Urteil vom 15.März 2024 - Az: 13 O 730/22 die Praxis der Preiserhöhungen durch den Betreiber der Fitnessstudio-kette McF. für unrechtmäßig erklärt. McF. hat dadurch die Entscheidungsfreiheit der Verbraucherinnen/der Verbraucher unzulässig beeinflusst. Die Kette hatte im April 2022 die Beiträge erhöht und die Kundschaft nur kurzfristig darüber informiert. Demgegenüber müssen Kundinnen/Kunden Preisanhe- bungen ausdrücklich zustimmen, bei Widerspruch steht ihnen ein Sonderkündigungsrecht zu. McF. hatte Schilder zu den Preiserhöhungen im Eingangs-bereich angebracht und die Zustimmung beim Passieren des Drehkreuzes am Studiozugang als erteilt angesehen. Auf den Schildern war ebenso aufge-führt, dass sich die Kundschaft im Widerspruchsfall bei Mitarbeitenden des Studios am Schalter melden sollten. Die Kammer des LG sah dies als agres-sive Geschäftspraxis an. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Quelle: AFP/FAZ, Niederlage für McFit, Frankfurter Allgemeine Zeitung 22.April 2024, S.20